17.06.2015

Integration über den Tod hinaus

Das Thema Integration ist derzeit in aller Munde. Aber wie sieht es damit auf dem Friedhof aus? Die meisten Muslime ließen sich bisher in ihrer alten Heimat beerdigen. Doch bei ihrer Überführung müssen die Bestatter fix sein, denn nach muslimischem Glauben soll der Tote spätestens nach 24 Stunden unter der Erde liegen.

islamischer Friedhof

Der Bestatter benötigt Totenschein, Sterbeurkunde, Leichenpass, und bei der Beförderung und Beerdigung sind die gesetzlichen Bestimmungen der Durchfuhr- und Zielländer zu beachten. Auch die Angehörigen stehen neben der Trauer unter einem enormen Druck: Bestatter beauftragen, Urlaub beantragen, Hin- und Rückreise der Familie organisieren etc. Immer mehr Muslime gerade der jüngeren Generation möchten auch nach dem Tod in Deutschland bleiben und ihre verstorbenen Angehörigen in der Nähe Ihres Wohnsitzes beerdigen.

Doch bei der Bestattung von Moslems gelten besondere Riten …

Einige Beispiele:

Nach dem Tod werden die Verstorbenen gewaschen. Hierfür sind auf den Friedhöfen entsprechende Räume und Einrichtungen notwendig. Das Grab ist nach Südosten – nach Mekka – auszurichten. Der Verstorbene soll in seinem Grab nicht nur 20 bis 30 Jahre sondern für die Ewigkeit seine letzte Ruhe finden. Nach islamischen Glauben werden die Verstorbenen nur mit mehreren Leichentüchern bedeckt ohne Sarg beerdigt.

Das Ende der Sargpflicht nur für Muslime …

Gerade aber an der Beerdigung ohne Sarg scheiden sich in Deutschland die Geister. In vielen Bundesländern hat man das jeweilige Bestattungsgesetz gelockert und aus religiösen Gründen Ausnahmen von der Sargpflicht ermöglicht. In der Praxis gibt es auch Kompromisslösungen zur kompletten Bestattung im Tuch. Zum Beispiel wird der muslimische Verstorbene im offenen Sarg beerdigt. Der Sargdeckel wird dann daneben gestellt. Oder der Transport des Verstorbenen zum Grab erfolgt aus hygienischen Gründen im Sarg. Die Leiche wird dann aus dem Sarg genommen und ins Grab gelegt.

Ein Grund dafür, am Sarg festzuhalten, ist, dass im Sarg die Luft zirkulieren kann, was die Verwesung erleichtert. Bei einer muslimischen Bestattung ohne Sarg kann jedoch mit schräg im Grab aufgestellten Brettern die nötige Luftzirkulation gewährleistet werden.

… nicht überall

Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt halten noch an der Sargpflicht fest. Das bayerische Gesundheitsministerium begründet die bayerische Haltung laut Beitrag der Mittelbayerischen Zeitung damit, dass die Verwendung von Särgen der herkömmlichen Sitte und der christlichen Tradition entspräche.

Eine komplette Abschaffung der Sargpflicht auch für Nichtmuslime stößt dagegen in allen Bundesländern auf erheblichen Widerstand, ist doch zu befürchten, dass die kostengünstigere Beerdigung nur mit Leinentuch bei öffentlichen und privaten Sparfüchsen zum Renner wird.

Autor*in: Astrid Hedrich (Rechtsanwältin und Dozentin in Augsburg. Beschäftigt sich mit Wirtschaftsrecht.)