20.03.2019

Wasser wird auch für Logistik- und Rohstoffmärkte immer wichtiger

Flüsse sind zum Fließen da, meinte vor zehn Jahren Grünen-Chef Jürgen Trittin. So wie Luft zum Lüften? Derlei Engpassphantasien finden in der Wirklichkeit nur geringe Entsprechung. Zum Tag des Wassers am 22. März 2019 entdecken Forscher die vielfältige Bedeutung des Elements.

Logistik Wasser

Milliarden Menschen ohne Wasser

Die Zahl der Woche: 2,1 Milliarden Menschen weltweit haben nicht durchgängig Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dies geht aus dem Weltwasserbericht der Unesco hervor, den sie am 19. März 2019 in Genf vorstellte und aus dem dpa und epd zitieren.

Besonders betroffen sind dabei demnach ohnehin schon diskriminierte Gruppen. Selteneren Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen hätten Menschen, die ohnedies benachteiligt seien, sei es aufgrund ihres Geschlechts, Alters, sozioökonomischen Status oder ihrer ethnischen, religiösen sowie sprachlichen Identität. Dem Bericht zufolge kann mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung keine sicheren Sanitäranlagen nutzen.

Wasser kein Menschenrecht – aber ein unverzichtbares Element

„Sicheres Wasser und sichere sanitäre Einrichtungen sind Menschenrechte.“
So Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission, in einer ihr eigenen Ausweitung der 1948 von den Vereinten Nationen beschlossenen 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Die 30 Artikel formulieren lediglich ein gemeinsames Ideal. Es gibt keine einklagbaren Rechte auf materielle Bereitstellung irgendwelcher Lebensmittel. Wäre das so, dann hätte die Wasserversorgung kostenlos zu erfolgen.

Die UN – Profiteur der Wasserknappheit?

Es gibt die Vermutung, dass die Vereinten Nationen einer der Hauptprofiteure der weltweiten Wasserknappheit sein könnten. Ein Kurzfilm auf „ZDF info“ vom 16. März 2019 hat den Titel „Das Geschäft mit der Flucht – Wer an den Flüchtlingscamps verdient“. Er überrascht mit erstaunlichen Geschäftspraktiken der Weltfriedensorganisation in den weltweiten Lagern von Jordanien über Libanon oder Irak bis hin zur Türkei.

Nach „ZDF info“ sind 20 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Viele von ihnen leben in Lagern – weggeschlossen und unsichtbar für den Rest der Welt. In dieser Parallelwelt gelten für die Flüchtlinge neue Gesetze: die des Marktes. Mit den Lagern wird Geld verdient – und in ihnen.

Auch Privatunternehmen machen hier ihren Profit, und zwar mit diesen Produkten: schlüsselfertige Flüchtlingslager einschließlich fließendem Wasser in den Wohneinheiten, Springbrunnen in gigantischen Containeranlagen, Wasser in Flaschen, Dinge des täglichen Bedarfs in Plastik verpackt, Containerkrankenstationen, Küchen, Wäschereien – „alles, was man in einem Camp eben so braucht“, kommt eine Industrievertreterin zu Wort.

Darbende Flüchtlinge – besprengte Rasenflächen für UN-Mitarbeiter

Mehr als 20 Milliarden Euro werden, so geht es im Film weiter, mit der humanitären Hilfe Jahr für Jahr umgesetzt. Türöffner für die Firmen in diesem lukrativen Markt laut „ZDF info“: das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, finanziert u.a. von den westlichen Großmächten, allein im Jahr 2016 mit neun Milliarden Euro.

Beispiel Dadaab

Gezeigt wird das Beispiel von Dadaab. Mit rund drei Generationen von Flüchtlingen ist es eines der ältesten Flüchtlingslager der Welt. Es liegt in Kenia, unweit der somalischen Grenze. Hier gibt es kaum Wasser für die Flüchtlinge. Sie dürfen das Lager nicht verlassen, sie sind staaten- und heimatlos. Dadaab hat eine der höchsten Selbstmordraten der Welt und ist Zielscheibe der somalischen Al-Shabab-Miliz geworden, die hier junge Flüchtlinge rekrutiert.

Dann das Kontrastprogramm der Mitarbeiter des UNHCR und der NGOs: Sie leben in einem eigenen Lager, wenige Kilometer von den Flüchtlingen entfernt. Hier gibt es Grünanlagen, die mit Wasser besprengt werden, Bäume und Rosenbüsche. Die Mitarbeiter werden von der Polizei beschützt und einem britischen Sicherheitsunternehmen.

Unesco-Chefin: Indianer stark benachteiligt

Als Ergebnis der Studie bleibt: Über zwei Milliarden Menschen leben ohne sicheres Trinkwasser, 844 Millionen müssen mindestens eine halbe Stunde zur nächsten Wasserstelle laufen oder haben gar keinen Zugang zu Wasser. Selbst in Europa und Nordamerika haben 57 Millionen Menschen keine Wasserleitungen in ihren Häusern, wie Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay bei der Vorstellung des Berichts erklärte.

Mangelnder Zugang zu Sanitäranlagen

Auch der Zugang zu grundlegenden Sanitäranlagen bleibe 36 Millionen Menschen in Europa und Nordamerika verwehrt. Unter anderem seien indianische Gemeinschaften in Kanada stark benachteiligt. 40 Prozent von ihnen verfügten nur über minderwertiges Trinkwasser – angeblich mit gesundheitlichen Folgen.

Afrika am stärksten betrofffen

Die Hälfte der Menschen ohne ausreichenden Zugang zu sicherem Trinkwasser lebt dem Bericht zufolge in Afrika. Lediglich 24 Prozent der Bevölkerung in den Ländern südlich der Sahara verfügen demnach über einen solchen. Nur 28 Prozent nutzen sanitäre Einrichtungen, die sie nicht mit anderen Haushalten teilen müssen.

Unterschiede zeigen sich auch zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land. Slum-Bewohner zahlen demnach häufig zehn bis zwanzig Mal so viel für Wasser wie Bewohner von wohlhabenden Vierteln und erhalten dafür oft Wasser von schlechterer Qualität. Dabei sind Stadtbewohner meist besser gestellt als Bewohner ländlicher Regionen.

Wasser – Grundelement für Logistik und Wirtschaft

In Deutschland hingegen ist genügend Wasser vorhanden. Das ist an den hohen Verbrauchszahlen zu erkennen. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft verbrauchen die Deutschen durchschnittlich 123 Liter Wasser täglich. Der Löwenanteil (44 Liter) davon fließt in Dusche, Badewanne und Waschbecken, weitere 33 Liter verbrauchen die Bundesbürger für die Toilette. Weitaus weniger verbraucht der Einzelne für Essen, Trinken und Geschirrspülen, wie die Grafik von Statista zeigt.

Wasserverbrauch pro Kopf in Deutschland

Ob als Lebensmittel oder in der Landwirtschaft, ob für die Reinigung oder in der Logistik: Wasser ist für ein breites Spektrum von Nutzungen eine ganz wesentliche Grundlage. Damit sie erfolgen können, berufen sich Wissenschaftler nicht auf überhöhte angebliche Menschenrechte. Sie sehen mittlerweile dafür als Mittel der Wahl die ebenfalls alle Lebensbereiche erfassende Digitalisierung an. Vorreiter auf diesem Gebiet sind die Forscher der Zuse-Gemeinschaft. Deren Forschungsinstitute liefern mit ihrer Expertise wertvolle Antworten für einen fließenden Übergang der Wasserbranche ins Zeitalter der Digitalisierung.

Wasser – Transportmittel für umweltgerechte Mobilität

Wasser ist ein Medium, das elektrischen Strom ebenso wie Stoffe in den Boden und Verkehrsströme leitet. Dass Kanäle und Flüsse als Verkehrsadern künftig noch stärker pulsieren könnten, darauf deutet ein aktuelles Projekt des RIF Institutes für Forschung und Transfer hin. Das Dortmunder Forscherteam untersucht gemeinsam mit dem Duisburger DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V., wie eine dezentral gesteuerte Binnenschifffahrt für bedarfsorientierte und umweltgerechtere Mobilität sorgen kann.

Kern des Projekts: Die Forscher ermitteln anhand von Güterströmen und technischen Innovationen, inwieweit wieder verstärkt kleinere Schiffe beim Lastentransport zum Zuge kommen können. Eine Hauptursache für die Transportengpässe auf dem Rhein während des Niedrigwassers 2018 waren die Schiffseinheiten mit ihren für die niedrigen Pegelstände zu großen Tiefgängen.

„Die Chancen von Elektromobilität und autonomem Transport bieten in Kombination mit freien Kapazitäten in kleineren Häfen und Kanälen nahe der Ballungsräume an Rhein und Ruhr ideale Voraussetzungen für neue Logistiklösungen auf dem Wasser, die digitales Know-how mit den Vorzügen vorhandener Infrastruktur verbinden“,
erklärt RIF-Geschäftsführer Michael Saal.

Wasser – Teil der Daseinsvorsorge

In Deutschland sind laut Umweltbundesamt nur rund acht Prozent der knapp 10.000 Gewässer in gutem oder sehr gutem ökologischen Zustand. Wie sich problematische Spurenstoffe aus Abwässern entfernen lassen, untersucht derzeit die Gesellschaft zur Förderung der naturwissenschaftlich-technischen Forschung in Berlin-Adlershof (GNF).

Hier sind die Forscher Rückständen von Arzneimitteln wie beispielsweise Röntgenkontrastmitteln auf der Spur. Im Wasserkreislauf wirken sich solche Kontrastmittel schädlich aus. Das wollen die GNF-Forscher verhindern: Über einen Elektrolyseschritt und mit Hilfe von ultravioletter Strahlung haben sie nach eigenen Angaben vielversprechende Ergebnisse erzielt. Kontrastmittel wie der im Röntgen häufig eingesetzten Amidotrizoesäure sei selbst unter Einsatz von Ozon und Aktivkohlefiltern nicht beizukommen. Stattdessen könne man sie mit der Elektrolyse „sehr gut bekämpfen“, so der GNF-Vorsitzende Dr. Frank-Marc Krüger.

Wasser – Objekt der Digitalisierung

Beim Institut für Automation und Kommunikation (ifak) in Magdeburg sieht man Digitalisierung in der Wasserwirtschaft als dynamischen Prozess. Am ifak entwickelten schon vor 20 Jahren Forscher die Simulationssoftware „Simba“. Mit ihr kann man das dynamische Verhalten von Kläranlagen und Abwassersystemen analysieren und Abläufe in Kläranlagen simulieren.

So ermöglicht „Simba“ eine ganzheitliche Analyse von Kanalnetz, Kläranlagen, Schlammbehandlung, Fließgewässern und Automatisierung.

„Die Computersimulation komplexer technischer Systeme wird zunehmend zum Standardwerkzeug zur Verfahrensoptimierung und zur ganzheitlichen Bewertung von Automatisierungsprozessen“,
sagt Dr. Jens Alex, Abteilungsleiter Geschäftsfeld Wasser und Energie im ifak.

Zuse-Gemeinschaft vertritt bundesweite Industrieforschungseinrichtungen

Die Zuse-Gemeinschaft vertritt die Interessen gemeinnütziger, privatwirtschaftlich organisierter Industrieforschungseinrichtungen wie des ifak, der GNF, RIF oder DST.

„Ihre Arbeit erlangt durch den Stellenwert von Wasser auf Energie-, Logistik- und Rohstoffmärkten ebenso wie durch die Auswirkungen des Klimawandels erhöhte Aktualität“,
erklärt der Präsident der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Ralf-Uwe Bauer, anlässlich des Tages des Wassers am 22. März 2019.

Dem technologie- und branchenoffenen Verband gehören laut Mitteilung der Gemeinschaft bundesweit über 70 Institute an. Als praxisnahe und kreative Ideengeber des deutschen Mittelstandes übersetzen sie die Erkenntnisse der Wissenschaft in anwendbare Technologien. Außerdem bereiten sie so den Boden für Innovationen, die den deutschen Mittelstand weltweit erfolgreich machen und Wasser zu dem, was es in Wirklichkeit ist: kein einklagbares Recht, sondern ein kostbares Element des Lebens und vielfach genutztes Mittel für Ernährung, Industrie, Wirtschaft, Natur und Umwelt.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)