Logistik-Dokumente: Der lange Weg zur digitalen Lieferkette
Die komplett durchdigitalisierte Lieferkette – mittlerweile fast so eine Schimäre von Technikern wie das papierlose Büro? Für eine Seefracht beispielsweise sind Ladescheine, Seefrachtbriefe und eine Vielzahl von Begleitpapieren mitzuführen. Das soll künftig auch digital gehen.
Auf dem Weg zur digitalen Lieferkette
Die Logistik befindet sich auf dem Weg zu einer vollständig digitalen Lieferkette. So eine Vorstellung, die immer öfter die Runde macht. Wer jedoch Waren international über eine längere Strecke mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln wie Lkw, Bahn oder Schiff transportiert, sieht sich noch immer mit einer Vielzahl von Dokumenten konfrontiert. Sie sind zudem nur teilweise maschinenlesbar und folgen unterschiedlichen Standards.
Papierkrieg auf dem Schiff
Für eine Seefracht müssen transportierende Unternehmen beispielsweise laut dem Zoll einplanen, die Ware zunächst bis zum Hafen zu schaffen und auf dem Schiff einen Container zu mieten. Für die Lieferung sind die Incoterms anzuwenden, die den Gefahrenübergang regeln. Die gebräuchlichsten Klauseln sind
- EXW (ex works),
- FOB (free on board),
- DAP (delivery at place) und
- CFR (Cost and freight).
Diese Klauseln müssen auch der Spedition und dem Zoll angegeben werden. Die wichtigsten Dokumente, die bei der Seefracht beigefügt werden müssen, sind:
- Bill of Lading (B/L), auch Konnossement genannt, fungiert als Ladeschein und belegt den Besitzanspruch des Inhabers auf die Ware.
- Seefrachtbrief als Nachweis für die Übergabe der Ware an den Frachtführer.
- Begleitpapiere wie z. B. die Handelsrechnung des Lieferanten
Chancen der Digitalisierung für die Transportkette
Um die Chancen der Digitalisierung für die Transportkette aufzuzeigen, hat der Digitalverband Bitkom in einem aufwendigen Praxisversuch mit Hilfe digitaler Technologien wie GPS-Trackern und Datenplattformen einen Container verfolgt:
- vom Hersteller in Deutschland
- über Bremerhaven
- Zwischenstopp in Sines (Portugal)
- nach Vancouver (Kanada).
Sechs elektronische Dokumente
Dabei gingen an zehn Stellen Dokumente von Hand zu Hand, sechs in elektronischer und maschinenlesbarer Form, sieben in physischer Form, also entweder auf Papier oder in einem elektronischen Format wie PDF, das in erster Linie für Menschen einfach zu lesen ist und sich nur eingeschränkt für die Datenverarbeitung eignet. An drei Stellen wurden Dokumente in beiden Formaten weitergegeben.
Die Logistik setze bereits auf digitale Technologien. Aber es herrsche noch zu oft „Silo-Denken“ vor, wie Florian Lange, Referent Handel und Logistik beim Bitkom, es nennt. Häufig liefen IT-Systeme parallel. Zudem verzichte man auf einen vollständigen Datenaustausch.
Lange: „Mit dem Logistikexperiment wollen wir verdeutlichen, dass es sich lohnt, Daten auszutauschen und zu teilen und an welchen Stellen es in der Praxis noch hakt.“
Medienbrüche vermeiden
Angestrebt sind digitalisierte Lieferketten ohne Medienbrüche. Gefordert sind Lange zufolge zum einen die an der Logistik beteiligten Unternehmen. Sie sollen anfallende Dokumente und Daten ohne Zwischenschritte in die IT-Systeme der Partner übermitteln können.
Aber auch die Behörden müssen die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, etwa indem elektronische Frachtpapiere überall akzeptiert werden. Nach einer Bitkom-Umfrage bevorzugt eine Mehrheit von 88 Prozent der Unternehmen, die Waren transportieren, künftig eine anerkannte digitale Variante der Frachtpapiere.
Technologische Entwicklungen wie die Blockchain oder Künstliche Intelligenz ermöglichten in der Logistik völlig neue Anwendungen, so Lange. Dazu müssten allerdings die anfallenden Daten digital und in einer für IT-Systeme verständlichen Form vorliegen.
„Datenplattformen wie sie im Bitkom-Experiment verwendet wurden, können künftig allen Beteiligten noch bessere Einblicke in Echtzeit in den Versandprozess liefern“, so Lange. „Mit Blick auf die Entwicklung digitaler Währungen bietet sich zudem die Chance, perspektivisch auch die Abwicklung von Zahlungen über eine solche moderne Logistik-Infrastruktur abzuwickeln.“
Ergebnis: Transportprozess digital funktioniert
Im Experiment konnte, so die Experten in einem White Paper, durch die Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder ein vollständiger Transportprozess digital abgebildet werden. Durch den Vergleich des geplanten und des tatsächlichen Sendungsverlaufs konnten Planungsungenauigkeiten und deren Ursachen aufgedeckt werden.
Der Arbeitskreis stellte eine detailgenaue Sammlung der im Transport relevanten Dokumente und Nachrichten zusammen, die für künftige und andersartige Transportketten eine Basis bilden und unmittelbar Digitalisierungs- sowie Optimierungspotenzial offenbart. Dabei konnten sowohl physische Dokumente zu verzeichnen (PDF), als auch elektronische Nachrichten in Form von unterschiedlichen EDIFACT-Nachrichtentypen erfasst werden:
- Transportdokumente (PDF und elektronisch): Buchungsbestätigung MSC, Wiegezertifikate und Seefrachtbrief
- Transportdokumente (PDF): Buchungsbestätigung Speditionsunternehmen, landseitiger Transportauftrag, Ausfuhrbegleitdokument (Ausfuhranmeldung am Zoll durch Warenbeschreibung) und Lieferschein
- Transportdokumente (elektronisch): Container Statusmeldungen (z.B. Gate-in/Out), Container-Ladeliste, Buchungsbestätigung und Seefrachtbrief
Das Experiment eröffnete Einblicke in die Perspektiven verschiedener Stakeholder und habe eine umfassendere Sichtweise ermöglicht. Das dadurch gewonnene Problemverständnis finde bei zukünftigen Prozessoptimierungen Anwendung.