07.03.2023

14 Verkehrszeichen auf 100 m: Beschilderung nach StVO?

Durchschnittlich alle 31 Meter muss ein Autofahrer ein Verkehrszeichen beachten. Das ist doch noch steigerungsfähig, meinte wohl eine Stadt in Hessen und stellte auf einer Strecke von rund 100 Metern vierzehnmal das Zeichen 283 auf.

14 Verkehrszeichen Beschilderung StVO

14 Zeichen auf 100 Metern

Ein Versorgungsunternehmen einer Stadt in Hessen beabsichtigte, neue Wasserrohre zu verlegen. Die Wasserrohre sollten im Gehweg und in den Parkbuchten am Rand einer Fahrbahn verlegt werden. Das Unternehmen beantragte bei der Straßenverkehrsbehörde eine Anordnung zum Aufstellen von Verkehrszeichen, um diesen Bereich für die Tiefbauarbeiten frei zu halten.

Die Straßenverkehrsbehörde ordnete für jede einzelne Parkbucht zwei Zeichen 283 an. Auf einer Strecke von rund 100 Metern standen somit 14 (!) Zeichen 283 ohne weitere Zusatzzeichen. Die Anwohner rieben sich verwundert die Augen und wandten sich an die Lokalzeitung Hessische Niedersächsische Allgemeine. Deren Bericht hat die Straßenverkehrsbehörde veranlasst, die Beschilderung zu überdenken.

14 Verkehrszeichen Beschilderung StVO
Foto vom 9. Februar 2023: Immer noch sind fünf Schilder mit Zusatzzeichen 1060-31 aufgestellt.

Es waren aber immer noch fünf Schilder mit dem Zusatzzeichen 1060-31 aufgestellt. Wir gehen der Frage nach, ob diese Beschilderungen den Vorgaben der StVO entsprechen.

Wie weit reicht der Geltungsbereich von Verkehrszeichen?

Der Geltungsbereich von Verbotszeichen muss so klar sein, dass jeder Fahrzeugführer weiß, was von ihm gefordert wird (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016, Az. 3 C 10/15). Ein mit dem Zeichen 283 angeordnetes absolutes Halteverbot beginnt auf der Straßenseite, auf der das Zeichen steht, und gilt bis zur nächsten Einmündung. Es endet bereits vorher, wenn sein erkennbarer Zweck nicht mehr fortbesteht oder ein anderes Verkehrszeichen, z.B. Zeichen 286 (eingeschränktes Halteverbot), oder eine Verkehrseinrichtung, z.B. eine Parkuhr, andere Regelungen treffen. Es gilt der Grundsatz, so wenige Verkehrszeichen wie möglich aufzustellen (Rn 1 VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO).

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Keine Einmündung oder kein erkennbarer Zweck des Verkehrszeichens

Wenn keine Einmündung vorhanden ist oder der erkennbare Zweck des Verkehrszeichens nicht mehr fortbesteht, müssen Verkehrsteilnehmer auch nach 100 Metern noch mit dem Verbot rechnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.1966, Az. [1] Ss 818/65). Längere Verbotsstrecken können durch Pfeile auf dem Verkehrszeichen gekennzeichnet werden. 300 Meter zwischen Verkehrszeichen ohne Wiederholung sind aber zu lang (OLG Hamm, JMBl. NRW 1963, S. 292).

Seitenstreifen bzw. Parkbuchten benutzen

Sind Seitenstreifen bzw. Parkbuchten vorhanden, sind diese zu benutzen. Die angeordneten Verkehrszeichen entfalten aber keine Wirkung für die Seitenstreifen bzw. Parkbuchten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StVO). Unter einem Seitenstreifen ist der unmittelbar neben der Fahrbahn liegende Teil der Straße zu verstehen, der befestigt oder unbefestigt sein kann und Rad- und Gehwege nicht umfasst (VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 StVO).

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 08.02.1994, Az. 3 Ss OWi 1215/93) hat zur Abgrenzung der Begriffe Seitenstreifen und Parkbucht bestimmt: „Eine Legaldefinition des Begriffs Seitenstreifen besteht nicht. Die Begriffe Parkstreifen und Parkbucht sind in der StVO und in der VwV-StVO nicht einmal erwähnt. Nach dem Sprachgebrauch bezeichnen diese beide einen nicht zur Fahrbahn gehörenden Teil der Straße, der über eine gewisse Strecke hinweg ohne bauliche Trennung von der Fahrbahn seitlich neben dieser entlangführt und erkennbar dazu bestimmt und geeignet ist, von der Fahrbahn her Fahrzeuge zum Halten und Parken aufzunehmen.“

Welche Verkehrszeichen wurden angeordnet?

Angeordnet wurde zunächst

14 Verkehrszeichen Beschilderung StVOZeichen 283 (absolutes Halteverbot): „Das Halten auf der Fahrbahn ist verboten.“

Wenn es beabsichtigt war, das Halten auf den Seitenstreifen zu untersagen, wurde das falsche Zeichen ausgewählt. Auch die zwölfmalige Wiederholung ändert nichts daran, dass die Beschilderung an sich nicht geeignet ist, das Halten auf den Seitenstreifen zu unterbinden. Faktisch war dies aber trotzdem unmöglich, weil die Seitenstreifen mit Schildern zugestellt waren.

Später wurde der Schilderwald auf fünf Zeichen gelichtet. Hinzugekommen ist nun das

14 Verkehrszeichen Beschilderung StVOZusatzzeichen 1060-31

Das mit dem Zeichen 283 angeordnete Zusatzzeichen verbietet das Halten von Fahrzeugen nur auf dem Seitenstreifen.

Was folgt aus dieser Beschilderung?

Ab dem ersten Zeichen 283, ergänzt durch das Zusatzeichen 1060-31, ist das Halten auf der Fahrbahn und auf dem Seitenstreifen untersagt. Die Zeichen entfalten ihre Wirkung für mindestens 100 Meter, längstens aber für 300 Meter. Die Bauarbeiten finden auf einer Strecke von rund 100 Metern statt. Somit hätte es ausgereicht, jeweils ein Zeichen am Beginn der Baustelle und ein Zeichen an ihrem Ende aufzustellen.

Entspricht die Beschilderung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

Grundsätzlich ist beim Anordnen von Verkehrszeichen restriktiv zu verfahren. Das Anordnen von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen muss zwingend erforderlich sein (§ 45 Abs. 1, 9 StVO).

Zeichen 283 oder Zeichen 286?

Sollen Verkehrsflächen zum Durchführen von Baumaßnahmen frei von störenden Fahrzeugen gehalten werden, ist zwischen dem Zeichen 283 und dem Zeichen 286 zu wählen. Das Zeichen 286 erlaubt es den Verkehrsteilnehmern, auszusteigen und z.B. das Fahrzeug vor der Haustür zu entladen. Es ist das mildere Mittel gegenüber dem Zeichen 283 und reicht vollkommen aus. Wie auf dem am 9. Februar entstandenen Bild zu sehen ist, wird nicht auf der ganzen Länge der Baustelle gearbeitet.

Das Zeichen 283 verbietet jegliches Halten und damit auch das Ein- oder Aussteigen. Insofern ist das Verwenden von Zeichen 283 nicht das mildeste Mittel, wenn die damit verbundenen Einschränkungen nicht erforderlich sind.

Ergebnis

Die Beschilderung ist rechtswidrig, weil sie in dieser Form in keiner Weise erforderlich ist.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)