07.01.2023

Elektroakustische Notfallwarnsysteme (ENS) nach DIN EN 50849

Elektroakustische Notfallwarnsysteme (ENS) sollen Personen, die sich in einem Bereich innerhalb oder außerhalb eines Gebäudes aufhalten, im Notfall warnen. Warnungen dienen allgemein dem Zweck, die anwesenden Personen aufzufordern, den oder die Bereiche zu verlassen bzw. zu räumen. Sie fordern also zur Selbstrettung auf.

elektroakustische Notfallsysteme

Anwendungsbereich der Norm

Die Norm DIN EN 50849 VDE 0828-1:2017-11 trägt den Titel „Elektroakustische Notfallwarnsysteme“. Sie gilt für die dabei eingesetzten Schallverstärkungs- und Schallverteilungssysteme unter Zuhilfenahme von Lautsprechern zur Übertragung von Sprachdurchsagen sowie Aufmerksamkeits- und Warnsignalen.

Die Abbildung zeigt den schematischen Aufbau eines elektroakustischen Notfallwarnsystems (ENS).

elektroakustische Notfallsysteme
Schematischer Aufbau eines elektroakustischen Notfallsystems

Ausgenommen von der Norm

Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Norm sind jedoch alle Alarmierungsanlagen, die zur Evakuierung im Brandfall verwendet werden. Für diese Anlagentypen gelten die Anforderungen der DIN VDE 0833-4 „Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall – Teil 4: Festlegungen für Anlagen zur Sprachalarmierung im Brandfall“.

Grundlagen der DIN EN 50849

Ein Aufmerksamkeitssignal ist ein Ton, der am Beginn einer Notfalldurchsage Aufmerksamkeit erzeugen soll. Nach diesem folgt das eigentliche Warnsignal mit der Nachricht. Diese Nachricht besteht in einer Information mit Veränderung einer Lage oder in einer Aufforderung zum Handeln.

In der DIN EN 50849 VDE 0828-1 werden grundlegende Begriffe definiert. Es werden die Mindestanforderungen an Beschallungsanlagen festgelegt, die in Notfallsituationen dem Schutz von Leben dienen sollen. Ebenso werden Prüfverfahren und -kriterien genannt, die einen sicheren Betrieb der Systeme ermöglichen sollen.

Elektroakustische Notfallwarnsysteme in der Praxis

Den meisten Lesern wird ein solches Beschallungssystem z.B. aus Kaufhäusern bekannt sein. Dort werden ENS vielfältig genutzt. So dienen sie im Normalbetrieb etwa zur Beschallung mit Hintergrundmusik, Verbreitung von Werbung oder zum Ausrufen von Personen.

Kommt es jedoch zu einem Gefahrenzustand oder Notfall, werden zuvor aufgenommene und gespeicherte Alarmtexte (Notfallwarnungen) abgerufen und über die Alarmierungsgeräte (z.B. Signalgeber oder Lautsprecher) verbreitet.

Unterschied zwischen Gefahr und Notfall

Gefahr: Unter einer Gefahr wird im Sinne der Norm ein Zustand verstanden, bei dem eine Verletzung von Personen oder eine Beschädigung von Sachwerten nicht ausgeschlossen werden kann.

Notfall: Als Notfall wird hingegen eine Situation bezeichnet, bei der eine erhebliche Gefahr oder schwere Bedrohung für Personen und Güter vorliegt.

Prioritäten der Signale

Ein ENS muss bei Alarmzuständen in der Lage sein, alle Funktionen auszuschalten oder zu überbrücken, die nicht mit der Notfall- oder Gefahrenwarnung zusammenhängen. Hierbei kann es sich um Musik, allgemeine vorher aufgezeichnete Durchsagen (z.B. Werbung) oder betriebsbedingte Ausrufe handeln.

Dazu werden für den Betrieb des elektroakustischen Notfallsystems im Vorfeld Prioritäten festgelegt. Normativ werden grundsätzlich die folgenden drei Prioritäten (Hauptstufen) empfohlen:

  • Priorität A: Räumung (lebensbedrohliche Situation, die eine unmittelbare Räumung erfordert, z.B. Notfallmeldung)
  • Priorität B: Alarm (gefährliche Situation, die eine Warnung erfordert, z.B. Gefahrenmeldung)
  • Priorität C: kein Notfall (z.B. Betriebsmeldungen)

„A” bildet dabei die höchste, „B” die mittlere und „C” die niedrigste Priorität.

Anders ausgedrückt: Meldungen der Priorität „A” können Meldungen der Priorität „B” oder „C” jederzeit unterbrechen. Ebenso werden Meldungen der Priorität „B” gegenüber Meldungen der Priorität „C” jederzeit bevorzugt behandelt.

Elektroakustische Notfallwarnsysteme: Signalaussendung und Reaktionszeit

Ein ENS muss in der Lage sein, innerhalb von 3 Sekunden nach der Aktivierung der Notfallbetriebsart ein erstes Aufmerksamkeitssignal zu verbreiten. Das Aufmerksamkeitssignal muss einer ersten Mitteilung 4 bis 10 Sekunden vorausgeschickt werden.

Aufmerksamkeitssignale und Mitteilungen müssen so lange fortgeführt werden, bis sie entweder manuell abgestellt oder entsprechend dem zuvor festgelegten Räumungsverfahren geändert werden. Der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Mitteilungen darf höchstens 30 Sekunden betragen. Spätestens nach 10 Sekunden Pause muss ein weiteres Aufmerksamkeitssignal erzeugt werden.

Hörbarkeit des Aufmerksamkeitssignals

Aufmerksamkeitssignale müssen im gesamten Wirkungsbereich mindestens einen Schallpegel von 65 dB(A) und in Ruhebereichen (z.B. Räume mit Schlafgelegenheit) in Ohrhöhe einen Mindestschallpegel von 75 dB(A) erreichen. Weiterhin muss das Signal mindestens 6 dB(A) lauter als das Hintergrundgeräusch (Störschallpegel) sein. Darüber hinaus dürfen Aufmerksamkeitssignale den maximalen Wert von 120 dB(A) nicht überschreiten, da ansonsten Gesundheitsschäden beim Hörer nicht ausgeschlossen werden können.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass beim Tragen von Gehörschutz (z.B. in Werkstattbereichen) die akustische Alarmierung durch optische Signale (z.B. durch Blitzleuchten) oder fühlbare Signale (z.B. Vibrationsplatten) unterstützt werden sollte.

Eigenüberwachung und automatische Fehlermeldungen

Zu den technischen Anforderungen an elektroakustische Notfallwarnsysteme zählt u.a., dass diese in der Lage sind, die Systemverfügbarkeit (Betriebsbereitschaft), die Verfügbarkeit der Stromversorgung sowie jeden auftretenden Fehlerzustand zu melden.

Dazu müssen elektroakustische Notfallwarnsysteme mindestens die folgenden potenziellen Fehler überwachen:

  • Versagen oder Ausfall der Hauptstromversorgung (z.B. Ausfall allgemeine Stromversorgung)
  • Versagen oder Ausfall der Ersatzstromversorgung (z.B. Ausfall der vom Allgemeinstromnetz unabhängigen Energieversorgung)
  • Versagen oder Ausfall von Batterieladegeräten, die mit der allgemeinen oder Ersatzstromversorgung verbunden sind
  • Auslösen von Sicherungen, Leistungs- und Trennschaltern sowie Schutzeinrichtungen, die zum Ausfall der Notfall-Alarmierung führen können
  • Ausfall der Leitungsverbindungen (sog. Übertragungswege) für Notfalldurchsage-Mikrofone
  • Ausfall von Notfalldurchsage-Mikrofonen (z.B. Ausfall der Mikrofonkapsel)
  • Unterbrechung von Leitungsverbindungen (Übertragungswegen) zu den Lautsprechern
  • Kurzschluss von Leitungsverbindungen (Übertragungswegen) von Lautsprechern
  • Ausfall von Verstärkern für die Lautsprecher
  • Ausfall von sonstigen Modulen für die Übertragung von Gefahrensignalen (z.B. Sprach-/Signalspeicher, Schnittstellenkarten, Protokolleinheiten oder anderen Zentraleneinheiten)
  • Ausfall von Reserveverstärkern (sog. Havarieverstärker)
  • Ausfall von Notfall-Signalgeneratoren (z.B. zur Erzeugung von Aufmerksamkeitssignalen oder DIN-Tönen)
  • Ausfall des Speichers für die vorher aufgezeichneten Notfall-Mitteilungen
  • Ausfall und Fehler von optischen Alarmierungseinrichtungen
  • Ausfall von Prozessoren (CPUs) für die Ausführung von Softwareprogrammen im ENS
  • Speicherfehler im ENS (z.B. aufgrund von internen Speicherprüfungen)
  • Unterbrechung bei Abtast- oder Abfragevorgängen
  • Ausfall von Verbindungen (z.B. Bussystemen) zwischen ENS-Teilanlagen

Die festgestellten Fehler müssen durch das ENS angezeigt werden. Nach dem Auftreten eines Störungszustands muss die Fehleranzeige spätestens nach 100 Sekunden erfolgen. Außerdem muss der Fehlerzustand periodisch in einem Intervall von 5 Sekunden für mindestens 0,5 Sekunden akustisch und zusätzlich optisch gemeldet werden.

Durch eine Bestätigungstaste darf die akustische Fehlermeldung ausgeschaltet werden, wenn die optische Fehlermeldung weiterhin aktiv bleibt. Treten weitere Fehlermeldungen auf, so muss die akustische Fehlermeldung erneut aktiv werden. Nach der Beseitigung aller Fehler dürfen sich die akustischen und optischen Fehlermeldungen selbsttätig oder durch Betätigung einer manuellen Fehler-Rücksetzsteuerung (Quittierungstaste) deaktivieren.

Weitere Beiträge

Autor*in: Dipl.-Ing. (FH) Christoph Schneppe