Prüfen von Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1)
Elektrische Maschinen müssen wie jedes Arbeitsmittel in regelmäßigen Zeitabständen geprüft werden. Der Betrieb solcher Maschinen ist in DIN VDE 0105-100 geregelt, wozu dann auch Prüfungen in Anlehnung an die Herstellernorm gehören. Dabei handelt es sich um die DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Doch gibt es normative Vorgaben zum Zeitpunkt der Prüfung? Nach welcher Norm und wann müssen Wiederholungsprüfungen durchgeführt werden? Müssen bei diesen Prüfungen alle Einzelprüfungen des Kapitels 18 der EN 60204-1 ausgeführt werden? Antworten auf diese Fragen gibt unser Experte.
Die Errichternorm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) innerhalb der Elektrosicherheit
Die Norm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06 heißt in der Langform „Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“. Schon aus dem Titel lassen sich der Anwendungsbereich und damit der Adressat der Norm ablesen. Diese richtet sich an denjenigen, der Maschinen ausrüstet: den Hersteller respektive Errichter. Wir haben hier eine Errichternorm, vergleichbar der Normenreihe VDE 0100.
Nun kann man sich über die Verbindlichkeit von DIN-Normen und VDE-Bestimmungen trefflich streiten. Im Gegensatz zur Normenreihe VDE 0100 fällt die DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) nicht unter die Regeln der Technik, die vom § 49 Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit der Vermutungswirkung für richtiges Handeln ausgestattet sind. Die Wirkung des § 49 EnWG endet nämlich bei den Verteileranlagen – ausweislich des Absatzes 1 in Verbindung mit § 3 Nr. 15 EnWG.
Die elektrische Maschine gehört aber nicht zu den Verteileranlagen, sondern ist eine (Energie-)Verbrauchsanlage. Auch die Erwähnung der Regeln der Technik im § 319 Strafgesetzbuch hilft für Maschinen nicht zur Verbindlichkeit, da es sich bei diesen nicht um Bauten oder Bauwerke handelt.
VDE-Bestimmungen grenzen richtiges von fahrlässigem Handeln ab
Jedoch sind die VDE-Bestimmungen ein Sorgfaltsmaßstab, der richtiges von fahrlässigem Handeln abgrenzt. Die VDE-Bestimmungen müssen als „objektiviertes Sachverständigengutachten“ angesehen werden (OLG Koblenz, 06.09.1991, 1Ss265/91; BayOLG, 30.07.2002, 1ObOWi 15/02; OLG Hamm, 01.07.2008, 2Ss OWi 494/08).
Zeitpunkt der Prüfung nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1)
Die in Kapitel 18 der DIN EN 60204-1 aufgeführten Prüfungen sollten vom Hersteller bzw. Errichter der Maschine vor Übergabe an den Auftraggeber oder Nutzer ausgeführt worden sein. Sofern die Norm im Rahmen des Werk(liefer)vertrags in die Vertragsdokumente inkorporiert, d.h. verweisend aufgenommen wurde, stellen die Prüfungen einen verbindlichen Bestandteil der Abnahmeprozedur nach § 640 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dar. Wenn man es ganz genau nehmen möchte, reicht bereits Einigkeit über die Anwendung der Norm aus, ohne dass es einer Kodifizierung bedarf.
Der Hersteller seinerseits kann mittels der dokumentierten Prüfungen im Sinne des vorgenannten Sorgfaltsmaßstabs die Beachtung desselben nachweisen. Auch die Erklärung der CE-Konformität auf Basis der Maschinenrichtlinie (9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz) könnte die Prüfung herstellerseitig notwendig machen, wenn die Übereinstimmung mit der Norm darin erklärt wird.
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Verpflichtung zur Wiederholungsprüfung
Eine aus der DIN EN 60204-1 entspringende Verpflichtung zur Wiederholungsprüfung gibt es nicht – abgesehen vom Kapitel 18.7 Nachprüfungen bei Auswechslungen oder Änderungen. Möchte man eine solche aus dem VDE-Vorschriftenwerk ableiten, so muss man in der zentralen Betriebsvorschrift DIN VDE 0105-100 suchen.
Im Moment der Inbetriebnahme ist die Maschine nämlich in diesen Bereich übergegangen. Hier heißt es in Kapitel 4.1.101: „Elektrische Anlagen sind den Errichtungsnormen entsprechend in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten.“ Der ordnungsgemäße Zustand wird ebenfalls nach dieser Bestimmung durch die Methoden gemäß Kapitel 5.3 erhalten. Dazu gehören: Messen, Erproben und Prüfen. Kapitel 5.3.3.101 nennt die wiederkehrenden Prüfungen – verweist dabei aber zunächst auf die Normenreihe VDE 0100 (hier: DIN VDE 0100-600 als Harmonisierungsdokument HD60364-6:2007).
Doch so weit muss man nicht ausholen. Unter Rückgriff auf die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) kommt man schnell zu einer Verpflichtung für Wiederholungsprüfungen.
Unternehmer als Eigentümer/Betreiber
In § 14 Abs. 2 BetrSichV heißt es:
„Arbeitsmittel, die Schäden verursachenden Einflüssen ausgesetzt sind, die zu Gefährdungen der Beschäftigten führen können, hat der Arbeitgeber wiederkehrend von einer zur Prüfung befähigten Person prüfen zu lassen. Die Prüfung muss entsprechend den nach § 3 Abs. 6 ermittelten Fristen stattfinden.“
Zweifelsohne ist die Maschine, wenn Beschäftigte daran arbeiten bzw. sie bei der Arbeit verwenden, ein Arbeitsmittel. Die Maschine unterliegt während ihres Gebrauchs und ihrer Benutzung Schäden verursachenden Einflüssen, die sich einerseits auf physikalische, andererseits auf Phänomene der Mensch-Maschine-Interaktion zurückführen lassen.
Ob dadurch gefährliche Situationen entstehen, muss der Unternehmer (der in der Betriebssicherheitsverordnung Arbeitgeber heißt) als Eigentümer, mindestens aber als Betreiber der Maschine durch eine nach § 5 Arbeitsschutzgesetz und § 3 BetrSichV durchzuführende Gefährdungsbeurteilung feststellen. Dem Unternehmer/Arbeitgeber stehen nach § 13 ArbSchG verantwortliche Personen in dieser Hinsicht gleich.
Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung
Bezüglich des Zeitpunkts gibt es keine pauschalen Festlegungen einer für allwissend zu haltenden Instanz (mehr). Die DGUV Vorschrift 3 (Berufsgenossenschaften) bzw. im öffentlichen Bereich (Unfallkassen) DGUV-Vorschrift 4 gibt in § 5 Abs. Nr. 2 „bestimmte Zeitpunkte“ vor und ergänzt:
„Die Fristen sind so zu bemessen, dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden.“
In der zu den Durchführungsanweisungen gehörenden Tabelle 1A gibt es Empfehlungen zu Prüffristen, die für ortsfeste Betriebsmittel (= Arbeitsmittel) vier Jahre vorsehen. In der aktuellen Version der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 1201 (März 2019) wird ebenfalls keine eigene Empfehlung mehr genannt, sondern auch auf „bewährte Prüffristen“ aus den Durchführungsanweisungen der DGUV-Vorschriften 3 bzw. 4 verwiesen. Vor der pauschalen Übernahme solcher Empfehlungen sei jedoch ausdrücklich gewarnt!
Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung
Das richtige Instrument für die Festlegung der Frequenz von Wiederholungsprüfungen ist die Gefährdungsbeurteilung.
Nur in der Gefährdungsbeurteilung kann entsprechend der örtlichen Gemengelage festgelegt werden, wann eine Prüfung erfolgen muss – mit nahe am Prüfobjekt vorhandenem Sachverstand und unter Beachtung diverser Einflussfaktoren.
Solche Einflussfaktoren sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Betriebsbedingungen (z.B. einschichtig oder dreischichtig)
- Umweltbedingungen (z.B. Temperatur, Feuchtigkeit, Standort im Freien usw.)
- personelle Gegebenheiten (wie der Qualifikationsstand des Bedienpersonals)
So unterscheiden sich die Prüffristen sicherlich dann, wenn die Maschine von technisch nicht ausgebildetem Personal bedient wird, welches auch noch (gezwungenermaßen) kleinere Instandsetzungen daran auszuführen hat, von der Organisation, bei der technisches Fachpersonal wie z.B. Elektrofachkräfte für die Überwachung und Instandhaltung regelmäßig zur Verfügung steht.
Empfehlung zum Zeitpunkt der Wiederholungsprüfungen
Die Wiederholungsprüfungen müssen durchgeführt werden, bevor es zu gefährlichen Mängeln kommen kann. Damit lässt sich ein Intervall nicht ein für alle Mal in Stein meißeln, sondern ist regelmäßig auch neu zu überprüfen – basierend auf den bei den Prüfungen gewonnenen Erfahrungen.
Prüfungen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) Kapitel 18
Das Kapitel 18 der DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) sieht folgende Prüfungen elektrischer Maschinen vor:
- Übereinstimmung der elektrischen Ausrüstung mit der Dokumentation
- Überprüfung der Durchgängigkeit der Schutzleiterstromkreise
- Prüfung der Einhaltung der Bedingungen für den Schutz durch automatisches Abschalten (wo angewendet)
- Isolationswiderstandsprüfung
- Spannungsprüfung
- Prüfung des Schutzes gegen Restspannung
- Prüfung der zusätzlichen Anforderungen an die elektrische Ausrüstung mit Erdableitströmen größer 10 mA
- Funktionsprüfung
Müssen alle diese Prüfungen durchgeführt werden?
Auch darüber gibt einzig und allein die Gefährdungsbeurteilung Auskunft. In Vorbereitung der Prüfung macht sich der Verantwortliche über die an der Maschine zum Einsatz gekommenen Schutzmaßnahmen Gedanken. Verantwortlich ist der Anlagenbetreiber. Seine Aufgabe ist nach Kapitel 3.2.1 DIN VDE 0105-100, die Verantwortung für den sicheren Betrieb zu tragen sowie Regeln und Randbedingungen der (diesbezüglichen) Organisation vorzugeben. Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme wird dann mit geeigneten Verfahren geprüft.
Schaut man sich die einleitenden Sätze der Unterkapitel 18.3, 18.4 und 18.5 an, so beginnen diese mit „Wenn“ bzw. „Wo zweckmäßig“. Daraus lässt sich schon grammatikalisch schlussfolgern, dass die hier angesprochenen Prüfungen niemals zwingend sein können, sondern vielmehr von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Prüfung abhängen sollen.
Verschiedene Prüfungen werden auch „im Feld“ gar nicht ausführbar sein. Hier muss also immer anhand der Gefährdungsbeurteilung der Prüfumfang festgelegt sein. Zu einer Prüfung gehören nach TRBS 1201 Kapitel 2.2 allerdings immer eine Ordnungsprüfung (wie in der DIN EN 60204-1 Kapitel 18.1a beschrieben) und technische Prüfungen, z.B. auf Einhaltung und Funktion der in Anwendung gebrachten Schutzmaßnahmen.
Fazit: Prüfen von Maschinen nach DIN EN 60204-1
Die vom Gesetzgeber im Arbeitsschutzgesetz und in der Betriebssicherheitsverordnung vorgeschriebene und vom Arbeitgeber respektive Betreiber durchzuführende Gefährdungsbeurteilung liefert Aussagen zu Prüfart, Prüffrist und Prüfumfang. Nur diese kann die örtlichen Gegebenheiten hinreichend beachten. Von jeglichen Zentralinstanzen vorgegebene Prüffristen und -umfänge gehen an der betrieblichen Wirklichkeit und den gebotenen Notwendigkeiten vorbei.
Die Gefährdungsbeurteilung ist damit ein zentrales Instrument der unternehmerischen Eigenverantwortung und Ausdruck der grundgesetzlich garantierten Freiheit. Sie ist jedoch zugleich Verpflichtung, diese Verantwortung und Freiheit sachgerecht wahrzunehmen, nur an Sicherheitsaspekten orientierte Prüfzyklen und -umfänge festzulegen und damit für Elektrosicherheit zu sorgen.