Darf man durch eine zusätzliche Not-Aus-Einrichtung den Brandschutz erhöhen?
Ein Unternehmen führt Tests mit hohen Strömen durch, weshalb im Fall eines Defekts eine erhebliche Brandgefahr besteht. Aus diesem Grund soll die Not-Aus-Einrichtung erweitert werden. Ist dies so zulässig und der Schutz ausreichend? Unser Experte weiß die Antwort.
In einem Unternehmen soll die Not-Aus-Einrichtung erweitert werden. Das Unternehmen führt Tests mit hohen Strömen durch (bis zu 350 Ampere), daher besteht im Fall eines Defekts eine erhebliche Brandgefahr. Im Moment ist eine Abschaltbox mit Temperaturüberwachung vorhanden. Diese beinhaltet eine Zwangsabschaltung, ausgeführt über Finder-Sicherheitsrelais. Hier wird die Bestromung abgeschaltet
- entweder durch Auslösen der Not-Aus-Einrichtung (Türöffner, Not-Aus),
- durch Abschalten des Klimaschranks (im Fall eines Defekts)
- oder durch Übertemperatur (> 170 °C) die Bestromung.
Not-Aus-Einrichtung so erlaubt?
Diese Abschaltung soll nun erweitert werden. Dabei sollen ein Shaker, eine Klimakammer und die Netzgeräte überwacht werden. Im Fehlerfall eines Geräts sollen alle anderen Geräte über deren Not-Aus-Eingang abgeschaltet werden. Ebenfalls sollen die Netzteile über ihre Signalleitungen überwacht werden. Hierbei soll überprüft werden, ob der Ausgang der Netzteile tatsächlich auf OUT-ON steht.
Das oben beschriebene Vorhaben soll mit der vorhandenen Abschaltbox und einer Siemens Logo zur Abschaltung des Shakers und der Klimakammer durchgeführt werden. Die Netzteile werden über die Abschaltbox abgeschaltet. Die vorhandenen Geräte sind: RMS-Shaker (RMS SW 8500-SWH701APP-TGE10-5), Weiß Klimakammer (im Prinzip ähnlich wie Weiß WK3-270/70/10), Heinzinger GEN10-400 (bis zu vier Stück parallel), JUMO iTRON 32 (zur Temperaturerfassung), Temperatursensor Typ K.
Nun stellt sich dem Unternehmen die Frage, ob der Not-Aus bzw. die Abschalteinrichtung so ausgeführt werden darf und ob dieser Schutz so ausreichend ist.
Verschiedene Ursachen für Defekte
Ein Defekt in der beschriebenen Anlage kann verschiedene Ursachen und Auswirkungen haben. Im Fall eines Defekts innerhalb der elektrischen Anlage (Körperschluss, Isolationsfehler) besteht eine erhöhte Brandgefahr.
Brandgefahr auch bei niedrigen Stromstärken
Für eine Brandauslösung sind nicht zwingend hohe Stromstärken erforderlich. Erfahrungsgemäß besitzen bereits Stromstärken < 100 Milliampere unter geeigneten Umgebungsbedingungen genügend Zündenergie, um einen Brand zu entfachen. Mit erhöhter Dimensionierung der Anlage steigt die zur Verfügung gestellte Anschlussleistung bei entsprechender Dimensionierung; die Energieversorgung wird erst bei einer wesentlich höheren Stromstärke durch einen vorgeschalteten Leitungsschutz abgeschaltet.
Eine fachgerechte Installation vorausgesetzt, verfügen höhere Stromstärken jedoch nicht unbedingt über eine höhere Zündenergie. Versicherungsstatistiken der Vergangenheit haben gezeigt, dass Brände in vielen Fällen von ortsveränderlichen Betriebsmitteln ausgelöst werden. Die Gründe liegen oftmals in einer fehlerhaften Dimensionierung oder Anwendung durch den Betreiber.
Feuergefährdete Umgebung
Entscheidend für die Brandentstehung ist neben dem Fehler innerhalb der elektrischen Anlage eine feuergefährdete Umgebung. Liegt dieser Sachverhalt vor, so muss der Betreiber der Betriebsstätte die entsprechende Einstufung gegenüber dem Feuerversicherer vornehmen und gleichzeitig die Richtlinien zur Schadensverhütung VdS 2033:2007-09 heranziehen. In diesen Richtlinien sind die Randbedingungen sowie daraus abzuleitende Maßnahmen definiert.
Im Abschnitt 3 der VdS 2033:2007-09 „Elektrische Anlagen in feuergefährdeten Betriebsstätten und diesen gleichzustellende Risiken“ ist Folgendes festgelegt:
„3.1 Feuergefährdete Betriebsstätten
sind nach den „Sicherheitsvorschriften für elektrische Anlagen bis 1.000 V“ (VDS 2046) Räume oder Orte oder Stellen in Räumen oder im Freien, bei denen die Brandgefahr durch
- die Art der verarbeiteten oder gelagerten Materialien,
- die Verarbeitung oder die Lagerung von brennbaren Materialien oder
- die Ansammlung von Staub oder Ähnlichem
verursacht wird.“
Vorgaben der DIN VDE 0100-420
Nach Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte sind besondere Vorschriften für die Installation und den Betrieb von elektrischen Anlagen zu beachten. Im Wesentlichen ist hier die VDE 0100-420 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-42: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen thermische Auswirkungen“ zu nennen, die auf die besonderen Eigenschaften der Betriebsmittel eingeht:
„Elektrische Betriebsmittel müssen so ausgewählt und errichtet werden, dass ihre Temperatur im bestimmungsgemäßen Gebrauch und die vorhersehbare Temperaturerhöhung im Fehlerfall ein Feuer nicht verursachen können.“
Diese allgemeine Bedingung beinhaltet u.a. besondere Anforderungen an den Schutzgrad der Betriebsmittel, die Beschaffenheit der Leitungsanlagen sowie die Absicherung der Energieversorgung.
Fehler müssen nicht zum Brand führen
Mithilfe dieser Maßnahmen führen Fehler innerhalb elektrischer Anlagen, wie sie hier vermutet werden, nicht zu einem Brand – vorausgesetzt, Installation, Betrieb und Instandhaltung erfolgten fachgerecht.
Der bauliche Brandschutz wird hier vernachlässigt, ist jedoch in der Praxis ein wesentlicher Bestandteil.
Not-Aus-Einrichtung: Leitungs- und Geräteschutz
Eine Erweiterung der Not-Aus-Einrichtung hat an dieser Stelle keinen nennenswerten Einfluss auf den elektrotechnischen Brandschutz, wie es die Fragestellung vermuten lässt.
Hier kann man den Tipp geben, sich in erster Linie auf den entsprechenden Leitungs- und Geräteschutz zu konzentrieren und somit eine brandgefährliche Situation, die von dem Gerät ausgehen könnte, zu minimieren.
Dies kann man z.B. durch Vorschalten eines RCDs (Residual Current Protective Device oder Fehlerstrom-Schutzschalter) erreichen. Weitere Maßnahmen könnten eine Überprüfung der Leitungsanlagen oder des Schutzgrads sein, dessen Verbesserung das Risiko von Erwärmungen oder Isolationsfehlern verringert.
Eingriffe in Sicherheitskreise mit dem Hersteller abstimmen
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Eingriffe in die Sicherheitskreise der einzelnen Geräte mit dem Hersteller abgestimmt werden sollten. Diese können in bestimmten Fällen dazu führen, dass man als Betreiber oder Instandhalter von Anlagen und Betriebsmitteln zum Hersteller derselben wird.
In diesem Fall müsste die Maschine unter Umständen einer erneuten Risikobewertung im Rahmen der Maschinen- und/oder Niederspannungsrichtlinie unterzogen werden, damit die Inbetriebnahme im Europäischen Wirtschaftsraum zulässig ist.
Erhöhung der vorbeugenden Instandhaltung
Um Fehler innerhalb des Geräts, die eine Abschaltung der Heizung im Normalbetrieb verhindern, zu vermeiden, empfiehlt sich eine Erhöhung der vorbeugenden Instandhaltung. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, so müsste die Auslegung der Maschine/Anlage grundsätzlich infrage gestellt werden. Der Hersteller sollte hier nähere Informationen zum Umfang und Ergebnis seiner Risikobeurteilung im Rahmen der Konformitätsbewertung geben können.