Straßenverkehrsrecht: Ist das Abstellen eines KFZ auf dem Gehweg eine wegerechtliche Sondernutzung?
Beim Abstellen eines zugelassenen Kraftfahrzeugs auf einem Gehweg kann keine Sondernutzungsgebühr verlangt werden (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 06.02.2017, Az. 5 Bf 163/16.Z).
Der Kläger stellte seinen PKW auf dem Gehweg ab. Daraufhin setzte die Behörde Sondernutzungsgebühren wegen unerlaubter Sondernutzung gegenüber dem Kläger/Halter des PKW fest. Der Widerspruch hiergegen wurde zurückgewiesen. Mit Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.
Die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts durch die Behörde wurde vom Oberverwaltungsgericht verworfen.
Entscheidungsgründe
- Der Kläger hat den Rahmen der Widmung nicht überschritten. Die Straße ist dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Die Widmung kann gemäß § 6 Abs. 2 HWG auf einzelne Verkehrsarten beschränkt werden. Eine solche ausdrückliche Beschränkung auf Verkehrsarten, die den Verkehr mit Kraftfahrzeugen ausschlössen, besteht hier nicht.
- Ist eine Straße (mit all ihren Bestandteilen) wie hier allgemein dem Verkehr gewidmet, so umfasst dies zum einen sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr (vgl. § 12 StVO) und zum anderen alle Verkehrsarten und Verkehrszwecke.
- Eine konkludente Beschränkung der Widmung dahingehend, dass ein Teil der Straße, nämlich die dem Fußgängerverkehr dienende, von der Fahrbahn baulich abgesetzte Wegeanlage, dem Fußgängerverkehr gewidmet ist, ist nicht anzunehmen. So müsste sich eine konkludente Beschränkung jedenfalls bereits aus der Bekanntgabe der Widmung und nicht erst aus einer sich aus der baulichen Gestaltung ergebenden objektiven Zweckbestimmung der einzelnen Straßenteile ergeben.
- Die Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 HWG besagt nicht, dass die straßenverkehrsvorschriftswidrige Benutzung einer wegerechtlichen Erlaubnis bedarf. Die Regelung besagt insbesondere nicht, dass damit über den Gemeingebrauch hinausgegangen wird und eine Sondernutzung gegeben ist. Mit der Formulierung „im Rahmen … der Vorschriften über den Straßenverkehr“ wird vielmehr lediglich klargestellt, dass bei einer Benutzung der öffentlichen Wege im Rahmen des Gemeingebrauchs auch die Vorschriften über den Straßenverkehr beachtet werden müssen; weitergehende wegerechtliche Befugnisse werden damit nicht begründet. Insbesondere kann der Inhalt des Gemeingebrauchs nicht durch das Straßenverkehrsrecht bestimmt werden oder die Widmung durch das Straßenverkehrsrecht eine konkludente Beschränkung erfahren.
- Sache des Straßenverkehrsrechts ist es, ausschließlich die Ausübung des wegerechtlich zugelassenen Gemeingebrauchs zu regeln. Das Straßenverkehrsrecht setzt das Straßenrecht voraus.
- Das Straßenverkehrsrecht regelt die Teilnahme am Straßenverkehr, vor allem dessen Sicherheit und Leichtigkeit. Es dient insbesondere der Abwehr von typischen Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen. Das Straßenrecht befasst sich demgegenüber vor allem mit der Entstehung, der Ein- und Umstufung öffentlicher Straßen und der Abgrenzung von Gemeingebrauch zur Sondernutzung. Es regelt mithin die Rechtsverhältnisse an den öffentlichen Straßen und ihre Bereitstellung für den Verkehr durch Widmung. Beide Rechtsmaterien stehen in einem sachlichen Zusammenhang, weil das Straßenverkehrsrecht, insbesondere durch das Erfordernis der straßenrechtlichen Widmung, das Straßenrecht voraussetzt. Während die allgemeinen straßenrechtlichen Schranken den abstrakten Gemeingebrauch umschreiben, bezeichnen die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften den jeweils zulässigen Nutzungsumfang, den konkreten Gemeingebrauch. Aus der Übertretung beider Begrenzungen ergeben sich jedoch unterschiedliche Konsequenzen. Ein Verstoß gegen die allgemeinen straßenrechtlichen Schranken führt regelmäßig zur Behandlung als Sondernutzung, ein Übertreten der Verkehrsregeln stellt jedoch (nur) eine straßenverkehrsrechtlich unzulässige Art der Gemeingebrauchsausübung dar.
- Über den Gemeingebrauch wird vom Wegerecht, über die Ausübung des Gemeingebrauchs vom Verkehrsrecht entschieden.
- Die Widmung kann durch das Straßenverkehrsrecht nicht konkludent beschränkt werden. Straßenverkehrsordnungswidriges Handeln begründet nicht (automatisch) eine Sondernutzung.
- Ein Befahren eines Gehwegs ist vom Gemeingebrauch gedeckt und vorliegend deshalb eine Gebührenpflicht nicht gegeben (aber ein Verstoß gegen die StVO).