15.12.2022

Seewindkraftanlagen: Kein Platz an Land

In Nullkommanichts stand der LNG-Anleger in Wilhelmshaven, der erste seiner Art in Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnet ihn am 17.12.2022. In Cuxhaven stellt man Weichen für den Ausbau des Hafens. Es mangelt an Abstellflächen für tonnenschwere Windkraftanlagen.

Seewindkraftanlagen

Gesucht: Lagerfläche für 500-t-schwere Maschinenhäuser

Windräder in der Nordsee sollen bis 2030 viermal so viel Strom erzeugen wie heute. Neue Probleme neben dem Abtransport des Stroms ins Hinterland und in den Süden des Landes beginnen nun an Land. Wie das ZDF berichtet, besteht im Hafen Cuxhaven akuter Mangel an Lagerfläche für die 500t schweren Maschinenhäuser einer Windkraftanlage auf See, die Siemens-Tochter Gamesa dort baut. Kristoffer Mordhorst, Produktionsleiter Siemens Gamesa Renewable Energy in Cuxhaven, kommt in dem TV-Bericht wie folgt zu Wort:

„Wir wollen bis zum Ende der Dekade 8 Gigawatt (GW) hinzubauen, also ungefähr so viel, wie wir jetzt schon hier stehen haben. Eine immense Herausforderung. Dafür brauchen wir mehr Hafenkapazitäten, die derzeit nicht da sind.“

Vorgaben für See-Strom

Der auf See produzierte Strom soll ausgebaut werden, laut ZDF-Bericht:

  • von derzeit 7,8 GW
  • Bis 2030 auf mehr als 30 GW
  • Bis 2035 auf mehr als 40 GW
  • Bis 2045 auf mehr als 70 GW

Laut dem Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz – WindSeeG) soll die installierte Leistung von an das Netz angeschlossenen Windenergieanlagen auf See gesteigert werden:

Für diese Steigerung sollen demnach folgende Regeln gelten:

  • Kosteneffizienz
  • unter Berücksichtigung der für Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms erforderlichen Netzkapazitäten

Erforderliche Offshore-Anbindungsleitungen

Der Ausbau ist mit dem Ausbau der für die Übertragung des darin erzeugten Stroms erforderlichen Offshore-Anbindungsleitungen unter Berücksichtigung der Netzverknüpfungspunkte an Land zu synchronisieren. Damit will der Gesetzgeber einen Gleichlauf sicherstellen von:

  • den jeweiligen Planungen
  • Zulassungen
  • Errichtungen und
  • Inbetriebnahmen.

Der Hafenstandort Cuxhaven werde dabei immer mehr zum Nadelöhr, heißt es in dem TV-Bericht. Der Logistikexperte Prof. Dr. Jan Ninnemann von der Hamburg School of Business Administration (HSBA) geht nicht davon aus, dass die in den nächsten drei Jahren entstehenden Kapazitäten ausreichen werden, um die geplanten Mengen an Windkraftanlagen in die Nordsee zu befördern. Ninnemann: „Wir brauchen weitere Standorte.“

Hafeninfrastruktur rund um die Nordsee

Auch Dänemark und die Niederlande bauen die Windkraft an See aus. Der Druck auf die Hafeninfrastruktur rund um die Nordsee werde, so der ZDF-Bericht, werden zunehmen. Wie es gelingen könnte, zeigt das Beispiel beim Aufbau einer LNG-Infrastruktur in Wilhelmshaven. Dazu der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) in dem Bericht: „Was uns beim fossilen LNG gelungen ist, müssen wir übertragen auf die Offshore-Energie.“ Betroffen sei zudem der Ausbau der Netze. Wenn es mit der Geschwindigkeit des LNG-Ausbaus nur ansatzweise gelingen würde, den Ausbau der Offshore-Energie voranzutreiben, hält Lies das Ausbauziel für erreichbar.

Der Weg des Gases
Der Weg des Gases

Erstes, staatlich initiierte LNG-Terminal Deutschlands

Am 17. Dezember 2022 soll das erste, staatlich initiierte LNG-Terminal Deutschlands im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Betrieb genommen werden. Schon fünf Tage später, am 22. Dezember, soll das erste Gas eingespeist werden, berichtet Heise Online und beruft sich auf eine Mitteilung des staatlichen Gasunternehmens Uniper.

Hoegh Esperanza  in Wilhelmshaven erwartet

Dieses erste Gas bringe das Regasifizierungsschiff „Hoegh Esperanza“, das in dieser Woche in Wilhelmshaven erwartet wird. Die Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) diene eigentlich als Zwischenspeicher und zur Regasifizierung des -162 Grad kalten, flüssigen Erdgases. Sie ist das Herzstück der zunächst schwimmenden Terminallösung. Laut Uniper wird das Schiff unter norwegischer Flagge 170.000 Kubikmeter LNG mitbringen – etwas weniger als der halbe durchschnittliche Gas-Tagesverbrauch Deutschlands an einem Novembertag.

LNG-Terminal Wilhelmshaven mit weniger als ein Jahr Bauzeit

Wie Heise Online weiter berichtet, befand sich die „Hoegh Esperanza“ am Montag noch auf dem Atlantik vor Frankreich. Sie wurde zuletzt in Brest einer vorgezogenen Wartung unterzogen und in Teilen umgebaut. Nach Inbetriebnahme des LNG-Terminals in Wilhelmshaven soll das Schiff laut Uniper langsam die Gaszufuhr hochfahren. Ab Mitte Januar soll der kommerzielle Betrieb mit etwa 155 Gigawattstunden pro Tag aufgenommen werden.

Bis acht Prozent des deutschen Gasbedarfs

Dann werde auch der erste LNG-Tanker an der FSRU festmachen. Die FSRU werde die nächsten 10 Jahre an der Jade stationiert sein und könne bis acht Prozent des deutschen Gasbedarfs decken. Unter Volllast können bis zu 70 LNG-Tanker pro Jahr entladen werden. Laut Uniper waren für das schon länger geplante LNG-Terminal in Wilhelmshaven fünf Jahre Bauzeit vorgesehen. Aufgrund des Ausbleibens russischer Gaslieferungen nach Deutschland entschloss sich die Bundesregierung, mit LNG-Terminals den Ersatz russischen Gases zu ermöglichen.

Beschleunigungsgesetz kann Bauzeit verkürzen

Durch ein Beschleunigungsgesetz konnte die Bauzeit auf weniger als ein Jahr reduziert werden. Die Arbeiten an der 26 Kilometer langen Pipeline zwischen LNG-Terminal und dem Gasfernleitungsnetz wurden mit der symbolischen letzten Schweißnaht beendet. Die Rohrverbindung führt ins ostfriesische Etzel, wo in unterirdischen Salzkavernen Gas eingelagert wird und Anschluss an das deutsche Gasnetz besteht. Sie entstand wie das LNG-Terminal binnen weniger Monate und befinde sich seit Kurzem schon komplett in der Erde.

Der Bund ist gefordert

Der Ausbau des Cuxhavener Hafens sei bei weitem nicht ausreichend, heißt es in dem ZDF-Bericht unter Berufung auf Logistiker. Vielmehr müsste noch getan werden bei der Hafen-Infrastruktur. Das könne ein Land nicht alleine schaffen, richtet Holger Banik, Geschäftsführer der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG (NPorts) sowie der JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG einen Appell in die Kamera. „Das kann auch ein Unternehmen nicht alleine schaffen. Dazu brauchen wir den Bund.“ Der müsse über die Nationale Hafenstrategie bestimmen, was er gegebenenfalls bereit wäre, mit zu fördern. Es liege in der Gestaltung der Häfen, wie die Zukunft Deutschlands aussehe. Die Weichen dafür würden derzeit gestellt, schließt der ZDF-Bericht.

Gamesa hat bereits ausgebaut

Bereits 2020 hat Siemens Gamesa Renewable Energy weitere Bauflächen im Cuxhavener Hafengebiet erworben. Wie „Business People Magazin“ damals berichtete, handelt es sich dabei um eine Erweiterungsfläche von mehr als 200.000 Quadratmetern. Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD), Peter Miesner, Geschäftsführer der Cuxhafen GmbH, sowie Pierre Bauer, Geschäftsführer der Siemens Gamesa Renewable Energy Deutschland, hatten damals eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Cuxhaven bleibe damit wichtigster Standort für Siemens Gamesa.

„Mit dem Kauf weiterer Flächen wird neben dem Standort auch die Bindung zwischen Cuxhaven und Siemens gefestigt“, betont Santjer.
Cuxhaven bleibe fester Bestand in der Offshore-Industrie. Miesner, der den Kauf mit Santjer begleitete und abschloss, ist stolz auf das Vertrauen von Siemens Gamesa in Cuxhaven. Damit würden künftige Generationen der Offshore-Windturbinen von Siemens Gamesa in Cuxhaven gefertigt werden können. „Der Kauf geschah mit Blick auf eine langfristige Perspektive und das globale Wachstumspotenzial der Offshore-Windindustrie“, erläutert Bauer. Man sei sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit. „Starke Partnerschaften wie diese helfen uns, weltweit führend in der Offshore-Windindustrie zu bleiben und den Märkten in aller Welt fortschrittliche Technologie zur Verfügung zu stellen.“

Gamesa seit 2017 in Cuxhaven

Das Werk von Siemens Gamesa am Standort Cuxhaven wurde 2017 eröffnet auf einer Fläche von rund 55.000 Quadratmetern mit einer bis zu 32 Meter hohen Fertigungshalle. Davon hatte sich damals ausreichend Platz versprochen, um die Maschinenhäuser und Acht-Megawatt-Windturbinen, tonnenschwere Komponenten moderner Windenergieanlagen, in eigenen Fertigungslinien unter einem Dach zu produzieren.

Die ersten Turbinenanlagen wurden im Februar 2018 von knapp 600 Mitarbeitern in Cuxhaven hergestellt und an Windparks in der ganzen Welt geliefert. Die Anlagenkapazität entspricht rund 250 Turbinenanlagen pro Jahr. Dies entspricht nach Angaben von Siemens Gamesa einer Energieversorgung mit sauberem Strom für mehr als zwei Millionen Haushalte und einer Einsparung von mehr als fünf Millionen CO2-Emissionen.

Aufstrebender Logistikstandort Cuxhaven

NPorts will den Standort Cuxhaven fit für die Zukunft machen mit Planungen von:

  • rund 4,2 Millionen Euro für Investitionen
  • rund 5,1 Millionen Euro für Instandhaltungsmaßnahmen

Trotz Corona-Pandemie war NPorts in der Lage den Hafen durchgehend offen zu halten. Banik: „An der Fülle von Projekten und Maßnahmen hat sich nichts geändert. In Cuxhaven wird auch 2021 viel geplant, gebaut und in die Zukunft investiert.“ Das zeige sich an einem größeren Innovationsprojekt des Jahres 2021: der Neubau des Werkstattgebäudes des Bauhofs. Neben einer Modernisierung und energieeffizienten Beleuchtung der Werkstätten und Sozialräumen, soll es hier eine eigene Ausbildungswerkstatt geben. Knapp 18 Kilometer umfasst das Gleisnetz im Cuxhavener Hafen. Über 3300 Zugfahrten gab es hier 2020. Dementsprechend wichtig sei die Unterhaltung dieses Verkehrsträgers. Geplant sei ein Neubau wichtiger Aufstellgleise. Eine weitere Investition betrifft den Bau eines Waschhauses am beliebten Wohnmobilstellplatz direkt im Hafen. Für den Lückenschluss von Liegeplätzen wurden bereits 2019 Proberammungen durchgeführt.

Ausweichmöglichkeit Hafen Stade

Im Hafen Stade, der ebenfalls in der Verantwortung der NPorts-Niederlassung Cuxhaven liegt, soll eine Machbarkeitsstudie für die Möglichkeit einer Nordhafenerweiterung erkunden. Der Fokus liegt auf der Schaffung eines wirtschaftlich attraktiven und wachstumsorientierten Mehrzweckbereichs im Hafen. Dieser soll durch den Anschluss der Hafenbahn an das Bahnnetz eine leistungsfähige Anbindung zum Hinterland bekommen. Das Scoping-Verfahren für den Anleger für verflüssigte Gase in Stade sei weitestgehend abgeschlossen.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)