06.12.2022

Gefahrgut in Gegenständen: neue Gefahrgutart 2023

Ab 01.01.2023 muss bei der Beförderung von Gefahrgut in Gegenständen genau geprüft werden, welche Vorschriften anzuwenden sind. Nach einer vierjährigen Übergangsfrist tritt zum 01.01.2023 eine Neuerung in Kraft, die vor allem Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus betrifft. Informieren Sie sich hier!

Achtung

Ablauf der Einstufung im ADR/RID ab 01.01.2023

Das gefährliche Gut kann entweder direkt in dem Gegenstand oder in Gefäßen in oder an dem Gegenstand enthalten sein; in diesem Fall darf ihr Inhalt nicht in den Gegenstand austreten.

Beispiele

Verbrennungsmotorisch (UN 1203 Benzin) angetriebener Rasenmäher als:

  • Aufsitzrasenmäher = UN 3166; die Beförderung ist gemäß Sondervorschrift 666 ADR/RID von der Anwendung des ADR/RID freigestellt.
  • Nichtaufsitzrasenmäher = UN 3528; die Beförderung ist unter den Bedingungen der Sondervorschrift 363 j) ADR/RID (max. 60 Liter Benzin) von der Anwendung des ADR/RID freigestellt.

Elektromotorisch (UN 3480 Lithium-Ionen-Batterie) angetriebener Rasenmäher als:

  • Aufsitzrasenmäher = UN 3171; die Beförderung ist gemäß Sondervorschrift 666 ADR/RID von der Anwendung des ADR/RID/ADN freigestellt.
  • Nichtaufsitzrasenmäher = UN 3481; die Beförderung ist unter den Bedingungen der Sondervorschrift 188 ADR/RID (max. 100 Wh) von der Anwendung des ADR/RID freigestellt.

Uhr enthält UN 1407 Caesium: UN 1407 ist nicht zur Beförderung als begrenzte Menge zugelassen (Eintrag „0“ in der Spalte 7a der Tabelle A); darum kommt eine Zuordnung zur UN 3363 und damit eine Freistellung nicht infrage:

  • Die Uhr muss als „UN 3543 GEGENSTÄNDE, DIE EINEN STOFF ENTHALTEN, DER IN BERÜHRUNG MIT WASSER ENTZÜNDBARE GASE ENTWICKELT, N.A.G. (Caesium), 4.3, (E)“ befördert werden.
  • Die Uhr muss gemäß Verpackungsanweisung P 006 oder LP 03 verpackt werden, entweder z.B. in einer Kiste aus Pappe „UN 4G/Y…/S…“ oder – wenn sie „robust“ ist – in einer widerstandsfähigen Außenverpackung, die nicht UN-zugelassen sein muss.

Die Uhr dürfte auch unverpackt befördert werden, aber das wird angesichts des Warenwerts wohl niemand tun.

  • Die Verpackung muss mit „UN 3543“ gekennzeichnet und mit Gefahrzettel „Muster Nummer 4.3“ versehen werden.
  • Für die Beförderung gilt die Beförderungskategorie 4 = unbegrenzt. Damit ist u.a. die Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten nicht erforderlich.

Die Verpackungsanweisung P 006  erlaubt die unverpackte Beförderung. Die Beförderungsart „lose Schüttung“ ist allerdings nicht zulässig (Fehlen von Einträgen in den Spalten 10 und 17 der Tabelle A). Rohre mit relevanten Anhaftungen gefährlicher Güter im Inneren müssen z.B. als Versandstücke befördert werden, was aber wegen der Beförderungskategorie 4 sogar günstiger für die Durchführung der Beförderung ist als eine Beförderung in loser Schüttung.

Für Gegenstände mit Gas (UN 2857, 3358, 3529, 3537-3539) gilt die Sondervorschrift CV 36 ADR/RID (Belüftung des Laderaums, gasdichte Abtrennung Fahrerhaus – Laderaum) nicht.

Die Bedingungen für das Produkt DHL Paket national Ausgabe 07/2021 schließen die UN-Nummern 3363 und 3537 bis 3548 von der Annahme zur Beförderung aus.

Eurotunnel von Frankreich nach UK:

UN 3542, 3543 und 3545 sind von der Beförderung ausgeschlossen; die Uhr mit dem Caesium fällt darunter.

Auswirkung der Änderungen in ADR/RID am Beispiel Trafo

Welche Auswirkungen auf die Logistik das Inkrafttreten der Änderung zum 01.01.2023 haben kann, soll am Beispiel eines Generators, der wegen der Art (verdichteter Stickstoff UN 1066) und Menge (> 120 ml) des Schutzgases

  • nicht der „UN 3363 GEFÄHRLICHE GÜTER IN GEGENSTÄNDEN, 9“ zugeordnet werden kann,
  • der „UN 3538 GEGENSTÄNDE, DIE NICHT ENTZÜNDBARES, NICHT GIFTIGES GAS ENTHALTEN, N.A.G. (Stickstoff), 2.2“ zugeordnet werden muss und der wegen seiner Größe unverpackt befördert werden soll (und auch darf = Verpackungsanweisung P 006 [2] Satz 3 ADR/RID),

dargestellt werden.

Zwei Gasflaschen an der Außenseite entlassen auch während der Beförderung dosiert verdichteten Stickstoff in das Innere des Trafos (Quelle: www.unece.org).

Der Druck im Inneren des Trafos beträgt zwar nur 0,35 bar, und deshalb könnte eigentlich die Freistellung gemäß Unterabschnitt 1.1.3.2 c) ADR/RID in Anspruch genommen werden, aber die Verpackungsanweisung P 006 (3) d) ADR/RID verweist auf Abschnitt 4.1.6 ADR/RID und im Unterabschnitt 4.1.6.5 ADR/RID heißt es:

„Nach dem Befüllen müssen die Verschlussventile [der Gasflasche] geschlossen werden und während der Beförderung verschlossen bleiben. Der Absender [!] muss überprüfen, dass die Verschlüsse und die Ausrüstung nicht undicht sind.“

Das ist aber im vorliegenden Fall technisch nicht möglich, weil aus der angeschlossenen Flasche ständig Gas nachströmt, da der Trafo nicht hinreichend dicht ist. Diese Abweichung wird durch die neue Sondervorschrift 396 ADR/RID 2023, legalisiert.

Der Generator muss an einer Seite

  • gekennzeichnet sein mit „UN 3538“ (Unterabschnitt 5.2.1.1 ADR/RID), und zwar mindestens 1,2 cm hoch,
  • bezettelt sein mit Gefahrzettel Nummer 2.2 (Absätze 5.2.2.1.1 und 5.2.2.1.12.1 ADR/RID), und zwar mindestens 10 cm × 10 cm.

Die folgenden verkehrsträgerspezifischen Vorschriften sind anzuwenden:

ADR:

Der UN 3538 ist die Beförderungskategorie 4 = unbegrenzt zugeordnet. Das bedeutet: Der Fahrer braucht nur einen Unterweisungsnachweis (Kapitel 1.3 i.V.m. Abschnitt 8.2.3 ADR), einen 2-kg-Feuerlöscher (Unterabschnitt 8.1.4.2 ADR) und ein Beförderungspapier (Abschnitt 5.4.1, Unterabschnitt 8.1.2.1 a) ADR), sonst nichts.

Der Tunnelbeschränkungscode ist E.

RID:

Der Triebfahrzeugführer braucht nur einen Unterweisungsnachweis (Kapitel 1.3 RID), ein Beförderungspapier (Abschnitt 5.4.1 RID) und die schriftlichen Weisungen (Abschnitt 5.4.3 RID), sonst nichts.

Autor*innen: Prof. Norbert Müller, Christine Lendt