25.10.2022

Gefahrgutbeförderung – darauf kommt es an

Schon kleine Spritzer, fast unbemerkte Stäube oder Gase können schwere Folgen haben. Sie wissen sicherlich: Gefahrstoffe haben es in sich. Aus guten Gründen also gelten auch besondere Vorschriften für die Gefahrgutbeförderung. Welche, lesen Sie als Überblick in unserem heutigen Beitrag. So viel vorweg, dieses Thema reicht weiter, als viele meinen.

Gefahrgutbefoerderung im LKW

Die Gefahrgutbeförderung umfasst nicht nur die reine Ortsveränderung, sondern auch alle Vorbereitungshandlungen, Herstellungsverfahren sowie Prüfungen, die in § 2 Abs. 2 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) näher definiert sind. Die Beförderung gefährlicher Güter von A nach B ist erst möglich, wenn diese Anforderungen erfüllt worden sind.

Voraussetzungen für die sichere Gefahrgutbeförderung

Damit die Gefahrgutbeförderung sicher und ordnungsgemäß verläuft, braucht es verschiedene Maßnahmen der Kommunikation unter den Beteiligten und erhebliche materielle Voraussetzungen. Mit Blick auf ADR und GGVSEB müssen

  • die beteiligten Personen entsprechend ausgebildet und unterwiesen sein
  • das Fahrpersonal für die konkrete Aufgabe vorbereit und mit der erforderlichen Dokumentation nach Kapitel 5.4 ADR ausgestattet sein
  • die Streckenführung vorab geklärt sein
  • der Versand gefährlicher Güter logistisch vorbereitet sein unter Beteiligung des Sicherheitsberaters (Gefahrgutbeauftragten)
  • vorgeschriebene Gefahrzettel, Kennzeichen und Kennzeichnungen bereitgestellt werden
  • geeignete Feuerlöschausrüstungen, gutbezogene sonstige Ausrüstungen sowie persönliche Schutzausrüstungen bereitgestellt werden
  • die für die Verladung vorgesehenen Stoffe vorbereitet werden und zwar in geprüften, zugelassenen Verpackungen 
  • die geforderten Dokumentationen, Zulassungen und Genehmigungen vorhanden sein
  • zugelassene und geeignete Fahrzeuge, Container, Tanks und Tankfahrzeuge bereitgestellt werden
  • sichergestellt sein, dass das Memorandum of Understanding für die Beförderung verpackter gefährlicher Güter mit Ro/Ro-Schiffen in der Ostsee eingehalten wird – dort sind Einschränkungen hinsichtlich des geltenden ADR/RID in den §§ 7 (Verwendung von Tanks) und 8 (Beförderung als Schüttgut) geregelt
  • soweit Gefahrgüter auf der Grundlage der nach Abschnitt 1.5.1 ADR möglichen zeitweiligen Abweichungen vom ADR befördert werden: Die in den Multilateralen Vereinbarungen dazu genannten Bedingungen müssen eingehalten werden
  • Fahrzeuge bereitgestellt werden, die die Bedingungen der StVZO (einschließlich die der EU) erfüllen

Aufgaben im Zuge der Vorbereitung auf die Gefahrgutbeförderung

Die Beteiligten überzeugen sich von der Klassifizierung des gefährlichen Guts und seiner Zulassung zur Beförderung. Orientierungen dazu finden sie im ADR

  • in den Kapiteln 2.1, 2.2 und Kapitel 3.2 Tabelle A,
  • spezifische Regelungen in den Klassen  4.1, 4.2, 4.3 und 5.1 und im Unterabschnitt 2.1.2.8.
  • Für Gegenstände, die nicht anderweitig genannte gefährliche Güter enthalten, ist Abschnitt 2.1.5 anzuwenden.

Abgesehen von den Aufgaben der allgemeinen Sicherheitsvorsorge (nach Abschnitt 1.4.1 ADR bzw. § 4 Abs. 1 GGVSEB) legen Kapitel 1.4 ADR und das GGVSEB bestimmten Beteiligten weitere Pflichten auf.

Zu nennen sind hier u.a.

  • Absender (Unterabschnitt 1.4.2.1 ADR, § 18 GGVSEB),
  • Beförderer (Unterabschnitt 1.4.2.2 ADR, § 19 GGVSEB),
  • Verlader (Unterabschnitt 1.4.3.1 ADR, § 21 GGVSEB)
  • und Befüller (Unterabschnitt 1.4.3.3 ADR, § 23 GGVSEB).

Vorbereitungshandlungen des Fahrzeugführers sind Gegenstand des § 28 GGVSEB. Die dort genannten Aufgaben beziehen sich auf Ladung, Fahrzeug, Kennzeichnung und Dokumentation.

Genehmigungen

Zu den grundsätzlichen Voraussetzungen für internationale Beförderungen gehören die EU-Lizenz, die CEMT-Genehmigung oder die bilaterale Genehmigung. Je nach Art des Gefahrguts sind außerdem weitere unterschiedliche Genehmigungen erforderlich sowie unterschiedliche Vorschriften relevant:

  • Zu den Vorbereitungen für die Beförderung gefährlicher Güter der Klassen 1 und 7 gehören das Einholen behördlicher Erlaubnisse, das Ausfertigen und Mitführen von Begleitformularen sowie das Vorliegen bestimmter Genehmigungen.
  • Soweit es sich um radioaktive Stoffe i.S.v. § 2 Abs. 1 Atomgesetz (AtG) oder um Kernbrennstoffe i.S.v. § 2 Abs. 3 AtG handelt, unterliegt deren Beförderung „auf öffentlichen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Verkehrswegen“ einem Genehmigungsverfahren nach § 4 Abs. 1 AtG.
  • Wichtig für die Zulassung bestimmter gefährlicher Stoffe und Gegenstände zur Beförderung können Allgemeinverfügungen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) sein.
  • Darüber hinaus kann für die Beförderung bestimmter gefährlicher Güter eine Fahrwegbestimmung erforderlich sein.

Auch die Vorschriften im StVG und der StVO (z.B. hinsichtlich der Anforderungen an die Ladung, der Beschaffenheit der Fahrzeuge oder der Anforderungen an Warndreiecke, Warnleuchten, Warnwesten und Warnblinkanlage) müssen Sie beachten. Relevant sind außerdem die Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes sowie die Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals hinsichtlich des Einhaltens der Lenk- und Ruhezeiten. Im Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz finden sich außerdem die von Fahrzeugführern geforderten Grundqualifikation.

Multimodaler Transport

Die Bedingungen, unter denen Versandstücke, Container, Schüttgut-Container, ortsbewegliche Tanks, Tankcontainer und MEGC multimodal befördert werden dürfen sind in Unterabschnitt 1.1.4.2 genannt.

Folgt der Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße eine Beförderung mit Seeschiffen sind die GGVSee, der IMDG-Code usw. oder, für im Sinne eines folgenden Lufttransports, ICAO-TI, IATA DGR einzubeziehen.

Beförderung von Abfällen

Handelt es sich bei einem Gefahrgut auch um Abfall, sind sowohl die einschlägigen Bestimmungen für die Beförderung gefährlicher Güter als auch die für die Abfallverbringung zu beachten.

Beförderung in loser Schüttung

Unter welchen Bedingungen gefährliche Güter in loser Schüttung in Schüttgut-Containern, Containern oder Fahrzeugen befördert werden dürfen, legt Kapitel 7.3 allgemein fest. Für den konkreten Beförderungsfall können Sie hierzu aus Kapitel 3.2 Tabelle A Spalte 10 ergänzend entnehmen, welche Beförderungsart ausdrücklich zugelassen ist.

Beförderung von behördlichen Asservaten

Gefährliche Güter sind aus ermittlungstaktischen Gründen oder im Zusammenhang mit relevanten behördlichen Aufgaben manchmal unter bestimmten Ausnahmen vom ADR zu befördern. Wie? Das regelt § 36a GGVSEB.

Aufgaben während der eigentlichen Gefahrgutbeförderung

Schriftliche Weisungen gemäß ADR

Der Beförderer muss der Fahrzeugbesatzung aktuelle schriftliche Weisungen gemäß ADR nach dem Muster in Unterabschnitt 5.4.3.4 bereitstellen. Die Fahrzeugbesatzung muss diese verstehen und bei Bedarf schnell auf sie zugreifen können.

Beobachtung der Ladung, Verhalten gegenüber der Ladung

Die ordnungsgemäße Ladungssicherung entbindet den Fahrzeugführer nicht davon, das Verhalten der Ladung während der Fahrt zu beobachten. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an Nummer 7-9 RSEB, wonach Verformungen sogenannter weicher Verpackungen bei der Ladungssicherung akzeptiert werden, solange sie für die Verpackung unschädlich sind und einen Gefahrgutaustritt nicht ermöglichen.

Um das Entstehen gefährlicher Reaktionen während der Beförderung zu verhindern, unterliegen bestimmte Stoffe  besonderen Vorschriften für die Temperaturkontrolle. Es ist entscheidend, dass die vorgegebenen Grenzwerte der Kontrolltemperaturen unter Beförderungsbedingungen nicht überschritten werden. Tritt diese Situation dennoch ein oder fällt die Anlage zur Kontrolltemperatur aus, sind bei Erreichen der Notfalltemperatur Maßnahmen nach Sondervorschrift V 8 des Kapitels 7.2 durchzuführen.

Ergibt sich die Notwendigkeit, die Zusammensetzung der Ladung während der Fahrt von A nach B zu verändern, gibt es  einschränkende Vorschriften für das Be- und Entladen bestimmter Stoffe an einer der Öffentlichkeit zugänglichen Stelle innerhalb von Ortschaften. Diese können das Be- und Entladen untersagen oder von der vorhergehenden Benachrichtigung zuständiger Behörden abhängig machen.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe zusätzlicher Pflichten bei Fahrzeugen und Containern mit Stoffen zur Kühlung oder Konditionierung der Ladung.

Handhabung von Feuerlöschausrüstungen

Die Fahrzeugbesatzung muss in der Lage sein, die Feuerlöschausrüstung nach Abschnitt 8.1.4 in Verbindung mit Abschnitt 8.3.2 sachgerecht zu betätigen.

Aufgaben der Überwachung

Für bestimmte gefährliche Güter – u.a. der Klasse 1 – besteht die Notwendigkeit, Beförderungseinheiten während des Parkens zu überwachen. In Abhängigkeit von der Klassifizierung der gefährlichen Güter und deren Menge je Fahrzeug schreiben die Kapitel 8.4 und 8.5 zusätzliche Vorschriften S1 (6) und S14 bis S24 vor, wie unter Nutzung verschiedener Parkmöglichkeiten zu verfahren ist.

Das ADR und die GGVSEB enthalten über die Art der Überwachung keine konkreten Festlegungen. Aber auch hier greifen die sich aus der allgemeinen Sicherheitsvorsorge nach Abschnitt 1.4.1 ADR bzw. § 4 Abs. 1 GGVSEB ergebenden Pflichten. Gewollt ist eine direkte personelle Überwachung, die ein unmittelbares Handeln gewährleistet.

Nach Abschnitt 8.4.1 kann auf eine Überwachung in Lagern oder Werkbereichen verzichtet werden, wenn beim Parken „eine ausreichende Sicherheit gewährleistet ist“. Die RSEB klären dazu in Nr. 8-5.1.S, wann von einer derartigen Situation ausgegangen werden kann.

Aufgaben bei der Gefahrgutbeförderung in Kolonne

Sobald die Beförderung gefährlicher Güter der Klasse 1 in Beförderungseinheiten erfolgt, die in Kolonnen fahren, verlangt das ADR in Kapitel 8.5  das Einhalten bestimmter Abstände zwischen den Beförderungseinheiten. Die zuständigen Behörden können für die Reihenfolge und die Zusammensetzung der Kolonne Festlegungen treffen.

Andere Aufgaben bei der Gefahrgutbeförderung: Technisch sowie unter bestimmten Bedingungen

Kapitel 8.3 verweist auf weitere von der Fahrzeugbesatzung während der Beförderung zu beachtende Vorschriften, die sich auf den Betrieb des Fahrzeugmotors während der Be- und Entladearbeiten (Abschnitt 8.3.6), das Verwenden von Feststellbremsen und Unterlegekeilen während des Haltens oder Parkens (Abschnitt8.3.7) und das Verwenden elektrischer Anschlussverbindungen für Beförderungseinheiten aus zwei Fahrzeugen mit einem automatischen Blockierverhinderer (Abschnitt 8.3.8) beziehen.

Weitere gesonderte Regelungen gelten für die Durchfahrt von Straßentunneln sowie für die Nutzung des Eurotunnels, für bestimmte Straßenabschnitte, die gesondert ausgezeichnet sind sowie für die Beförderung auf Fähren.

Kontrollen bei der Gefahrgutbeförderung

Fahrzeugführer müssen davon ausgehen, dass die Einhaltung der Vorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und der Vorschriften des Straßenverkehrsrechts in Deutschland durch die Polizei und durch das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) kontrolliert werden. Grundlage für diese Kontrollen sind die Verordnung über die Kontrollen von Gefahrguttransporten auf der Straße und in den Unternehmen (GGKontrollV) in der jeweils geltenden Fassung. Relevant ist diesbezüglich außerdem die Kontrollrichtlinie 95/50/EG.

Fahrt- und Ruhezeiten einhalten

Rechtsgrundlage für die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten sind die EU-Verordnungen Nr. 3821/85 und Nr. 561/2006, jeweils zuletzt geändert durch die EU-Verordnung Nr. 165/2014. In Deutschland werden sie durch das Fahrpersonalgesetz und die Fahrpersonalverordnung konkretisiert bzw. ergänzt.

Verhalten bei Umweltschäden

Nach Anlage 1 Nr. 8 des Umweltschadensgesetzes zählt die Beförderung gefährlicher Güter zu den beruflichen Tätigkeiten, die dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliegen. Danach haben Verantwortliche, die im Sinne des Gesetzes bestimmte berufliche Tätigkeiten ausüben, bezüglich Umweltschäden gewisse Pflichten der Information, Gefahrenabwehr und Sanierung wahrzunehmen, die in diesem Gesetz geregelt sind.

Autor*innen: Christine Lendt, Beate Schleicher