Transportation-as-a-Service: Wenn der Roboter dreimal klingelt
Digitalisierung allerorten: demnächst könnte sie den Pizzaboten ersetzen. In den USA testet man bereits mit einem Pizzadienst per Auto ohne Fahrer. Transportation-as-a-Service (TaaS) ist das Schlüsselwort für Technologien, die ab 2021 marktfähig sein sollen – und nicht nur bei Pizzadiensten liefern wollen.
Per Touchpad zum knusprigen Transportgut
In Ann Arbor, Michigan, bringt ein Pkw frische Pizza zum Kunden – selbsttätig, ganz ohne Fahrer. Das ist Transportation-as-a-Service.
Steht der autonome Pizzabote vor der Haustür, genügt die Eingabe einer Zahlenkombination auf dem außen angebrachten Touchpad, dann fährt die Seitenscheibe herunter und gibt das knusprige Transportgut frei. Bereits 2021, so stellen die Projektpartner in Aussicht, werde ein solcher Lieferdienst im großen Stil marktfähig sein.
Alle TaaSen im Schrank
Transportation-as-a-Service (TaaS) liefert Waren auf Basis selbstfahrender Fahrzeuge. TaaS ist ein weiteres großes Thema im Mobilitätssektor neben Mobility-as-a-Service für den Personentransport und im umspannenden Markt für smarte Transportlösungen. Diese könnten die Branche schon in unmittelbarer Zukunft stark verändern, meint Johann Jungwirth in einem Beitrag für das „Handelsblatt“. Jungwirth ist Ingenieur und als Chief Digital Officer bei Volkswagen verantwortlich für digitale Transformation und Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge.
Für die Marktteilnehmer sieht Jungwirth in smarten Transportlösungen wie Transportation-as-a-Service eine riesige Chance. Der technologische Fortschritt beim Transport werde auch durch das gewaltige Wachstum von Lieferungen begünstigt.
Allein auf dem deutschen Paketmarkt nimmt Jungwirth zufolge die Zahl beförderter Sendungen um sechs bis acht Prozent pro Jahr zu. 2017 beförderten Kuriere hierzulande erstmals über drei Milliarden Sendungen. Mehr als 13 Prozent der Pakete und Briefe entfielen dabei auf den Onlinehandel, jede zweite Bestellung lief über Amazon.
Autonomer Paketlieferwagen
Google hat sich schon 2016 einen autonomen Paketlieferwagen patentieren lassen, der als mobile Packstation fungiert. Er steuert selbsttätig ein zuvor definiertes Ziel an, kommuniziert parallel mit den Kunden und vereinbart einen Übergabetermin – und zwar nicht nur für die Abholung, sondern auch für die Aufgabe von Sendungen. Schöne neue Zustellwelt.
Smart-Transport-Markt wächst
Der Transportmarkt basiert weitgehend auf Hardware und hat nur niedrige Margen. An der Transformation dieses Markts hin zu Dienstleistungen mit höheren Margen wollen viele mitverdienen. Schätzungen zufolge wird der Markt für smarte Transportlösungen allein in den USA von 72 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 220 Milliarden im Jahr 2021 anwachsen.
Die Kosten für autonome Transportfahrzeuge werden, so Jungwirth, nur etwa ein Zehntel so hoch sein wie im konventionellen Güterverkehr. Gewaltige Einsparungen könnten höhere Effizienz bringen. Autonome Fahrzeuge könnten theoretisch zu 100 Prozent ausgelastet werden. Auf menschliche Fahrer könne man verzichten. Dank dezentraler Liefertermine und Telematik sowie ressourcenschonender Fahrweise durch „Platooning” ließen sich Staus vermeiden.
Platooning: Zustellung im Konvoi
Platoon meint im Englischen den militärischen Zug oder Konvoi. Im zivilen Straßenverkehr beschreibt Platooning ein System, bei dem mehrere Fahrzeuge mit Hilfe eines technischen Steuerungssystems in sehr geringem Abstand hintereinander fahren können, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird.
Diese elektronische Kopplung mehrerer Fahrzeuge zu einem Verband soll, so Jungwirth, eine Energieeinsparung von bis zu fünf Prozent ermöglichen. Das System werde bereits von vielen großen Lkw-Herstellern in der Praxis erfolgreich getestet. Jungwirths Unternehmen Volkswagen gehört über die Marken MAN und Scania zu den größten Lkw-Herstellern.
Transportation-as-a-Service läuft mit selbstfahrenden Transportmitteln elektrisch, gerade im Bereich der Warenzustellung. Nur ein lokal emissionsfreier Antrieb gewährleiste jederzeit eine nachhaltige, pünktliche Zustellung auf der letzten Meile. Hinzu kämen eine deutlich geringere Lärmemission. Dadurch könnten die Fahrzeuge auch in Wohngebieten rund um die Uhr im Einsatz sein – und das zu Wartungskosten, die um die 60 Prozent reduziert sind.
Entwicklung von Transportation-as-a-Service
Jungwirth hält eine Entwicklung in mehreren Schritten für wahrscheinlich.
Schritt 1: Self-Driving-System
Sobald selbstfahrende Fahrzeuge die Zulassung bekommen und Fahrt aufnehmen, wird sich im Mobilitätsmarkt einiges verändern. Viele Unternehmen investieren aktuell Milliarden in autonomes Fahren. Folge: bessere Auslastung von Transportkapazitäten, spürbare Auswirkungen auf die Lebensqualität in Städten, große Transportflotten, die autonom agieren und durch zentrales Management intelligent verteilt sind, Rückgewinnung von Stadtraum für den Menschen, Rückgang der Gesamtzahl der benötigten Fahrzeuge aufgrund stark gesteigerter Auslastung.
Schritt 2: Produktion selbstfahrender Trucks
Transportfahrzeuge können autonom fahren. Schon jetzt bewältigen große Lkw mit einer Nutzlast von über zehn Tonnen eine Reichweite von 350 Kilometern. Die Automatisierung der gesamten Lieferkette kann deren Einsatz noch effizienter machen.
Schritt 3: Intelligentes Flottenmanagement
Nach dem Muster der Free-Floating-Konzepte von Carsharing-Betreibern werden Daten aggregiert und evaluiert. Künstliche Intelligenz in der Mobilität bedeutet Nachfrageprognose auf höchstem Niveau. Smart Maintenance ermöglicht Wartung und Aufladung der Fahrzeuge im Bestand ohne Lücken. Zentral gesteuert über eine cloudbasierte Plattform, organisiert sich der Schwarm der autonomen Transporter in Echtzeit.
Schritt 4: Mobilitäts-Management mit Anwendungen für den Endkunden
Kurier-Express-Paketdienste dokumentieren jeden Paketkilometer analog zum Personenkilometer im ÖPNV, um die Transportleistung im gesamten Netzwerk einheitlich zu messen.