Visitenkarte im Fahrzeug: Darf Kfz trotzdem abgeschleppt werden?
Immer wieder wird darüber gestritten, ob ein Kfz abgeschleppt werden darf, wenn der Fahrer einen Hinweis auf seinen Aufenthalt im Fahrzeug hinterlässt. Der VGH München (Beschl. vom 08.11.2017, Az.10 ZB 17.1912) musste entscheiden, ob eine Visitenkarte mit allen Kontaktdaten das Abschleppen verhindern kann.
Der Ehemann der Fahrzeughalterin parkte den PKW seiner Frau verkehrswidrig. Vor dem Verlassen des Kfz legte er die Visitenkarte der Ehefrau hinter die Windschutzscheibe. Auf der Visitenkarte (einer Rechtsanwaltskanzlei) waren die Kontaktdaten der Ehefrau angegeben. Ein Polizeibeamter bemerkte den verkehrswidrig abgestellten PKW und ordnete dessen Abschleppen an. Gegen den Leistungsbescheid klagte der Ehemann der Halterin des Fahrzeugs.
Entscheidungsgründe
- Die Abschleppmaßnahme, so der VGH, wäre rechtswidrig durchgeführt, wenn sich aus der im Fahrzeug hinterlassenen Visitenkarte eine Nachforschungspflicht für die Polizei ergeben hätte.
- Eine Benachrichtigung des Fahrers kann aus Erwägungen der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn sich dieser gerade in greifbarer Nähe, somit in unmittelbarer Ruf- oder Sichtweite seines Fahrzeugs, aufzuhalten scheint.
- Das Hinterlegen einer Telefonnummer reicht grundsätzlich nicht aus, die Polizei (oder die Ordnungsbehörde) zu entsprechenden Versuchen zu veranlassen, den Fahrer zu erreichen bzw. Nachforschungen über seinen Aufenthalt zu anzustellen.
- Auch nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist die Polizei nach den Umständen des Einzelfalls zu einem Nachforschungsversuch nur dann verpflichtet, wenn mit dem Hinweis auf den Aufenthalt bzw. die Erreichbarkeit des Fahrers unter einer bestimmten Anschrift im unmittelbaren Nahbereich des Abstellorts des Fahrzeugs auch gleichzeitig erkennbar gemacht sei, dass sich der Fahrer aktuell an diesem Ort befindet.
- Das Argument des Fahrers, die Visitenkarte der Ehefrau mit ihren Kontaktdaten und denen der Rechtsanwaltskanzlei sei ausschließlich aus dem Grund hinter die Windschutzscheibe gelegt worden, dass sie schnellstmöglich erreicht werden könne, hielt der VGH nicht für stichhaltig. Denn das Hinterlassen einer Rufnummer, auch Mobilfunknummer, ist nach der Rechtsprechung nicht ausreichend (u.a. BVerwG, Urteil vom 9.4.2014, Az. 3 C 5.13; VGH München, Beschl. vom 1.12.2009, Az. 10 ZB 09.2367). In diesem Fall ist für den Polizisten bzw. Ortspolizeibeamten nicht erkennbar, ob bzw. wann der Fahrer erscheinen wird und wie lange die Verkehrsbehinderung durch das geparkte Auto noch anhalten wird. Nur wenn der Bedienstete positiv weiß bzw. wissen kann, dass die verantwortliche Person die Störung in Kürze selbst beseitigen wird, ist die Abschleppanordnung unverhältnismäßig.
Ergebnis
Die Klage des Ehemanns der Halterin des verkehrswidrig abgestellten Kfz gegen den Leistungsbescheid wurde abgewiesen. Er hat somit die Kosten des Abschleppvorgangs zu tragen.
Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-133208?hl=true