Vertragsrecht: Was tun bei Irrtum?
Ein Maschinenbauunternehmen hat die Lage bei seinem größten Kunden falsch eingeschätzt. Nun brechen Aufträge weg. Es werden alle Abteilungen angewiesen, die Kosten zu senken. Der Einkauf soll Überkapazitäten auf dem Lager unbedingt vermeiden. Dazu sind die mit den Lieferanten abgeschlossenen Mengenkontrakte zu halbieren. Die sind damit überhaupt nicht einverstanden. Kann der Einkäufer die mit den Lieferanten geschlossenen Verträge rückgängig machen? Wie sieht es an dieser Stelle im Vertragsrecht aus?
Im Vertragsrecht gilt: „Pacta sunt servanda“
„Verträge müssen gehalten werden“,
lautet die Grundregel im Vertragsrecht. Mit dem Vertrag verpflichten sich die Vertragsparteien, das im Vertrag Versprochene zu leisten.
Der Vertrag gibt (Rechts-)Sicherheit. Könnten Einkäufer und Verkäufer ihre Verpflichtungen einseitig einfach wieder aufheben, wäre es mit dieser Sicherheit vorbei.
Es gilt aber auch: Ein Vertrag kann angefochten werden
Es gibt Situationen, in denen eine der Vertragsparteien, egal ob Käufer oder Verkäufer, den Vertrag unbedingt rückgängig machen möchte.
Eine Möglichkeit ist die Anfechtung nach § 119 ff BGB. Eine Vertragspartei ficht ihre eigene Erklärung, ihr Angebot oder ihre Annahme an. Der Vertrag kann dann rückwirkend nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig werden.
Anfechten kann man, wenn man sich bei der Erklärung versprochen, vergriffen oder verschrieben hat und daher nicht das erklärt hat, was man eigentlich wollte.
Vertragsrecht: Beispiele für einen Anfechtungsfall
- Beispiel: Der Einkäufer bestellt aus Versehen 100.000 Stahlmanschetten statt 10.000 Stück.
- Beispiel: Eine Anfechtung ist auch möglich, wenn die Vertragspartei sich darüber geirrt hat, was seine Erklärung bedeutet: Der Einkäufer möchte den langjährigen Lieferanten X beauftragen, richtet das Auftragsschreiben aber versehentlich an einen anderen Lieferanten mit gleichem Namen.
- Beispiel: Ein anderer Anfechtungsfall ist der Übermittlungsirrtum. Die Aussage des Einkäufers wurde zum Beispiel durch den Dolmetscher falsch übersetzt.
- Beispiel: Oder es kann angefochten werden, weil ein Eigenschaftsirrtum vorliegt – der Einkäufer irrt sich über eine Eigenschaft des Vertragsgegenstandes oder eine Person, die im Geschäftsverkehr als wesentlich angesehen wird. Ein Beispiel dafür ist die Bebaubarkeit eines Grundstücks.
Kein Anfechtungsfall
Nicht zur Anfechtung berechtigt dagegen ein bloßer Motivirrtum: Eine Vertragspartei hat bei der Abgabe ihrer Willenserklärung Beweggründe, die später nicht gegeben sind. Sie irrt sich zum Beispiel über die Stabilität der politischen Verhältnisse oder glaubt, dass sie die Ware zum Schnäppchenpreis eingekauft hat und später stellt sich heraus, dass ein anderer Verkäufer die Ware 10 % billiger angeboten hätte.
Vorgehen bei Anfechtung
Die Vertragspartei, die sich geirrt hat, muss der anderen die Anfechtung unverzüglich, spätestens aber zehn Jahre nach Vertragsschluss erklären.
Um den Vertragspartner zu schützen, hat ihm die anfechtende Partei den Schaden zu ersetzen, den er erlitten hat, weil er darauf vertraute, dass der Vertrag wirksam ist.
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