07.06.2017

Abgeschlepptes Kraftfahrzeug: Keine einstweilige Verfügung auf Herausgabe

Der Erlass einer (gerichtlichen) einstweiligen Verfügung auf Herausgabe eines im Wege der Selbsthilfe (§ 859 BGB) abgeschleppten Fahrzeuges ist im Hinblick auf § 273 Abs. 3 BGB (Abwendung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung) nicht erforderlich (LG München, Beschluss vom 23.02.2016, Az. 31 T 2775/16).

Herausgabe

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Herausgabe des auf den Betriebshof der Antragsgegnerin verbrachten Fahrzeuges des Antragstellers, hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung von 238 Euro. Das Fahrzeug befand sich ohne Kennzeichen und ohne Genehmigung auf dem Tankstellengelände des Pächters.

Die Antragsgegnerin hat in dessen Auftrag das Fahrzeug entfernt und zu ihrem Betriebshof verbracht. Die Forderung des Tankstellenpächters bezüglich der Abschleppkosten wurde an die Antragsgegnerin abgetreten. Als der Antragsteller sein Fahrzeug dort abholen wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass eine Herausgabe nur gegen Zahlung eines Betrages von 422 Euro erfolgt. Daraufhin verblieb das Fahrzeug bei der Antragsgegnerin. Das Amtsgericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller erfolglos sofortige Beschwerde unmittelbar zum Landgericht eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

  • Die Antragsgegnerin hat nicht ihrerseits ebenfalls eine verbotene Eigenmacht begangen, so dass ein Anspruch des Antragstellers auf Herausgabe gem. § 861 BGB gegeben sein könnte.
  • Das Entfernen des Fahrzeuges als solches verstößt nicht gegen das Übermaßverbot. Denn ist es weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Antragsgegnerin in anderer, schonenderer Weise von ihrem Selbsthilferecht hätte Gebrauch machen können. Da an dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Kennzeichen angebracht waren, konnte dieses auch nicht irgendwo auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt werden, zumal dann die Erfüllung der Obhutspflicht seitens der Antragsgegnerin problematisch gewesen wäre.
  • Die Verbringung des Fahrzeuges auf ihrem Betriebshof erscheint von daher als die einzige in Betracht kommende bzw. angemessene Maßnahme. Dabei befindet sich der Betriebshof in derselben Stadt wie der Wohnsitz des Antragstellers. Eine Abholung des Fahrzeuges seitens des Antragstellers ist somit noch mit zumutbarem Aufwand möglich und wurde ja auch von ihm bereits versucht. Die streitgegenständliche Vorgehensweise kann daher letztlich nicht als treuwidrig oder unverhältnismäßig angesehen werden.
    Dass es dem Antragsteller gewisse Mühe bedeutet, sein Fahrzeug wieder zu erlangen, liegt in der Natur der Sache und hat auch letztlich er selbst zu vertreten. Wie bereits das AG festgestellt hat, hat diese Frage bzw. diejenige, ob ein anderer Abschleppdienst, etwa die vom Antragsteller genannte Firma … hätte beauftragt werden müssen, letztlich nur Bedeutung für die Höhe der Kosten, welche der Antragssteller der Antragsgegnerin zu erstatten hat.

Rechtmäßigkeit der Maßnahme

  • Die Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Abschleppmaßnahme an sich – was Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist – wird dadurch indes nicht berührt.
    Es war gerechtfertigt, den Wagen auf das Gelände des Abschleppunternehmers zu fahren, da er den ihm zustehenden Besitz dort am leichtesten und sichersten ausüben konnte. Vorliegend war dies – wie bereits erwähnt – eben gerade der Betriebshof der Antragsgegnerin. So wäre ein Beispiel für eine unverhältnismäßige Selbsthilfemaßnahme etwa das Zerstören einer Sache, wenn deren Beseitigung genügt. Dabei unterfällt das Verbringen des Fahrzeuges zu einem anderen Ort notwendigerweise bzw. aufgrund Sachzusammenhangs noch dem Selbsthilferecht. § 859 Abs. 1 BGB enthält diesbezüglich zwar keine näheren Angaben, jedoch aber auch keine Einschränkungen. So muss das entfernte Fahrzeug ja zwangsläufig wieder irgendwo abgestellt werden.
  • Im Hinblick auf die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hat im Übrigen der BGH die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts in solchen Fällen als rechtmäßig angesehen.

Schadensersatzanspruch

Die Frage der (berechtigten) Höhe des dem Schuldner zustehenden Schadensersatzanspruches ist grundsätzlich im Hauptsacheverfahren zu klären. Dabei ist die seitens der Antragsgegnerin geltend gemachte Forderung auch nicht ohne weiteres erkennbar (so erheblich) überhöht, so dass die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts möglicherweise gem. § 242 BGB unzulässig sein könnte.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)