Eine elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) rechtssicher einsetzen
An vielen Standorten werden Angestellte ohne elektrotechnische Ausbildung auch für einfachere Elektroarbeiten eingesetzt. Was genau ist eine elektrotechnisch unterwiesene Person? Wie setzt man sie ein, ohne dass es zu rechtlichen Problemen kommt? Hier erfahren Sie, wie Sie als Arbeitgeber richtig vorgehen.
Frage aus der Praxis
An unseren Bürostandorten beschäftigen wir diverse Hausmeister und Gehilfen, die neben anderen Tätigkeiten mit der Instandhaltung der technischen Gebäudeausrüstung betraut sind. Dazu zählen auch einfachere Elektroarbeiten wie das Wechseln von Lampen, Austauschen von defekten Schaltern und dergleichen. Die Beschäftigten besitzen in der Regel eine handwerkliche Ausbildung, sind je nach Standort aber keine gelernten Elektriker. Um die Mitarbeiter für ihre Aufgaben als elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) zu qualifizieren, schicken wir sie auf eine „EuP-Schulung“, wo sie die wichtigsten Verhaltensregeln im Umgang mit Elektrizität erlernen sollen.
Zudem wird ihnen in der ersten Zeit ein erfahrener Kollege als Ansprechpartner zur Seite gestellt. Nun wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen würden. Stattdessen sollen wir für diese Aufgaben einen Elektromeister einstellen müssen. Ist dieses wirklich erforderlich?
Antwort des Experten: Häufig herrscht Halb- oder Unwissen
Die Frage spricht einen Bereich an, in dem häufig Unsicherheit und Halbwissen herrscht oder man sich in scheinbarer Sicherheit wiegt. Prinzipiell ist es möglich, eine elektrotechnisch unterwiesene Person, kurz „EuP“, einfache Elektroarbeiten ausführen zu lassen. Dazu ist jedoch ein rechtssicherer Rahmen wichtig, denn die EuP ist keine Fachkraft mit eigener Entscheidungsbefugnis und kann es auch nicht werden.
In der Praxis hingegen trifft man zuweilen Konstrukte an, unter denen eine EuP als „Halbelektriker“ tätig ist. Hier herrscht bei den Vorgesetzten häufig der Irrglaube, dass man mit einer kurzen Schulung allen Verpflichtungen nachgekommen sei und fortan die EuP elektrotechnische Arbeiten in eigener Verantwortung ausführen könne. Hier muss man aber genauer hinschauen. Deshalb beschäftigen wir uns mit der rechtlichen Lage in diesem Bereich der Elektrosicherheit.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Verantwortung für die Beschäftigten
Der Arbeitgeber hat erst einmal ganz allgemein eine Fürsorgepflicht für seine Beschäftigten. In § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) wird dieser Umstand konkretisiert und dem Arbeitgeber werden Maßnahmen abverlangt, die seine Arbeitnehmer vor Gefahren schützen sollen:
„§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.
(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten
1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. […]“
Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) findet sich in § 618 ein ähnliches Schutzgebot:
„§ 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen
(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. […]“
Ebenso erlegt die Betriebssicherheitsverordnung dem Arbeitgeber auf, für ein sicheres Arbeitsumfeld aller Beschäftigten zu sorgen und sie unter Beachtung ihrer Fähigkeiten nur mit für sie geeigneten Aufgaben zu betrauen.
Verantwortung für den organisatorischen Rahmen
Zentrales Element in der Umsetzung dieses Auftrags ist die „geeignete rechtssichere Organisation“. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass weder der beschäftigten elektrotechnisch unterwiesenen Person eine Gefahr aus ihrer Tätigkeit droht noch diese eine Gefahr für ihre Kollegen oder Fremde hervorruft.
Prinzipiell sind alle Tätigkeiten an elektrischen Anlagen mit mehr oder minder großen Gefahren verbunden. Andererseits besitzt die elektrotechnisch unterwiesene Person nur einen stark umgrenzten fachlichen Wissenshorizont. Der Arbeitgeber muss in dieser Situation klare Festlegungen treffen, wie die Tätigkeiten für alle Seiten möglichst risikoarm erledigt werden können. Andernfalls drohen Schadensersatzpflichten für die sich aus einer eventuellen Sorglosigkeit ergebenden Folgen.
Anerkannte Regeln der Technik beachten
Um sich selbst rechtlich sicher aufzustellen, sei dem Arbeitgeber dringend geraten, sich der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu bedienen. Diese beinhalten eine Vermutungswirkung, dass ihre Beachtung im Allgemeinen einen ausreichenden Maßnahmenumfang darstellt. Nichtsdestotrotz muss geprüft werden, ob im Einzelfall weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Ignoriert man hingegen die anerkannten Regeln der Technik, begibt man sich auf recht dünnes Eis.
Im Zweifelsfall muss man dann stichhaltig darlegen können, warum getroffene Alternativmaßnahmen ein vergleichbares Schutzniveau darstellen. Hier liegt in solchen Fällen die Beweislast beim Arbeitgeber. Für den Bereich der Elektrotechnik attestiert der Gesetzgeber im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in § 49 ausdrücklich den VDE-Bestimmungen den Status der allgemein anerkannten Regeln der Technik.
Wer ist elektrotechnisch unterwiesene Person?
Die grundlegende Definition einer elektrotechnisch unterwiesenen Person findet sich in der DIN VDE 1000-10 wie auch in der DIN VDE 0105-100. Beiderseits wird sie definiert als:
„Person, die durch eine Elektrofachkraft über die ihr übertragenen Aufgaben und die möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie hinsichtlich der notwendigen Schutzeinrichtungen, persönlichen Schutzausrüstungen und Schutzmaßnahmen unterwiesen wurde.“
(DIN VDE 1000-10)
Tätigkeit nur unter Aufsicht und Leitung
Ein wesentliches Merkmal der elektrotechnisch unterwiesenen Person ist, dass sie elektrotechnische Arbeiten nicht eigenständig ausführt, sondern immer nur als Helfer einer Elektrofachkraft fungiert. Verbrieft findet sich diese Vorgabe im Abschnitt 5 der DIN VDE 1000-10 wieder, in dem eine fachliche Aufsicht und Anleitung gefordert wird:
„Die Tätigkeiten nach Abschnitt 1 dürfen grundsätzlich nur von Elektrofachkräften nach 3.1 oder 3.2 selbständig, von anderen Personen nur unter Leitung und Aufsicht von Elektrofachkräften nach 3.1 oder 3.2 durchgeführt werden, wobei den jeweiligen Tätigkeitsmerkmalen je nach Schwierigkeitsgrad entsprechend abgestufte Qualifikationsmerkmale zuzuordnen sind.“
(DIN VDE 1000-10)
Kein eigener Entscheidungsraum für elektrotechnisch unterwiesene Person
Die elektrotechnisch unterwiesene Person trifft bei ihren Tätigkeiten keine selbst zu verantwortenden Entscheidungen, sondern setzt eng begrenzt Vorgaben anhand konkret definierter Kriterien um. Anschaulich lässt sich dieses mit dem Abarbeiten von Checklisten vergleichen, in denen die beaufsichtigende Fachkraft die jeweiligen Kriterien für alle Handlungseventualitäten festgelegt hat.
Fachliche Aufsicht durch Elektrofachkraft zwingend erforderlich
Die Fachkraft hat die Verantwortung
Der beaufsichtigenden Elektrofachkraft kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie ist nach außen die handelnde Person und trägt die fachliche Verantwortung für die von ihr betreuten elektrotechnisch unterwiesenen Personen und deren Tätigkeit.
Anwesenheit der Elektrofachkraft nicht zwingend
Die angesprochene Beaufsichtigung und Anleitung ist dabei keineswegs als ständige körperliche Anwesenheit der Elektrofachkraft zu verstehen. Es ist lediglich sicherzustellen, dass die Arbeitsergebnisse von ausreichender Qualität sind und die unterwiesene Person sich bei Fragen oder Schwierigkeiten zeitnah mit der Elektrofachkraft abstimmen kann.
Darf eine EuP elektrotechnische Prüfungen nach Reparatur durchführen?
An dieser Stelle beantwortet unser Autor Ernst Schneider die aktuelle Frage eines Lesers, die uns zum Beitrag erreicht hat.
Im Februar 2021 wurde die DIN EN 50678 (VDE 0701): „Allgemeines Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen von Elektrogeräten nach der Reparatur“ veröffentlicht. Sie schreibt in Unterabschnitt 4 im 1. Satz eindeutig vor:
„Prüfungen nach der Reparatur dürfen nur von Elektrofachkräften ausgeführt werden“.
Der Einsatz von elektrotechnisch unterwiesenen Personen ist daher nicht normkonform!
Die informative Begündung in Anhang A Allgemeine Anleitung und Begründung, A1 Zielgruppe, erläutert dazu in etwas schwammigen Worten:
„Es wird davon ausgegangen, dass Anwender dieser Norm elektrotechnische Experten sind. Es wird davon ausgegangen, dass geeignete (standardisierte) Messgeräte verwendet werden. Das Prüfpersonal wird als ausreichend geschultes und unterwiesenes Personal angenommen. Diese Norm wendet sich nur an Experten, die über ausreichende Kenntnisse der zu prüfenden Geräte und ausreichende Kenntnisse aller anwendbaren Normen verfügen. Daher muss innerhalb des organisatorischen Rahmens sichergestellt sein, dass die Experten über die einschlägigen Sicherheitsvorschriften, die Gebrauchsanweisungen und Arbeitsanweisungen, die sich auf ihre Arbeit beziehen, sowie die besonderen Anforderungen an die zu prüfende Ausrüstung/Anlage ausreichendes Fachwissen besitzen. Es ist auch sicherzustellen, dass sie ihr Wissen kontinuierlich dem aktuellen Stand der Technik anpassen.“
Die Formulierungen „ausgegangen“ und „angenommen“ sind tatsächlich etwas missverständlich, aber aus den inhaltlichen Anforderungen wird meines Erachtens ganz deutlich, dass es sich hier nur um Elektrofachkräfte handeln kann und nicht um elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuPs gibt es übrigens nur in Deutschland). Wenn die DEK hier eine Ausnahme für elektrotechnisch unterwiesene Personen gewollt hätte, hätte sie dies auch als deutsche Abweichung in die deutsche Fassung DIN EN 50678 aufnehmen müssen.
Prüfung nach Reparatur nur durch Elektrofachkräfte!
Die Übergangsfrist der bisherigen DIN VDE 0701-0702 (VDE 0701-0702):2008-06 ist am 16.12.2022 definitiv abgelaufen. Seit diesem Zeitpunkt darf die Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen von Elektrogeräten nach der Reparatur ausschließlich und nur noch von Elektrofachkräften durchgeführt werden.
Elektrotechnisch unterwiesene Person einsetzen: Fazit
Nur mit einer EuP-Schulung für Nicht-Elektrofachkräfte, z.B. Hausmeister, ist es nicht getan. Zusätzlich muss Folgendes organisiert werden:
- Leitung und Aufsichtsführung durch Elektrofachkräfte
- Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Eignung der elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP) und der beaufsichtigenden Elektrofachkraft
- schriftliche Bestellung zur EuP inklusive Benennung des Aufsichtsführenden
- schriftliches Tätigkeitsprofil für die EuP
- Arbeitsanweisungen für die im Tätigkeitsprofil aufgeführten Tätigkeiten
- Kontrollen der EuP, inklusive Dokumentation der Kontrollen
Nur wenn die erforderliche Organisation des elektrotechnischen Bereichs im Unternehmen und damit eine verantwortliche Elektrofachkraft vorhanden ist, kann eine EuP rechtssicher einfache elektrotechnische Tätigkeiten übernehmen.
Eine Elektrofachkraft kann mithilfe dieser Schulungsunterlagen auch im Unternehmen selbst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu elektrotechnisch unterwiesenen Personen ausbilden, so dass kein externer Lehrgang mehr notwendig ist: