Die EnSimiMaV und ihre Auswirkungen auf das Energieaudit und die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen
Im August 2022 wurden seitens der Bundesregierung weitere Energieeinsparmaßnahmen zur kurz- und mittelfristigen Sicherung der Energieversorgung beschlossen (wir berichteten). Insbesondere die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV bzw. Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) hat erhebliche Auswirkungen auf betroffene Unternehmen.
Die EnSimiMaV gilt seit dem 1. Oktober 2022 und tritt am 1. Oktober 2024 wieder außer Kraft, ist also für einen längeren Zeitraum angelegt als die bis zum 28. Februar 2023 gültige EnSikuMaV (Anmerkung der Redaktion: Die Geltungsdauer wurde im Februar 2023 bis zum 15. April 2023 verlängert). In der EnSimiMaV geht es zunächst um das Thema Heizung, genauer gesagt um die Gasheizung – §§ 2 und 3 schreiben Heizungsprüfungen und -optimierungen sowie einen hydraulischen Abgleich vor. Vor allem interessant ist aber § 4 der EnSimiMaV, der die Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen thematisiert.
Pflichten für Unternehmen
Laut diesem Paragrafen sind Unternehmen dazu verpflichtet, „alle konkret identifizierten und als wirtschaftlich durchführbar bewerteten Maßnahmen“ im Rahmen eines Energieaudits nach § 8 Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) bzw. eines Energiemanagementsystems nach DIN EN ISO 50001 oder eines Umweltmanagementsystems nach EMAS innerhalb von maximal 18 Monaten umzusetzen.
„Wirtschaftlich durchführbar“ bedeutet hierbei, dass eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der jeweiligen Maßnahme nach der DIN EN 17463 („Bewertung von energiebezogenen Investitionen [VALERI]“) durchgeführt wird und sich hierbei ein positiver Kapitalwert nach maximal 20 % der Nutzungsdauer ergibt. Dabei ist der Bewertungszeitraum auf maximal 15 Jahre begrenzt. Gleichbedeutend ist damit auch, dass es nicht erforderlich ist, Maßnahmen, die sich später rechnen, umzusetzen.
Das heißt konkret: Bei einer Investition in eine energieeffiziente Anlage mit einer Nutzungsdauer von 15 Jahren ist diese binnen 18 Monaten umzusetzen, wenn sie sich nach drei Jahren rechnet. Bei einer Nutzungsdauer von zehn Jahren wäre es entsprechend ein positiver Kapitalwert nach zwei Jahren.
Die Umsetzung der EnSimiMaV
Die Umsetzung wird durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren überprüft, die ohnehin das Unternehmen im Rahmen des Energieaudits oder des Energie- bzw. Umweltmanagementsystems betreuen.
Es bestehen zwei Einschränkungen für die verpflichtende Umsetzung:
- Unternehmen mit genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) können für diese Anlagen auf die Umsetzung von Maßnahmen nach den oben beschriebenen Vorgaben verzichten, wenn es für die Anlagen speziellere Anforderungen zur Umsetzung gibt.
- Nur Unternehmen, die in den letzten drei Jahren einen Gesamtenergieverbrauch von durchschnittlich mindestens 10 GWh jährlich aufweisen, sind betroffen.
Amortisationsdauer als Bewertungsverfahren ungeeignet
Mit einem positiven Kapitalwert nach zwei bis drei Jahren ist man nicht so weit weg von der in Unternehmen oft noch vorherrschenden Sicht, dass Investitionsmaßnahmen lediglich umgesetzt werden, wenn sie eine Amortisationsdauer von zwei bis drei Jahren aufweisen. Dabei ist die Amortisationsdauer als Bewertungsverfahren für Energieeffizienzmaßnahmen ungeeignet und wird daher in der zugrunde liegenden Norm DIN EN 17463 auch ausdrücklich ausgeschlossen: „Das Verfahren der statischen Amortisationszeit und das Verfahren der Amortisationszeit sind nicht vollständig, da diese Verfahren sämtliche Cashflows nach Erreichen der Amortisationszeit vernachlässigen“ (DIN EN 17463:2021-12).
Die Amortisationsdauer ist eine reine Risikoabschätzung darüber, bis wann die Investitionsvolumen durch eine Maßnahme refinanziert wurden. Jegliche Einsparungen bzw. Zuflüsse über diese Dauer hinaus bleiben gänzlich unberücksichtigt. Dies stellt gerade für Investitionen in Energieeffizienz ein Problem dar, da diese üblicherweise „Langläufer“ sind. Somit kommen bei Anwendung der Amortisationszeitrechnung Effizienzinvestitionen häufig fälschlicherweise nicht zum Zuge.
Das bedeutet:
Unternehmen, die energieauditpflichtig sind und durchschnittlich mehr als 10 GWh Energie jährlich verbrauchen, müssen sich also, wenn es um die Bewertung ihrer Energieeffizienzmaßnahmen geht und anschließend eine Umsetzung der als wirtschaftlich bewerteten Maßnahmen innerhalb von eineinhalb Jahren zu erfolgen hat, seit dem 1. Oktober 2022 an der DIN EN 17463 orientieren. Dies erfordert oft ein Umdenken bei der Methode der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (siehe oben) und gleichzeitig die einheitliche Bewertung aller Effizienzmaßnahmen.
Das ist durchaus so gewollt, zeigen doch zahlreiche empirische Studien seit Anfang der 1990er-Jahre, dass Effizienz- bzw. Einsparpotenziale trotz ihrer Wirtschaftlichkeit aus diversen Gründen nicht umgesetzt werden. Das Phänomen ist in der Literatur als „energy efficiency gap“ bekannt.
Potenzielle Schwierigkeiten:
Mögliche Hemmnisse, wirtschaftliche Maßnahmen umzusetzen, können hierbei sein:
- Energiepreise, die nicht die wahren sozialen und ökonomischen Kosten berücksichtigen, die mit der Produktion, Verteilung und dem Verbrauch des jeweiligen Energieträgers verbunden sind (sogenannte externe Effekte; das ist insbesondere der Fall bei Kraftstoffen), und die damit die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen hinsichtlich alternativer Energieträger auf den ersten Blick weniger vorteilhaft erscheinen lassen
- begrenzter Zugang zu Kapital – ohne liquide Mittel können die gerade im Energieeffizienzbereich oft kostenintensiven Investitionen nicht getätigt werden
- Probleme in der Lieferkette bzw. generelle Einschränkungen in der Infrastruktur, die Investitionen in Energieeffizienz erschweren
- unvollständige Informationen seitens der Entscheider
Verfahren der DIN EN 17468
Die DIN EN 17463 stellt ein Instrumentarium zur Verfügung, um Fehlschlüsse, insbesondere solche, die auf unvollständigen Informationen der Entscheidergremien beruhen, möglichst zu vermeiden. Nicht umsonst wird in energierechtlichen Vorschriften vermehrt auf die Norm Bezug genommen – angefangen bei der BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BEVC) über das Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) bis zum künftigen Energieeffizienzgesetz (EnEfG). Dabei sind die Vorgaben zur Umsetzung ab einer bestimmten Wirtschaftlichkeit im Übrigen (nach aktuellem Stand) überall strikter als bei der EnSimiMaV. Sind es bei dieser aktuell 20 % der Nutzungsdauer, nach denen sich ein positiver Kapitalwert einstellen sollte, sind es in den anderen genannten Verordnungen zwischen 50 und 90 %.
Das bedeutet, dass auch eine geringere Wirtschaftlichkeit einer Investition in Energieeffizienz dennoch eine Umsetzung der Maßnahme erforderlich macht.
Das in der DIN EN 17463 beschriebene Verfahren ist dabei durchaus umfassend und geht vom Aufbau eines Rechenmodells in verschiedenen Phasen aus, angefangen bei der Quantifizierung sogenannter „Nutzen und Lasten“, also positiver und negativer Nutzen einer Investition. Anschließend werden Aspekte wie Preisschwankungen, Degradation und die Anzahl zu berücksichtigender Betrachtungsperioden oder auch Risiken eingearbeitet und ein Kalkulationszinssatz zur Berechnung bestimmt. Anschließend kann der Kapitalwert einer ERI („energy-related investment“, energiebezogene Investition) für drei Szenarien bestimmt werden – den wahrscheinlichen Fall, ein Worst-Case- und ein Best-Case-Szenario.
Praktisches Rechentool: Wirtschaftlichkeitsberechnung nach DIN EN 17463
Eine Hilfestellung nah an dem in der Norm beschriebenen Vorgehen bietet die Arbeitshilfe „Wirtschaftlichkeitsberechnung nach DIN EN 17463“. Sie finden das praktische Rechentool in unserem Produkt Energieaudit nach DIN EN 16247, aber auch in Energiemanagement in der betrieblichen Praxis.
Teil der Arbeitshilfe ist beispielsweise ein seitens der Norm geforderter Bewertungsbericht, in dem auf die getroffenen Annahmen, die verwendeten Werte und die ermittelten Ergebnisse einzugehen ist.
Fazit
Mit der in der EnSimiMaV geforderten Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen und der Bezugnahme auf ein einheitliches Beurteilungskriterium gemäß der Norm DIN EN 17463 erhöht sich der Druck auf Unternehmen, Maßnahmen transparent und anhand einheitlicher Kriterien zu bewerten und unter bestimmten Voraussetzungen auch umzusetzen. Gleichzeitig werden Möglichkeiten beispielsweise für Mitarbeitende in Unternehmen eröffnet, mit Optimierungsvorschlägen stärker Berücksichtigung zu finden und so den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Ein Energieaudit nach DIN EN 16247-1 oder alternativ ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 bzw. ein Umweltmanagementsystem nach EMAS, gewinnen so weiter an Bedeutung.
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