Rechtsprechung in Kürze: wichtige Entscheidungen (August 2020)
Ist die Ungleichbehandlung von Diskothekenbetreibern gegenüber Vereinen, Initiativen und anderen ehrenamtlichen Zusammenschlüssen sachlich gerechtfertigt? Weitere Themen der Übersicht: Abstandsregelungen, Kommunale Sperrbezirksverordnung und Publizitätsgebot, Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen, Hauptamtlicher Geistlicher und Regelfahrverbot, Unterbringung von Obdachlosen, Kommunalrechtliche Verbote.
Zuletzt aktualisiert am: 12. Januar 2022

Gericht | Datum | Aktenzeichen |
VG Kassel | 07.07.2020 | 3 L 1247/20.KS |
Abstandsregelungen auch bei Kinderspielplätzen und KindergärtenDie Einbeziehung von Kinderspielplätzen und Kindergärten in die Abstandsregelungen von § 2 Abs. 3 HSpielhG entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, der auch darin liegt, frühzeitig dagegen vorzubeugen, dass bereits im Kindesalter das Spielhallenangebot als „normal“ empfunden wird. |
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OVG Saarlouis | 30.06.2020 | 2 C 360/19 |
Saarland: Kommunale Sperrbezirksverordnung genügt nicht dem PublizitätsgebotDie ausschließlich im überregional erscheinenden und vor allem nicht allgemein und kostenlos zugänglichen Teil II des Amtsblatts des Saarlands vorgenommene Bekanntmachung einer kommunalen Sperrbezirksverordnung genügt dem Publizitätsgebot nicht. Da für die Sperrgebietsverordnungen – als Verordnungen eigener Art – keine speziellen Vorschriften für deren Bekanntmachung bestehen, sind zur Schließung dieser Regelungslücke die für kommunale Satzungen geltenden Vorschriften entsprechend heranzuziehen, da nur durch eine Veröffentlichung in einer örtlich verbreiteten Publikation gewährleistet wird, dass die von der Rechtsverordnung Betroffenen verlässlich und in zumutbarer Weise vom Inhalt der in Streit stehenden Verordnung Kenntnis erlangen können. |
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OVG Lüneburg | 29.06.2020 | 13 MN 244/20 |
IfSG und DiskothekenDie Rechtsgrundlagen einerseits von § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ und andererseits von § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist. Staatliche Behörden dürfen nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind, wobei diese Notwendigkeit während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen ist. Die Ungleichbehandlung von Diskothekenbetreibern gegenüber Vereinen, Initiativen und anderen ehrenamtlichen Zusammenschlüssen ist sachlich gerechtfertigt. |
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BVerwG | 22.06.2020 | 8 CN 1.19; 8 CN 3.19 |
Öffnung von Verkaufsstellen an SonntagenRegelungen, mit denen eine Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen erlaubt wird, müssen das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonntagsschutzes wahren. Denn das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes verlange, dass der Gesetzgeber die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erhebt. Ausnahmen dürfe er nur aus zureichendem Sachgrund zur Wahrung gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter zulassen. Außerdem müssen die Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben. |
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BayObLG | 27.04.2020 | 202 ObOWi 492/20 |
Hauptamtlicher Geistlicher und RegelfahrverbotDie mit der Ausübung des Amtes eines katholischen Priesters oder eines jeden (hauptamtlichen) Geistlichen einer anderen Konfession oder Glaubensrichtung typischerweise verbundenen wesentlichen Aufgaben, darunter die ggf. kirchenrechtlich exklusive Legitimation zur (Einzel-)Sakramentsspendung, rechtfertigen regelmäßig für sich allein nicht das Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot oder die Anerkennung einer sonstigen Fahrverbotsprivilegierung. |
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VGH Mannheim | 27.11.2019 | 1 S 2192/19 |
Unterbringung von ObdachlosenWenn der Obdachlose offenbar nicht fähig ist, seine persönliche Lage realistisch einzuschätzen und der Lage angemessene Entscheidungen zu treffen, ist für die Frage, ob mangelnde Bemühungen um eine anderweitige Wohnung auf eine Freiwilligkeit der Obdachlosigkeit hindeuten, zumindest auch auf das Handeln des für den Obdachlosen bestellten Betreuers abzustellen. Wird die Obdachlosenunterkunft durch einen polizeirechtlich Untergebrachten gravierend beschädigt, kann die Gemeinde zum Schutz ihres Vermögens nach § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO ihm einfachste Unterkünfte zuweisen oder regelmäßige, im Einzelfall auch tägliche Kontrollen der zugewiesenen Räume vornehmen. Die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft darf weder von der Verwaltung noch vom Betroffenen selbst als Dauerlösung betrachtet werden. Die Gewährung und Sicherung der Unterkunft auf Dauer ist, soweit sich ein Hilfsbedürftiger nicht selbst helfen kann und die Hilfe nicht von anderen erhält, grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Träger der Sozialhilfe, nicht aber der Ortspolizeibehörde. |
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OVG Bautzen | 05.06.2019 | 4 B 441/18 |
Kommunalrechtliche VerboteKommunalrechtliche Verbote, Zirkusse mit Wildtieren auf kommunalen Flächen zuzulassen, sind rechtswidrig, wenn eine Zulassung zu kommunalen Einrichtungen allein mit der Begründung der Zurschaustellung von Wildtieren durch einen Zirkusunternehmer versagt wird. Gleiches gilt für entsprechende Widmungsbeschränkungen für öffentliche Einrichtungen. Wird von der Rechtsaufsichtsbehörde nicht nur eine Beanstandung eines Stadtratsbeschlusses ausgesprochen, sondern zugleich auch dessen Aufhebung gefordert, bedarf es hierauf bezogener eigenständiger Ermesssenserwägungen. |