Anlagenbetreiber, Anlagenverantwortlicher und Arbeitsverantwortlicher
Anlagenbetreiber, Anlagenverantwortlicher und Arbeitsverantwortlicher sind Begriffe, die in der DIN VDE 0105-100 definiert werden. Doch häufig herrscht Unklarheit darüber, wie sich die Verantwortlichkeiten voneinander abgrenzen. Unser Fachbeitrag erklärt die Unterschiede.
Anlagenbetreiber, Anlagenverantwortlicher und Arbeitsverantwortlicher tragen im Rahmen der Elektrosicherheit übergeordnete Verantwortung. Lesen Sie hier, was die Funktionen unterscheidet.
Anlagenbetreiber (ANLB)
Jede elektrische Anlage muss laut DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen – Allgemeine Festlegungen“ unter der Verantwortung einer Person, des Anlagenbetreibers, stehen. Dies ist eine Person mit der Gesamtverantwortung für den sicheren Betrieb der elektrischen Anlage, der die Regeln und Randbedingungen der Organisation vorgibt. Der Anlagenbetreiber kann Eigentümer, Unternehmer, Besitzer oder eine beauftragte Person sein, die die gesetzlichen und tatsächlichen Unternehmerpflichten wahrnimmt.
Einige (aber nicht alle!) mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen dürfen auf andere Personen übertragen werden. Bei umfangreichen oder komplexen Anlagen darf die Zuständigkeit auch für Teilanlagen übertragen werden.
Weiterhin wird in der Norm erlaubt, dass die Rolle des Anlagenbetreibers von einer natürlichen Person aus der eigenen Organisationseinheit oder aus einer dritten Organisationseinheit wahrgenommen wird. Im Falle einer fremden Organisationseinheit sollten – so die DIN VDE 0105-100 – der Bereich der elektrischen Anlage sowie der Zeitraum der Verantwortlichkeit mit der Benennung dokumentiert werden.
Wichtig: Der Anlagenbetreiber muss keine Elektrofachkraft sein.
Anlagenverantwortlicher (ANLV)
Der Anlagenverantwortliche (ANLV) ist eine natürliche Person, die dazu berufen ist, während der Durchführung von Arbeiten die Verantwortung für den Betrieb der elektrischen Anlage bzw. der jeweiligen Anlagenteile zu tragen, die zur Arbeitsstelle gehören. Der Anlagenverantwortliche kann die möglichen Auswirkungen der Arbeiten auf die in seinem Zuständigkeitsbereich befindlichen Anlagen bzw. Anlagenteile und die Auswirkungen von diesen auf die vorgesehene Arbeitsausführung aufgrund seiner spezifischen Anlagenkenntnisse beurteilen.
Erforderlichenfalls können einige mit dieser Verantwortung einhergehende Verpflichtungen des Anlagenbetreibers temporär oder gänzlich auf andere, dem Anlagenverantwortlichen fachlich unterstellte Personen übertragen werden.
Wichtig: Der Anlagenverantwortliche muss Elektrofachkraft sein.
Anlagenverantwortlicher: die Anforderungen
Der Anlagenverantwortliche muss die folgenden Voraussetzungen mitbringen:
- fachliche Kenntnisse und Erfahrungen
- Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften und Normen
- Kenntnisse über den Betriebszustand der betreffenden elektrischen Anlage
- Fähigkeit, die Auswirkungen vorgesehener Arbeiten für den sicheren Betrieb dieser Anlage zu beurteilen
- Fähigkeit zum Erkennen der besonderen Gefahren, die bei Arbeiten an oder in der Nähe dieser elektrischen Anlage vorhanden sind.
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Eindeutige Regelung der Anlagenverantwortung
In vielen Fällen ist es nicht möglich, dass die Anlagenverantwortung ohne Unterbrechung einer einzigen Person übertragen wird. Beispielsweise muss bei Arbeiten, die über den Schichtwechsel hinausgehen, gewährleistet sein, dass der Arbeitsverantwortliche zu jeder Zeit auf einen zuständigen Ansprechpartner in Bezug auf den Anlagenbetrieb zurückgreifen kann.
Es muss daher organisatorisch sichergestellt werden, dass im Zusammenhang mit der Durchführung von Arbeiten an oder in der Nähe einer elektrischen Anlage auch die Anlagenverantwortung eindeutig und für den Arbeitsverantwortlichen erkennbar geregelt ist.
Anlagenverantwortlicher mit Weisungsbefugnis muss Elektrofachkraft sein
Anlagenverantwortlicher nach DIN VDE 0105-100 für eine Arbeitsstelle kann nur sein, wer mit den Arbeitsvorgängen innerhalb elektrischer Anlagen vertraut ist und die örtlichen Gegebenheiten kennt. Deshalb muss ein Anlagenverantwortlicher mit Weisungsbefugnis eine Elektrofachkraft sein.
Weisungsbefugnis bedeutet die Wahrnehmung von Führungsaufgaben. Die Weisungsbefugnis bezieht sich dabei auf erforderliche Maßnahmen an und zur Vorbereitung der Arbeitsstelle, z.B.:
- Anweisung zu Schalthandlungen
- Änderungen des Betriebszustands der elektrischen Anlage
- Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen oder Arbeitsverfahren
- Weisungen an den Arbeitsverantwortlichen
- Festlegung und Überwachung von Arbeitsabläufen
- Koordinierung von mehreren Auftragnehmern
Arbeitsverantwortlicher (ARBV)
Der Arbeitsverantwortliche ist nach DIN VDE 0105-100 diejenige Person, die benannt ist, an der Arbeitsstelle die unmittelbare Verantwortung für die Durchführung der Arbeit zu tragen. Erforderlichenfalls kann auch diese Verantwortung teilweise auf andere Personen übertragen werden. Für die Durchführung von Arbeiten an oder in der Nähe einer elektrischen Anlage ist ein Arbeitsverantwortlicher zu benennen.
Er trägt die Verantwortung dafür, dass alle einschlägigen Sicherheitsanforderungen, Sicherheitsvorschriften und betrieblichen Anweisungen bei der Durchführung der Arbeiten eingehalten werden.
Anforderungen an den Arbeitsverantwortlichen
Der Arbeitsverantwortliche muss die folgenden Voraussetzungen mitbringen:
- Kenntnisse über die übertragenen Arbeiten und Erfahrungen mit der Durchführung solcher Arbeiten
- Kenntnisse der für die Durchführung der übertragenen Arbeiten anzuwendenden Vorschriften und Normen
- Fähigkeit, die übertragenen Arbeiten zu beurteilen
- Fähigkeit zum Erkennen der mit den übertragenen Arbeiten verbundenen Gefahren
- Kenntnisse der zu treffenden Schutzmaßnahmen und Fähigkeit, diese umzusetzen
Aufgrund des genannten notwendigen Anforderungsprofils kommt als Arbeitsverantwortlicher in der Regel nur eine Elektrofachkraft in Frage.
Je nach Art der Tätigkeit kann aber auch eine elektrotechnisch unterwiesene Person die Funktion eines Arbeitsverantwortlichen übernehmen (z.B. kann die Aufsichtsführung bei Korrosionsschutzarbeiten an Freileitungsmasten durch eine elektrotechnisch unterwiesene Person erfolgen).
Wird eine Arbeit von mehreren Personen gemeinschaftlich ausgeführt, so hat der Arbeitsverantwortliche auch für eine geordnete Zusammenarbeit zu sorgen. In der Regel ist Arbeitsverantwortlicher der Kolonnenführer, Vorarbeiter oder der Aufsichtführende.
Anlagenverantwortlicher und Arbeitsverantwortlicher in der Praxis
Es kann zweckmäßig sein, dass die Funktion des Anlagenverantwortlichen und des Arbeitsverantwortlichen von ein und derselben Person ausgeübt wird. Diese Situation ergibt sich in der Praxis in vielen Fällen automatisch.
Durch das Fehlen des „Vier-Augen-Prinzips“ ist hier eine besonders gefährliche Situation gegeben, die durch Organisation und gewissenhaftes persönliches Verhalten ausgeglichen werden muss.
Arbeitsmethoden und Anlagenverantwortlicher
Jede vorgesehene Arbeit muss geplant werden. Entweder der Anlagenverantwortliche oder der Arbeitsverantwortliche muss sicherstellen, dass vor Beginn der Arbeiten die ausführenden Personen aufgabenbezogen unterwiesen werden.
Vor Beginn der Arbeit muss der Arbeitsverantwortliche dem Anlagenverantwortlichen die Art, den Ort und die Auswirkungen der vorgesehenen Arbeit auf die Anlage melden (vorzugsweise schriftlich!).
Nur der Anlagenverantwortliche darf die Erlaubnis für die vorgesehene Arbeit geben. Ein entsprechendes Verfahren muss auch bei Unterbrechung und Beendigung der Arbeit eingehalten werden.
Arbeiten im spannungsfreien Zustand (Fünf Sicherheitsregeln!)
Der Arbeitsverantwortliche erhält vom Anlagenverantwortlichen die Erlaubnis, die geplanten Arbeiten durchzuführen. Hat der Arbeitsverantwortliche eine oder mehrere Sicherheitsregeln nicht selbst durchgeführt, so muss er sich deren Durchführung vom Anlagenverantwortlichen bestätigen lassen. Hierzu gibt es eine „Schaltsprache““.
Nach der Übernahme der Anlage ist der Arbeitsverantwortliche für die Dauer der Arbeiten bis zu deren Beendigung verantwortlich für alle Arbeiten an der Anlage.
Unter Spannung setzen nach beendeter Arbeit
Wenn der Arbeitsverantwortliche sich davon überzeugt hat, dass die Arbeitsstelle wieder einschaltbereit ist, muss er dem Anlagenverantwortlichen die Beendigung der Arbeit und die Einschaltbereitschaft melden. Ab jetzt gilt die Anlage als unter Spannung stehend.