Bestattungskosten: Bruder muss für Bestattung seiner verarmten Schwester aufkommen
Am 05.10.2013 war die Schwester des Klägers tot in ihrem Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft der beklagten Gemeinde aufgefunden worden. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin die Obduktion der Leiche in Oldenburg veranlasst und ein ortsansässiges Beerdigungsinstitut mit der Überführung nach Emden beauftragt. Fünf Tage nach ihrem Tod beauftragte die Gemeinde ein Beerdigungsinstitut mit der Feuerbestattung und anschließender anonymen Urnenbeisetzung entsprechend den Sozialhilfesätzen. Das Beerdigungsinstitut stellte der Gemeinde die Rechnung und die Friedhofsverwaltung der Stadt Emden zog sie zu den Beisetzungsgebühren heran. Die Gemeinde forderte nun diese Bestattungskosten abzüglich des bescheidenen Nachlasses der Verstorbenen vom Bruder zurück.
Die Gemeinde erließ einen entsprechenden Bescheid. Sie stützte ihn auf die Bestattungspflicht der Geschwister nach § 8 Abs. 3 Nds. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen, kurz NBesttG. Vorrangige Bestattungspflichtige seien nicht vorhanden.
So argumentierte der Bruder
Der Bruder der Verstorbenen erhob Klage. Er führte u.a. an, dass der Landesgesetzgeber im NBesttG keine Regelung treffen dürfe, die eine Pflicht zur Erstattung von Bestattungskosten für Geschwister zum Gegenstand habe. Nach Art. 31 GG breche Bundesrecht Landesrecht: Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als bundesrechtliches Normenwerk sehe zu Lebzeiten keine Unterhaltspflichten unter Geschwistern vor und die Pflicht, die Beerdigungskosten zu tragen, sei in §§ 1968 und 1615 Abs. 2 BGB nur im Verhältnis zwischen Erbe und Erblasser sowie Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem normiert. Daher stelle das auf das Landesrecht gestützte Heranziehen der Geschwister zu den Beerdigungskosten einen Bruch des Bundesrechts dar. Eine solche Verpflichtung im Landesgesetz sei willkürlich. Es lägen Verstöße gegen das Rechtsstaats- und Sozialprinzip und gegen europäisches Recht vor.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht Oldenburg wies die Klage ab. Es begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass Art. 31 GG voraussetze, dass Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar seien, ihre Anwendung zu verschiedenen Rechtsfolgen führten oder unvereinbare Normbefehle enthielten.
Eine Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht läge hier jedoch nicht vor. Es gäbe keine bundesgesetzlichen Regelungen über die Bestattungspflichten der Angehörigen, da der Bund hierfür keine Gesetzgebungskompetenz besäße. Beerdigungskosten seien nicht Bestandteil des unmittelbaren menschlichen Lebensbedarfs und daher nicht Gegenstand der Regelungen zum Unterhalt.
Die zivilrechtlichen Vorschriften zur Kostentragung begründeten einen Anspruch auf Ersatz der für die Beerdigung aufgewendeten Kosten oder auf Befreiung von den zum Zwecke der Beerdigung begründeten Verbindlichkeiten. Ebenso wie die zivilrechtliche Pflicht, die Kosten zu tragen, die von dem Bestattungspflichtigen gegenüber einem Beerdigungsunternehmer eingegangene Verpflichtung nicht berühre, schließe sie auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, die sich aus einem ordnungsbehördlichen Einschreiten gegenüber dem Bestattungspflichtigen ergäben, nicht aus und zwar unbeschadet eines etwaigen Ersatzanspruchs des Bestattungspflichtigen gegenüber dem zivilrechtlich zur Kostentragung Verpflichteten. Derartige öffentlich-rechtliche Ansprüche beruhten auf einem vom Zivilrecht unabhängigen, der Kompetenz des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgrund.
Die im NBestattG zugelassene Heranziehung von Geschwistern stelle sich im Übrigen auch nicht als willkürlich und verfassungswidrig dar. Geschwister in die Bestattungspflicht einzubeziehen, dränge sich von der Natur der Sache schon auf, weil ihnen als den Inhabern der Totenfürsorge zustehe, den Ort und die Art der Bestattung zu bestimmen. Seit alters her obläge den nächsten Angehörigen die Bestattung ihrer Angehörigen.
Ein Verstoß gegen das im Europarecht verankerte Sozialstaatsprinzip sei nicht ersichtlich. Weder handele es sich bei der Frage, ob die Gemeinde Geschwister zum Erstatten der Bestattungskosten heranziehen dürfe, um eine Frage des Unterhaltsrechts noch sei der Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde, die ordnungsrechtlich subsidiär bestattungspflichtig sei, als sozialhilferechtlicher Erstattungsanspruch zu qualifizieren. Gründe für eine vom Kläger begehrte Vorlage an den EuGH seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lägen nicht vor.
Weitere kommentierte Rechtsprechung zum Thema finden Sie im Werk „Friedhofs- und Bestattungswesen“ unter Rechtsprechung von A bis Z/Bestattungspflicht.