Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen (GGVSee)
Die Gefahrgutverordnung See wurde durch Artikel 1 der Zehnten Verordnung zur Änderung gefahrgutrechtlicher Verordnungen vom 7. Dezember 2017 (BGBl. I, S. 3859) neu gefasst. Nachstehend werden die Einzelvorschriften im Detail erläutert.
§ 1 Geltungsbereich
(1) Die GGVSee regelt die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen, die die Bundesflagge führen, und Beförderungen gefährlicher Güter mit Seeschiffen unter fremder Flagge, soweit diese sich im deutschen Hoheitsgebiet aufhalten. Der Begriff der Beförderung schließt nach der Begriffsbestimmung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBefG) alle Vorbereitungs- und Abschlusshandlungen im Geltungsbereich der Verordnung ein.
Grundsätzlich müssen Seeschiffe mit gefährlichen Gütern auf den Binnenwasserstraßen die Vorschriften der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) beachten. Hinsichtlich des Geltungsbereichs ist in der GGVSEB jedoch geregelt, dass für Seeschiffe auf Seeschifffahrtsstraßen die GGVSee gilt, sodass Seeschiffe in den an Binnenwasserstraßen gelegenen Seehäfen (wie z.B. Hamburg und Bremen) und auf der Fahrt zu diesen Häfen ausschließlich den Vorschriften der GGVSee und den in der GGVSee aufgeführten internationalen Regelungen unterliegen. Wenn Seeschiffe jedoch außerhalb von Seeschifffahrtsstraßen auf Binnenwasserstraßen verkehren (wie z.B. auf dem Rhein bis nach Duisburg) sind die Vorschriften der GGVSEB und der dort aufgeführten internationalen Regelungen anzuwenden.
(2) Die GGVSee ist auf die Schiffsausrüstung nicht anzuwenden. Gefährliche Stoffe der Schiffsausrüstung und ihre Verwendung durch die Schiffsbesatzung unterliegen nicht dem Beförderungsrecht, sondern dem Umgangsrecht (z.B. Arbeitsschutzgesetz, Gefahrstoffverordnung). Für die beim Betrieb des Schiffs anfallenden gefährlichen Abfälle greifen spezielle abfallrechtliche Regelungen, die die Anforderungen während des Verbleibs auf dem Schiff regeln. Solange der Verbleib dieser Abfälle an Bord nach abfallrechtlichen Vorschriften zulässig ist, findet die GGVSee keine Anwendung.
(3) Seeschiffe der in- und ausländischen Streitkräfte unterliegen nicht den Vorschriften der GGVSee, wenn dies Gründe der Verteidigung erfordern. Gründe der Verteidigung liegen nicht nur vor, wenn Waffen und Munition auf Kriegsschiffen mitgeführt werden, sondern auch wenn auf Schiffen der Streitkräfte oder auf von den Streitkräften gecharterten Schiffen Ausrüstung für die Streitkräfte zu Einsatzorten außerhalb Deutschlands befördert wird. Auch militärische Übungen können Gründe der Verteidigung sein.
Die Sicherheit bei der Beförderung gefährlicher Güter ist durch Bestimmungen der Bundeswehr oder der ausländischen Streitkräfte zu gewährleisten. Dies gilt auch für die Beförderung gefährlicher Güter im Auftrag und unter der Verantwortung der Bundeswehr oder der ausländischen Streitkräfte durch zivile Unternehmen. Die Überwachung der Verladung gefährlicher Güter im Verantwortungsbereich ausländischer Streitkräfte in der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung soll sicherstellen, dass die einschlägigen nationalen militärischen Regelungen eingehalten werden.
Die ausschließlich militärischen Beförderungen können von der GGVSee ausgenommen und den vergleichbaren militärischen Regelungen unterstellt werden, weil diese eine dem IMDG-Code vergleichbare Sicherheit bieten. Die militärischen Regelungen müssen den betroffenen Personen als Handlungsanweisungen vorliegen.
Die Beförderung von militärischen gefährlichen Gütern als Zuladung auf zivilen Schiffen ist jedoch nicht von der Anwendung der GGVSee ausgenommen. Dem Militär liegen in der Regel keine näheren Kenntnisse über die weitere an Bord befindliche Ladung vor und das militärische Sicherheitskonzept ist somit nicht geschlossen anwendbar. Erforderliche Ausnahmezulassungen können ggf. gemäß § 7 GGVSee erteilt werden.
(4) Die GGVSee gilt nicht für Beförderungen im Zusammenhang mit Notfallmaßnahmen, die von zuständigen Behörden oder unter deren Überwachung durchgeführt werden, insbesondere bei der Kampfmittelräumung, bei Havarien und beim Katastrophenschutz. Diese Ausnahmeregelung ist erforderlich, weil auf See aufgefundene Kampfmittel oder im Zuge einer Havariebearbeitung auf See angefallene gefährliche Güter zur weiteren Behandlung bzw. Entsorgung an Land gebracht werden müssen, für diesen Teil der Beförderung jedoch die Übereinstimmung mit den Gefahrgutvorschriften nicht möglich ist. Die zuständigen Behörden legen in diesen Fällen die Vorkehrungen für eine sichere Beförderung einzelfallbezogen fest.
(5) In Häfen und sonstigen Liegeplätzen sind beim Umschlag und zeitweiligen Aufenthalt gefährlicher Güter zusätzlich die örtlich geltenden Sicherheitsvorschriften, insbesondere die jeweiligen Hafenordnungen bzw. Hafensicherheitsverordnungen zu beachten.
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Es sind die internationalen Vorschriften aufgeführt, auf die in der GGVSee Bezug genommen wird. Durch den Verweis auf die Fundstellen der amtlichen deutschen Übersetzungen dieser Vorschriften wird in Verbindung mit § 3 eine Bestimmtheit der Regelungen erreicht, die eine Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsnormen der genannten internationalen Regelungen erlaubt.
Ferner werden die Begriffe „Beförderer”, „Reeder” und „Versender” definiert. Die Begriffsbestimmungen berücksichtigen die Praxis des Seefrachtgeschäfts bei der Gefahrgutbeförderung. Derjenige, der die Beförderung der Güter vertraglich zusagt, also der Verfrachter im Sinne des Handelsgesetzbuchs (§ 481 HGB), ist häufig nicht der Eigentümer eines Seeschiffs. Tatsächlich bedient sich der Beförderer zur Erfüllung seiner Verpflichtung oft eines gecharterten Schiffs. Reeder ist der Eigentümer eines Schiffs im Sinne des § 476 des Handelsgesetzbuchs oder eine natürliche oder juristische Person, die vom Eigentümer die Verantwortung für den Betrieb des Schiffs übernommen hat (als Ausrüster nach § 477 HGB oder als Vertragsreeder eines Schiffs, das einem Anlagefonds gehört). Versender ist der Hersteller oder Vertreiber der gefährlichen Güter oder, wenn die Beförderung nicht aufgrund eines Kaufvertrags erforderlich ist, derjenige, der die Beförderung der Güter ursprünglich veranlasst, beispielsweise die Niederlassung eines Unternehmens, die die Beförderung der Güter zu einer anderen Niederlassung veranlasst. Der Versender schließt in der Regel nicht selbst den Seefrachtvertrag ab, sondern bedient sich hierfür eines Spediteurs. Die Verantwortung für die richtige Klassifizierung, Verpackung und Kennzeichnung der Güter kann aber nur der Versender übernehmen, nicht der Spediteur als Auftraggeber des Beförderers.
Durch die Definition der unterschiedlichen Beteiligten wird die eindeutige Zuweisung der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten nach dem Gefahrgutrecht ermöglicht. Die weiteren in der GGVSee zur Benennung verantwortlicher Personen verwendeten Begriffe sind selbsterklärend (z.B. „Schiffsführer” oder „Auftraggeber des Beförderers”); sie werden nicht gesondert definiert.
(2) Die gefährlichen Güter werden unter Hinweis auf die Einstufungskriterien der verschiedenen Vorschriften definiert:
- Nr. 1: Güter in verpackter Form unterliegen der GGVSee, wenn sie die Einstufungskriterien der Gefahrklassen 1 bis 9 des IMDG-Codes erfüllen.
- Nr. 2: Feste Massengüter unterliegen der GGVSee, wenn sie in die Ladungsgruppe B des IMSBC-Codes fallen. Das sind nicht nur Güter, die in verpackter Form dem IMDG-Code unterliegen, sondern auch andere Güter, von denen geringere Gefahren ausgehen, die aber, wenn sie unverpackt befördert werden, die Beachtung spezieller Sicherheitsvorkehrungen erforderlich machen (sogenannte MHB-Stoffe – Material Hazardous in Bulk).
- Nr. 3: Im Hinblick auf flüssige Massengüter werden entzündbare flüssige Stoffe (Flammpunkt ≤ 60 °C), Rohöl und Mineralölprodukte nach Anlage I des MARPOL-Übereinkommens, die im IBC-Code definierten schädlichen Stoffe und die dem IGC-Code unterliegenden verflüssigten Gase in die Begriffsbestimmung einbezogen. Die Definition der schädlichen flüssigen Stoffe im IBC-Code geht über die Klassifizierungskriterien als Meeresschadstoff gemäß MDG-Code hinaus und erfasst weitere Stoffe mit Umweltgefahren.
§ 3 Zulassung zur Beförderung
(1) Es werden, getrennt für die verschiedenen Beförderungsarten, alle internationalen Vorschriften aufgeführt, die bei der Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen zu beachten sind. Um auch die zur Beförderung gehörenden Vorbereitungshandlungen zu erfassen, wird klargestellt, dass auch die Verladung auf Seeschiffe nur erfolgen darf, wenn die einschlägigen Vorschriften eingehalten sind.
Die Vorschriften des SOLAS-Übereinkommens sind für alle Beförderungsarten relevant, weil hier insbesondere in den Kapiteln II-2 sowie VI (bei den MHB-Stoffen des IMSBC-Codes) und VII Grundsätzliches zur Gefahrgutbeförderung geregelt wird. Bei der Beförderung in verpackter Form treten die Vorschriften des IMDG-Codes hinzu, bei bestrahlten Kernbrennstoffen und hochradioaktiven Abfällen zusätzlich ergänzt durch die Vorschriften des INF-Codes. Bei der Beförderung in fester Form als Massengut treten die Vorschriften des IMSBC-Codes hinzu…