Achtung bei der Weiterleitung von Strom an Dritte
Ihr Unternehmen profitiert von reduzierten Energie-Umlagen oder freut sich über Stromsteuerbefreiungen? Oder haben Sie gar eine PV- oder KWK-Anlage im Betrieb stehen? Dann Vorsicht: Seit Anfang 2022 ist ein Messkonzept mit geeichten Zählern Pflicht. Und Sie müssen ferner Ihre Stromweiterleitung an Dritte bedenken. Prüfen Sie Bagatellgrenzen genau.
Stromkostenintensive Unternehmen profitieren von diversen Vergünstigungen bei Steuern und Abgaben, müssen dabei jedoch die Strommengen angeben, die sie nicht selbst verbrauchen, sondern weiterleiten. Die Weiterleitung von Strom an Dritte richtig einzuordnen und praktisch zu berücksichtigen ist jedoch gar nicht so leicht – zu unterschiedlich sind die möglichen Szenarien, zu uneinheitlich die rechtliche Situation. Aber der Reihe nach:
Was gilt als Weiterleitung von Strom an Dritte?
Wie viel Strom ein Unternehmen benötigt, misst ein geeichter Zähler an einer zentralen Abnahmestelle. Aber diese Werte müssen nicht mit dem tatsächlichen Strombedarf eines Unternehmens übereinstimmen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Unternehmen Räume an Dritte untervermietet – die natürlich wiederum selbst Strom verbrauchen. Der geeichte Zähler an der zentralen Abnahmestelle weiß davon natürlich nichts.
Deshalb müssen Unternehmen bei der sogenannten Drittstrommengenabgrenzung die Strommengen, die sie an Dritte weiterleiten, erfassen und aus dem eigenen Stromverbrauch herausrechnen, sobald diese über den Zähler des Unternehmens laufen.
Vorsicht: Stromweiterleitung an Dritte schneller als gedacht
Die Erfahrung zeigt aber: Vielen Firmen fehlt ein Bewusstsein dafür, ob und wie viel ihres Stroms sie an Dritte abgeben.
Nicht immer ist dies nämlich so eindeutig wie bei einer vermieteten Bürofläche oder Betriebswohnung. „Wir verbrauchen unseren Strom zur Gänze selbst“, ist auch die gängige Reaktion, wenn sich auf dem Firmengelände Küchen, Kühlschränke oder Kaffeemaschinen finden, die von Dritten betrieben werden.
Eine Schwierigkeit besteht also darin, dass es so viele unterschiedliche Szenarien gibt, nach denen Unternehmen ihren Strom nicht zur Gänze selbst verbrauchen.
Bagatellgrenzen bei der Weiterleitung von Strom an Dritte
Ganz realitätsfern ist der Gesetzgeber jedoch nicht: Er sieht Bagatellgrenzen vor, bei denen die Strommengen Dritter dem eigenen Stromverbrauch zugerechnet werden dürfen. Dies trifft zu, wenn die Strommengen
- geringfügig sind: kurzer und nicht dauerhafter Stromverbrauch im Umfang von ca. 1.000 kWh (z.B. durch Reinigungskräfte, die ihren Staubsauger anschließen)
- üblicherweise und im konkreten Fall nicht gesondert abgerechnet werden
und- verbraucht werden
a) in den Räumlichkeiten oder auf dem Betriebsgelände des Letztverbrauchers
b) im Fall einer gewerblichen Nutzung zur Erbringung einer Leistung des Dritten gegenüber des Letztverbrauchers oder umgekehrt.
Hier ändert sich auch durch die Überführung der Regelungen zu geringfügigen Stromverbrächen Dritter vom EEG in das Energiefinanzierungsgesetz seit 2023 nichts. § 45 EnFG „Geringfügige Stromverbräuche Dritter“ entspricht in seinem Wortlaut § 62a EEG 2021.
Welche Unternehmen könnten Probleme bei der Weiterleitung von Strom an Dritte haben?
Die Mengen an Strom, die ein Unternehmen verbraucht, sind relevant für die
- Stromsteuererstattung,
- Stromsteuerentlastung,
- individuellen Netzentgelte,
- Ersparnis nach der besonderes Ausgleichsregelung, sowie
- wenn Unternehmen eine begünstigte Eigenerzeugungsanlage betreiben.
Der Knackpunkt: Begünstigt sind tatsächlich nur die Strommengen, die das Unternehmen selbst verbraucht. Für alle anderen Strommengen fallen sämtliche Vergünstigungen flach.
Warum ist die fehlende oder unzureichende Angabe der an Dritte weitergeleiteten Strommengen ein Problem?
Bei der Stromsteuerentlastung entwickelt es sich zur Falle, wenn ein Unternehmen eine mögliche Weiterleitung von Strom an Dritte unzureichend angibt oder sogar ganz weglässt. Ob die Voraussetzungen für die Stromsteuerentlastung gegeben sind oder nicht, untersucht das Hauptzollamt. Das prüft oft sehr genau. Prüfer verschaffen sich auch vor Ort einen Überblick über die Situation. Was passiert, wenn sie dann feststellen, dass Strommengen sehr wohl an Dritte weitergeleitet werden, diese Tatsache im Antrag aber verschwiegen wird? Dann steht schnell der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum.
Eine Unterschlagung der weitergeleiteten Mengen kann in jedem Fall zu Nachzahlungen und Strafen führen. Die Inanspruchnahme von Begünstigungen für nicht privilegierte Letztverbraucher ist rechtswidrig. In besonders schweren Fällen können die gesamten Begünstigungen der letzten fünf Jahre zurückgefordert werden.
Achtung: Messpflicht weitergeleiteter Strommengen seit dem 1.1.2022
Seit dem 1. Januar 2022 dürfen Strommengen, die an Dritte weitergeleitet werden, nur noch im Zuge einer Härtefallregelung geschätzt werden. Das Messen ist also verpflichtend — und zwar mittels einer mess- und eichrechtskonformen Messeinrichtung. Wie das im konkreten Einzelfall jeweils aussehen kann, müssen Unternehmen in einem entsprechenden Messkonzept darlegen.
Hinweis: Was ist ein Messkonzept?
Ein Messkonzept enthält Angaben darüber, wo und wie gemessen wird und welche Vereinfachungsmöglichkeiten ein Unternehmen aus welchen Gründen nutzt. Es berücksichtigt die Anforderungen des Unternehmens und externer Stellen (Hauptzollamtes, BAFA, Netzbetreiber, BNetzA).
Die Beweislast liegt beim Unternehmen. Die Messung muss mit einer mess- und eichrechtskonformen Messeinrichtung erfolgen.
Änderungen bei der Messung und Schätzung durch das Energiefinanzierungsgesetz 2023
Das Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) greift beim Messen und Schätzen die bestehenden Reglungen, bisher in §62b EEG 2021, in seinem § 46 weitestgehend auf. Die Zeitgleichheitserfordernis wurde in dem EnFG jedoch noch mal herausgearbeitet.
„Da es für die Umlagepflicht nach der neuen Umlageerhebungssystematik stets auf die Netzentnahme ankommt, muss in Fällen, in denen in Abhängigkeit von Verbrauchsmengen (…) hinter der Entnahmestelle Umlageprivilegien in Anspruch genommen werden, nunmehr die Zeitgleichheit der Netzentnahme und des vom relevanten Letztverbraucher selbst verbrauchten (privilegierten) Letztverbrauchs sichergestellt werden.“
Eine Sicherstellung dieser Zeitgleichheit durch eine mess- und eichrechtskonforme Viertelstunden-Messung der Netzentnahme und des abgrenzungsbedürftigen Ist-Verbrauchs ist jedoch auch jetzt nur dann erforderlich, wenn die Zeitgleichheit nicht schon anderweitig sichergestellt ist.
Ausnahmen von der Messpflicht weitergeleiteter Strommengen
Ausnahmen von der Messpflicht gelten nur dann,
- wenn eine Messung technisch unmöglich ist
- nur mit unvertretbar hohem Aufwand zu leisten ist
- die Messung wirtschaftlich nicht zumutbar ist
Hier betont der Gesetzgeber übrigens, dass es sich bei der Ausnahmeregelung um eine „grundsätzlich eng auszulegende Sonderbestimmung“ handelt. Eine Ausnahme sei u.a. bei „durchmischten Verbräuchen“ denkbar, z.B. wenn zwei Unternehmen dieselbe stromverbrauchende Produktionsanlage benutzen.
Für die Bewertung, ob eine Abgrenzung von Strommengen durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen wirtschaftlich zumutbar ist, sollen Unternehmen nach § 46 Energiefinanzierungsgesetz die Summe der nach dem EnFG erhobenen Umlagen ins Verhältnis zum wirtschaftlichen Aufwand setzen. Diese Formulierung berücksichtigt, dass die EEG-Umlage entfallen ist.
Der “Leitfaden zum Messen und Schätzen bei EEG-Umlagepflichten” der Bundesnetzagentur enthält zahlreiche Beispiele für typische Anwendungsfälle in Unternehmen. Außerdem sind darin 21 Vereinfachungen zum Messen und Schätzen enthalten, mit denen Unternehmen den Aufwand zur Abgrenzung von Drittstrommengen deutlich reduzieren können. Trotz geänderter Umlagenstruktur mit dem Wegfall der EEG-Umlage 2023 bleiben die Hinweise dieses Leitfadens aktuell.
Wir können nur empfehlen, sich eingehend mit der Situation auf Ihrem Betriebsgelände zu befassen, Ihre Kollegen und Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, wann Strom an Dritte weitergeleitet wird. Identifizieren Sie Drittverbraucher im Unternehmen und grenzen Sie diese durch ein Messkonzept von ihren selbst verbrauchten Strommengen ab.
Nähere Informationen finden Sie im Hinweisblatt Strommengenabgrenzung des BAFA und im Leitfaden zur Eigenversorgung.