Alkoholisiert auf dem Fahrrad unterwegs
Wer auf einem Fahrrad mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mehr als 1,6 Promille unterwegs ist und anschließend das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beibringt, dem kann zu Recht verboten werden, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (VG Neustadt, Urteil vom 12.08.2020, Az. 1 K 48/20.NW).
Sachverhalt
Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl wegen einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr verurteilt: Zeugen hatten bei der Polizei gemeldet, dass er mit dem Fahrrad in auffälliger Weise gefahren sei. Beim Eintreffen der Polizei schob der Kläger das Fahrrad. Die Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,21 Promille.
Die Stadt forderte danach, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage seiner Fahreignung vorzulegen. Da der Kläger das Gutachten in der Folgezeit nicht beibrachte, untersagte ihm die Beklagte die Nutzung aller fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.
Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht.
Behördliche Anordnung bestätigt; Gericht weist Klage ab
Das von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge aller Art (also insbesondere auch ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, ist rechtmäßig. Nach den einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung ist von der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt worden ist. Legt der Betroffene das angeforderte Gutachten nicht oder nicht fristgerecht vor, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen schließen und die daraus folgenden gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen ergreifen.
Rechtmäßige Anordnung zur Begutachtung
Die Gutachtensanordnung der Beklagten ist rechtmäßig ergangen. Der Kläger hat mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille ein Fahrzeug (ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Teilnahme mit einem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr mit einer BAK von mehr als 1,6 Promille die Fahreignung insgesamt, das heißt auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, infrage stellt und die medizinisch-psychologische Untersuchung auch gegenüber Personen, die nicht über eine Fahrerlaubnis verfügen, ohne Rücksicht auf die Einzelfallumstände zulässig und insbesondere nicht unverhältnismäßig ist.
Fehlende finanzielle Mittel unbeachtlich
Soweit der Kläger einwendet, ein medizinisch-psychologisches Gutachten wegen fehlender finanzieller Mittel nicht beibringen zu können, ist dieser Umstand unbeachtlich. Auch der Umstand, dass der Kläger erstmals alkoholisiert mit dem Fahrrad auffällig geworden ist, macht die Gutachtensanordnung nicht unverhältnismäßig. Schließlich kann der Umstand, dass der Kläger zur Bewältigung seines Alltags, zur Versorgung seiner Mutter und zur sozialen Teilhabe auf das Fahrrad angewiesen ist, das Fahrverbot für das Fahrrad nicht verhindern.
Sicherheit im Straßenverkehr hat Vorrang
Diesen beachtlichen privaten Belangen des Klägers steht das ebenfalls sehr hoch zu bewertende öffentliche Interesse an der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs für andere Verkehrsteilnehmer gegenüber. Die Gefahren, die von alkoholbedingt ungeeihneten Fahrradfahrern ausgehen, sind nicht unerheblich, sondern können auch zu schwerwiegenden Schadensereignissen führen. Deshalb ist auch unter Berücksichtigung der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere der allgemeinen Handlungsfreiheit und einer Basismobilität durch die grundsätzlich voraussetzungslose Nutzung eines Fahrrads, ein vollständiges Verbot dieses Fortbewegungsmittels rechtlich nicht zu beanstanden.
Berufung möglich
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG Rheinland-Pfalz eingelegt werden.
Quelle: Pressemitteilung des VG Neustadt a.d. Weinstraße