22.11.2017

„Roter Aufkleber“ als Grundlage für Abschleppen eines Kfz?

Im Wohnort des Autors wurde ein Kfz ohne Kennzeichen abgestellt. Nach einigen Tagen wurde vom Ordnungsamt ein „Roter Aufkleber“ angebracht und das Abschleppen angedroht. Für den Autor ein Grund, der Frage nachzugehen, ob der „Rote Aufkleber“ als Grundlage für das Abschleppen des Kfz ausreicht, das ohne Zulassung im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt wurde.

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Rechtslage

  •  Abgemeldetes Fahrzeug

    Wird ein abgemeldetes Kfz im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt, ist dies ein Rechtsverstoß, weil das Kfz als verkehrsfremder Gegenstand i.S.v. § 32 StVO angesehen wird. Das Kfz „parkt“ auch nicht nach § 12 Abs. 2 StVO und übt damit keinen straßenrechtlichen Gemeingebrauch aus. Das Abstellen des Fahrzeugs ist mithin eine erlaubnispflichtige Sondernutzung.

  • Insoweit es auch folgerichtig, den Eigentümer des Kfz zum Entfernen seines Fahrzeugs aus dem öffentlichen Verkehrsraum aufzufordern.
  • Das abgemeldete Fahrzeug kann im Weg des Sofortvollzugs bzw. der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme ohne vorausgehende Grundverfügung abgeschleppt werden, wenn von ihm eine Verkehrsgefährdung oder eine gegenwärtige Gefahr ausgeht, z.B. wenn die Scheiben eingeschlagen sind und spielende Kinder sich verletzen können.
    (© Uwe Schmidt)

Der „Rote Aufkleber“

  • abschleppen roter AufkleberKonkret wird dem Eigentümer mit dem „Roten Aufkleber“ das Entfernen seines Kfz aus dem öffentlichen Verkehrsraum im Weg der Ersatzvornahme angedroht, wenn er die gesetzte Frist hierzu verstreichen lässt.
  • Das Anwenden einer Ersatzvornahme setzt jedoch voraus, dass zuvor im gestreckten Verfahren ein Grundverwaltungsakt erlassen wurde, der dann vollstreckt wird, wenn der Pflichtige einer Anordnung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt. Das Androhen von Zwangsmitteln setzt jedoch nach den VwVG der Bundesländer das Zustellen des Grundverwaltungsakts voraus.
  • Konsequenz: Der „Rote Aufkleber“ ist schon deshalb keine wirksame Grundverfügung, weil er dem Adressaten nicht zugestellt worden ist (abgesehen davon, dass er nicht die Angabe der Behörde enthält und deswegen als Verwaltungsakt sowieso nichtig wäre).

Zwischenergebnis
Wurde das Kfz mit entstempelten Kennzeichen oder einer Umweltplakette abgestellt, kann der letzte Halter leicht ermittelt und das Fahrzeug im Weg des gestreckten Verfahrens (Erlass einer Grundverfügung, Androhen und Festsetzen des Abschleppens) aus dem öffentlichen Verkehrsraum entfernt und die Kosten angefordert werden. Das Abschleppen des Kfz ohne Grundverfügung wäre rechtswidrig, es sei denn, von ihm geht eine Verkehrsgefährdung oder eine gegenwärtige Gefahr aus.
(© Uwe Schmidt)

Keine Kennzeichen und keine Umweltplakette – wie vorgehen?

  • Ist am Fahrzeug kein (entstempeltes) Kennzeichen und auch keine Umweltplakette angebracht, kann der letzte Halter über die FIN (Fahrzeugidentifizierungsnummer) ermittelt werden. Sie ist in Europa und den USA seit 1981 verbindlich und wird an der Windschutzscheibe, im Motorraum, im Einstiegsbereich der Fahrertür und im Kofferraum angebracht. Weil sie auch in den Zulassungsbescheinigungen angegeben wird, kann mit ihrer Hilfe der (letzte) Halter des Kfz beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) über eine Auskunft aus dem Zentralen Fahrzeugregister ermittelt werden.
  • Sofern von dem ohne Kennzeichen abgestellten Fahrzeug keine gegenwärtige Gefahr oder Verkehrsgefährdung ausgeht, aufgrund derer das Kfz im Weg des Sofortvollzugs bzw. der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme abgeschleppt werden könnte, muss die Antwort des KBA abgewartet und der letzte Halter so wie oben dargestellt im gestreckten Verfahren zum Entfernen seines Kfz aufgefordert werden.

Zwischenergebnis
Wurde das Kfz nicht mit einem entstempelten Kennzeichen oder einer Umweltplakette abgestellt, wird der (letzte) Halter mithilfe der FIN und der Auskunft des KBA ermittelt und danach wie zuvor erläutert das Kfz aus dem öffentlichen Verkehrsraum entfernt.

Vorgehensweise, wenn Fahrzeug als Autowrack anzusehen ist

Ist das abgestellte Fahrzeug ein Autowrack (also Abfall), enthält § 20 Abs. 3 KrWG die Ermächtigung dazu, im öffentlichen Verkehrsraum oder außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile abgestellte Fahrzeuge ohne gültige Kennzeichen zu Abfall zu erklären und abzuschleppen, wenn am Fahrzeug zuvor eine Beseitigungsaufforderung (mittels Aufkleber) befestigt wurde und das Fahrzeug nicht innerhalb eines Monats nach Aufforderung vom Fahrzeughalter beseitigt worden ist.

Zwischenergebnis
Weil das Kfz nicht als Abfall angesehen werden kann, scheidet diese Möglichkeit aus.

Ergebnis

Das Anbringen eines „Roten Aufklebers“ reicht als Grundlage für das Entfernen des Fahrzeugs aus dem öffentlichen Verkehrsraum keinesfalls aus. Die Ordnungsbehörde muss den (letzten) Halter ermitteln und das Kfz im gestreckten Verfahren abschleppen. Das Abschleppen im Weg des Sofortvollzugs/der unmittelbaren Ausführung ist im konkreten Fall nicht zulässig, weil von dem Fahrzeug keine Verkehrsgefährdung oder gegenwärtige Gefahr ausgeht. Außerdem ist das Kfz nicht als Autowrack (Abfall i.S.d. KrWG) anzusehen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)