Maßabweichung Pflastersteine – Hinterschnitttoleranzen
Sind in einem Leistungsverzeichnis konkrete Maße zur Fugenbreite zwischen Pflastersteinen genannt, hat der Auftragnehmer die nach der DIN zulässigen größeren Fugenbreiten beim Hinterschnitt der Steine zu kalkulieren. Der angeordnete Einbau von Pflastersteinen, mit denen die Hinterschnitttoleranzen laut DIN eingehalten oder gar geringfügig überschritten werden, begründet keinen Mehrkostenanspruch des Baubetriebs.
OLG Jena
Urteil vom 17.09.2013
5 U 904/12
BeckRS 2013, 021372
§2 Abs. 5 VOB/B
Der Fall:
Der Auftraggeber (Beklagter) stellte dem Pflasterunternehmen (Kläger) für die Durchführung von Pflasterarbeiten die Pflastersteine zur Verfügung. Der Kläger macht Mehrvergütungsansprüche mit der Begründung geltend, ihm sei bei der Verlegung wegen Maßabweichungen der Steine ein Mehraufwand entstanden.
Die Klage ist in erster Instanz auf der Grundlage eines eingeholten Gutachtens abgewiesen worden. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dem Kläger seien mit Rücksicht auf die technischen Grundlagen, nämlich die TL-Pflaster 2005 (2006) sowie die DIN EN 1342, weder Mehraufwendungen für die Verlegearbeiten und die Vorsortierung der Pflastersteine entstanden, noch lasse sich ein Mehrbedarf an Fugen- und Bettungsmörtel feststellen.
Dem Kläger ist vielmehr nach der Bewertung des Sachverständigen ein Kalkulationsfehler unterlaufen. Den Mehrbedarf hat der Kläger daraus abgeleitet, dass die Fugenbreite nicht durchgängig, nämlich über die gesamte Steinlänge 16 mm gewesen sei, sondern sich die Fugenbreite am Steinfuß auf 40 bzw. 46 mm vergrößerte, was mit dem sog. Hinterschnitt der einzelnen Pflastersteine zusammenhängt. Das Gericht hat die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 VOB/B verneint, weil eine Änderung der preislichen Grundlagen nicht eingetreten ist.
Die Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts:
Das Oberlandesgericht hat die Berufung nach Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Nach der DIN EN 1342 beträgt der zulässige Hinterschnitt maximal 15 mm. Wenn auch einige Steine dieses Höchstmaß überschreiten, schließt dies nach dem Gutachten des Sachverständigen die Verlegung der Steine nicht aus; die Steine müssen auch nicht aussortiert werden.
Das Leistungsverzeichnis hat an den Maßvorgaben der DIN bezogen auf den Hinterschnitt nichts geändert, also die zulässigen Toleranzen nicht eingeschränkt. Das Leistungsverzeichnis befasst sich mit dem Hinterschnitt überhaupt nicht.
Wenn bei Pflasterarbeiten die Fugenbreite angegeben wird, dann betrifft das immer die Fugenbreite im Sichtbereich des Pflasters mit der Folge, dass bei einer „Normfuge“ von 10 mm die Fugenbreite am Fuß des Pflastersteins 40 mm beträgt.
Bei einer angegebenen Fugenbreite von 16 mm in Sichthöhe beträgt die Fugenbreite am Steinfuß 46 mm.
Wenn der Kläger bei der Kalkulation der Menge des Bettungs- und des Fugenmörtels einheitlich von einer durchgängigen Fugenbreite von 16 mm ausgegangen ist, dann hat der Kläger den Hinterschnitt, nämlich die Verbreiterung der Fuge am Fuß auf 46 mm nicht berücksichtigt. Dem Kläger ist ein Kalkulationsfehler unterlaufen.
Die Empfehlung für die Praxis
Die Auslegung von Leistungsverzeichnissen und deren richtiges Verständnis sind für die Anwendung des § 2 Abs. 5 VOB/B von entscheidender Bedeutung. Dabei ist allerdings hinsichtlich des vom OLG bejahten Aufklärungsbedarfs zu bedenken, dass der BGH im Urteil vom 12.09.2013 – VII ZR 227/11, BauR 2013, 2017, wie folgt formuliert hat:
„Das Ergebnis der Auslegung eines Bauvertrages auf Grund öffentlicher Ausschreibung wird nicht dadurch beeinflusst, dass der Auftragnehmer etwaige Unklarheiten der Ausschreibung nicht aufgeklärt hat (Bestätigung von BGH Urteil vom 13.03.2008 – VII%ZR 194/06, Rn. 38, BauR 2008, 1131). Auf die Aufklärung und das Aufklärungsergebnis darf folglich nicht abgestellt werden. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses hat vielmehr objektiv ohne Rücksicht auf die Aufklärung zu erfolgen.“