Verbrennungsmotor: Logistik sieht kleine Chance
Verbrennungsmotor doch nicht vor dem Aus? Das gemeinsame Europabüro der Logistikverbände von BGL, FNTR und NLA sieht dafür eine Minichance. Der ambitionierte Kommissionsvorschlag zu CO2-Standards für Lkw erfordere ebensolche Ziele für alternative Kraftstoffe.
BGL unterstützt Deal
Wie den europäischen Green Deal auf realistische und erreichbare Weise umsetzen? Über diese Frage zermartert sich der gesamte Straßengüterverkehrssektor den Kopf, seit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen 2019 den EU-Green Deal aus der Taufe hob. Damit wollte sie den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die
- bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt,
- ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt,
- niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich lässt.
Im Sinne einer Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 hat die EU-Kommission Vorschläge für eine neue Klima-, Energie-, Verkehrs- und Steuerpolitik vorgelegt. Der BGL unterstützt den Deal und wird nicht müde, den Beitrag des Straßengüterverkehrs hierzu zu unterstützen. Ob Klimaschutz, Schadstoffe oder die Kreislaufwirtschaft: Im Programm finden sich etliche Initiativen zur Umsetzung des European Green Deal. Lesen Sie hierzu bitte unseren Beitrag „Ausblick 2022: Viele Umweltthemen auf der Agenda der EU-Kommission“.
Das Gemeinsame Büro
Das Gemeinsame Büro vertritt folgende Verbände:
- Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL) ist mit 7.000 angeschlossenen Mitgliedsunternehmen der führende Verband für Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung in Deutschland.
- Die Fédération Nationale des Transports Routiers (FNTR) ist mit 5.000 Mitgliedsunternehmen der führende Verband des Güterkraftverkehrs in Frankreich.
- Nordic Logistics Association (NLA) vertritt die führenden Güterkraftverkehrsverbände in Skandinavien mit rund 16.000 Mitgliedsunternehmen in
- Dänemark: Dansk Transport og Logistik – Danske Vognmænd (DTL);
- Norwegen: Norges Lastebileier-Forbund (NLF) und
- Schweden: Sveriges Åkeriföretag (SÅ) in enger Zusammenarbeit mit seinem assoziierten Mitglied Finnish Transport and Logistics (SKAL).
Grüner Übergang des Straßenverkehrssektors so schnell wie möglich
Der gesamte Straßengüterverkehrssektor widmet sich der Anpassung an neue klimaneutrale Energiequellen und verwandte Technologien. Der grüne Übergang des Straßenverkehrssektors sollte so schnell wie möglich und zu möglichst geringen Kosten für die Gesellschaft erfolgen, heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Gemeinsamen Büros der Logistikverbände BGL, FNTR und NLA. Man erkenne an, dass die Europäische Kommission auf die Argumente des Straßenverkehrssektor eingegangen sei. Sie habe ein 90-prozentiges CO₂-Reduktionsziel für schwere Nutzfahrzeuge für 2040 im Vergleich zu 2019 eingeführt. Damit bleibe eine kleine Tür offen für
- neue Lkw mit klimaneutralen Verbrennungsmotoren,
- statt eines kompletten Verbrennungsmotorverbots ab 2040.
Verbrenner-Aus von 2035 an
Autofahren ohne Treibhausgase: Auf dieses Vorhaben haben sich laut „Süddeutsche Zeitung“ Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments im Oktober 2022 verständigt. Künftig sollen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die Regelung soll 2035 in Kraft treten. Darauf haben sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments geeinigt, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Im Jahr 2026 soll die Entscheidung erneut überprüft werden können. Zudem ist im Kompromiss eine Bitte an die EU-Kommission festgehalten, zu überprüfen, ob der Einsatz von sogenannten E-Fuels für Autos künftig in Frage kommen könnte.
Um die Frage, ob der Verkauf neuer Verbrenner von 2035 an verboten werden sollte, hatte es längeren Streit in der Bundesregierung gegeben. Vor allem Liberale und Grüne vertraten unterschiedliche Positionen. So hatte sich etwa das Bundesumweltministerium für ein eindeutiges Verbrenner-Aus ausgesprochen.
Bei der Debatte ging es im Kern um die Frage, wie E-Fuels im Straßenverkehr eingesetzt werden könnten. Das sind synthetisch hergestellte Kraftstoffe, bei deren Produktion Treibhausgase gebunden werden. Nutzt man die Kraftstoffe in einem Motor, läuft dieser klimafreundlicher, weil das ausgestoßene CO₂ aus der Atmosphäre stammt. Kritiker merken aber unter anderem an, dass synthetische Kraftstoffe in anderen Sektoren wie Schiff- oder Luftfahrt deutlich dringender gebraucht werden als im Straßenverkehr.
Alternative Kraftstoffe für schwere Nutzfahrzeuge
Der Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe für schwere Nutzfahrzeuge stehe erst ganz am Anfang. Angesichts der ehrgeizigen CO2-Ziele liege es daher am Markt und an den EU-Mitgliedstaaten, gleichermaßen ehrgeizig zu sein beim Sicherstellen einer ausreichenden Infrastruktur zur Verteilung der alternativen Kraftstoffe in der Fläche wie eines angemessenen Energienetzes in Europa. Eine genaue Überwachung der Fortschritte beim Umsetzen der ehrgeizigen Ziele halten die Logistikverbände für wichtig, damit die Logistikketten nicht unterbrochen werden.
Batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Lkw kosten in absehbarer Zukunft immer noch das Zwei- bis Fünffache eines Lkw mit Verbrennungsmotor. Daher sei weiterhin finanzielle Unterstützung für Transportunternehmen zentral, die grüne Umstellung zu vollziehen, bevor die neuen Technologien wirtschaftlich umsetzbar seien.
Anerkennung erneuerbarer Kraftstoffe
Das Gemeinsame Büro fordert seit langem die Anerkennung erneuerbarer und ökologisch nachhaltiger Kraftstoffe neben Batteriestrom und Wasserstoff in der CO2-Verordnung der EU für schwere Nutzfahrzeuge (HDV). Dies bedeutet, dass die Transportunternehmen die in den kommenden Jahren kurzfristig verfügbaren Optionen – einschließlich erneuerbarer und klimaneutraler Kraftstoffe – nutzen könnten, ohne die Produktivität zu verringern oder die Stabilität der Lieferketten zu gefährden. Wir bedauern, dass im heutigen Vorschlag weitere klimaneutrale Kraftstoffe keinen angemessenen Platz gefunden haben.
Ende 2021 verabschiedete die Kommission das zweite Paket von Vorschlägen zur Unterstützung des Übergangs zu einem saubereren und umweltfreundlicheren Verkehr nach der Veröffentlichung der Strategie der Kommission für nachhaltige und intelligente Mobilität im Dezember 2020. Die Strategie ist ein Fahrplan, der den Sektor zu den Zielen des European Green Deal führt. Zur Unterstützung des Übergangs zu einer saubereren, grüneren und intelligenteren Mobilität im Einklang mit diesen Zielen hat die Kommission vier Vorschläge zur Modernisierung des Verkehrssystems der EU angenommen:
- Konnektivität und Verlagerung von mehr Fahrgästen und Gütern auf Schiene und Binnenschifffahrt,
- Ladepunkte, alternative Betankungsinfrastruktur und neue digitale Technologien,
- nachhaltige städtische Mobilität
- Auswahl verschiedener Verkehrsoptionen in einem effizienten multimodalen Verkehrssystem
Sie sollen Emissionen des Verkehrssektors um 90 Prozent senken helfen.
Intelligentes nachhaltiges TEN-V
Das TEN-V ist ein Netz von Schienen, Binnenwasserstraßen, Kurzstreckenseeverkehrsrouten und Straßen für das Gebiet der Europäischen Union. Sie verbindet 424 Großstädte mit Häfen, Flughäfen und Bahnterminals. Reisezeiten dazwischen soll es verkürzen. Um die fehlenden Verbindungen zu beheben und das gesamte Netz zu modernisieren, schlägt das Paket Folgendes vor:
- Tempo 160 km/h und schneller auf den großen TEN-V-Personenbahnstrecken bis 2040 und damit wettbewerbsfähige Hochgeschwindigkeitsbahnverbindungen in der gesamten Union.
- Mindestbefahrbarkeit von Kanälen und Flüssen an einer bestimmten Anzahl von Tagen pro Jahr, beispielsweise nicht behindert durch Wasserstände.
- mehr Umschlagterminals, verbesserte Umschlagkapazitäten an Güterterminals, kürzere Wartezeiten an Bahngrenzübergängen, längere Züge, um mehr Güter auf sauberere Verkehrsträger zu verlagern, und die Möglichkeit, Lkw im ganzen Netz per Bahn zu transportieren.
- Schaffung von neun europäischen Verkehrskorridoren unter Berücksichtigung von Schiene, Straße und Wasserstraße.
- neue Zwischenfrist bis 2040, um die Fertigstellung großer Teile des Netzes vor der Frist 2050 vorzuziehen für das breitere, umfassende Netz.
- bis 2040 neue Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen Porto und Vigo sowie Budapest und Bukarest.
- nachhaltige städtische Mobilität für die 424 Großstädte entlang des TEN-V-Netzes für emissionsfreie Mobilität und den öffentlichen Verkehr
- Mehr und bessere Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer.
Zunehmender Fern- und grenzüberschreitender Schienenverkehr
Die Schiene ist nach wie vor einer der sichersten und saubersten Verkehrsträger und steht daher im Mittelpunkt der Politik des Green Deals, die Mobilität in der EU nachhaltiger zu gestalten. Den TEN-V-Vorschlag begleitet ein Aktionsplan für den Fernverkehr und den grenzüberschreitenden Schienenverkehr samt einem Fahrplan weiterer Maßnahmen, den Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr bis 2030 zu verdoppeln und bis 2050 zu verdreifachen.
Um mehr Menschen zu ermutigen, den Zug für Auslandsreisen in Betracht zu ziehen, enthält der Aktionsplan Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden und Fernverkehr und zur Steigerung der Attraktivität von Bahnreisen für Fahrgäste. Die Aktionen umfassen u.a.:
- benutzerfreundliches multimodales Ticketing;
- Aufhebung überflüssiger nationaler technischer und betrieblicher Vorschriften;
- Kapazitätsmanagement für schnellere und häufigere grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsdienste;
- Leitlinien für die Trassenzugangsentgelte 2023 mit leichterem Zugang der Eisenbahnbetreiber zur Infrastruktur, mehr Wettbewerb und attraktivere Fahrpreise für Fahrgäste.
Bis 2030 will die Kommission den Start von mindestens 15 grenzüberschreitenden Pilotprojekten unterstützen, um den Ansatz des Aktionsplans vor dem Inkrafttreten der neuen TEN-V-Anforderungen zu testen.