Lidl startet eigene Müllentsorgung
Frische Produkte, Gegenstände des täglichen Bedarfs, Milch, Käse, Wurst – so kennt man den Discounter Lidl. Dessen Mutterkonzern Schwarz-Gruppe schlägt jetzt eine neue Seite der Unternehmensgeschichte auf. Er will Müll in Eigenregie entsorgen – wie eine Reihe anderer Konzerne auch.
Lidl: Schwarz-Gruppe gründet eigenes duales System
Künftig will der Mutterkonzern der Discounterkette Lidl seine Müllentsorgung in Eigenregie betreiben. Das berichtet das „Manager Magazin“. Demzufolge will die hinter Lidl stehende Schwarz-Gruppe künftig auch in der Abfallwirtschaft eine Rolle spielen. Als erstes Handelsunternehmen hat die Gruppe nun ein eigenes duales System gegründet. Das bestätigte eine Firmensprecherin.
Bisher gibt es neun solcher Systeme für Abholung, Sortierung und Verwertung von Abfall in Industrie und Handel. Das bekannteste ist die Firma DSD, welche die Markenrechte am Recycling-Zeichen „Grüner Punkt“ hält. Für die Organisation von Eigenmarken-Verpackungsmüll zahlt Lidl bisher nach Branchenschätzung zwischen 70 und 80 Millionen Euro im Jahr.
Tönsmeier jetzt auch bei Schwarz
Mit dem neuen Vorhaben setzt die Schwarz-Gruppe ihre Expansion auf dem Abfallmarkt fort. Im Sommer hatte sie den fünftgrößten privaten deutschen Entsorger übernommen, die Firma Tönsmeier aus Porta Westfalica (NRW). Die durch Lebensmittelläden wie Lidl und Kaufland bekannte Schwarz-Gruppe hat die Erlaubnis zur Übernahme des Entsorgungsunternehmens Tönsmeier erhalten. Angesichts nur geringer Überschneidungen bei den Geschäftstätigkeiten gebe es keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Das meldet die deutsche Presseagentur unter Berufung auf die zuständige EU-Kommission.
Die Schwarz-Gruppe macht bislang vor allem im Lebensmittel-Einzelhandel Geschäfte. Die Karl Tönsmeier Entsorgungswirtschaft GmbH & Co. KG sammelt und verwertet Abfälle. Das ebenfalls zur Tönsmeier-Gruppe gehörende Unternehmen Tönsmeier Dienstleistung GmbH & Co. KG betreibt ein Müllheizkraftwerk.
Die Tönsmeier-Gruppe ist nach eigenen Angaben das fünftgrößte Entsorgungsunternehmen in Deutschland. Sie beschäftigt in Deutschland und Polen mehr als 3.000 Mitarbeiter. Den Plänen zufolge wird sie künftig zu dem Unternehmen GreenCycle der Neckarsulmer Schwarz-Gruppe gehören. Dieses erbringt für die Unternehmen der Schwarz-Gruppe Entsorgungs- und Recyclingdienstleistungen.
Die Übernahme war Anfang Juli 2018 angekündigt worden. Über den Kaufpreis gab es keine Angaben. Käme das Geschäft zustande, müsste das Bundeskartellamt der Übernahme zustimmen.
PreZero Dual deckt Abfallkette ab
Das neue duale System der Schwarz-Gruppe firmiert unter dem Namen „PreZero Dual GmbH“. Sie deckt künftig die komplette Abfallkette ab – von der Organisation der Abholung in einem dualen System bis hin zur Sortierung und Verwertung. Das sei ein ganz neuer, großer Marktteilnehmer, der die ganze Branche gehörig unter Druck setzen werde, zitiert das Magazin nicht näher benannte Branchenkreise.
PreZero Dual dürfte allerdings erst 2020 seine Arbeit voll aufnehmen. Vorher seien noch Behördengänge und andere Absprachen für Zulassungen nötig. Bis Ende 2019 läuft noch der Lidl-Vertrag mit dem Kölner Unternehmen Interseroh zur Entsorgung für Lidl. Danach werde die Tochterfirma des Berliner Alba-Konzerns wohl ihren besten Kunden verlieren. Eine Alba-Sprecherin wollte sich zu dem Thema nicht äußern.
Schätzungen zufolge stammt etwa ein Zehntel des Verpackungsmülls im deutschen Handel von Lidl. Der neue schwäbische Systembetreiber dürfte auch die Müllorganisation für die Supermarktkette Kaufland übernehmen, die auch eine Schwarz-Tochter ist. Vom Konkurrenten Aldi ist bisher kein ähnliches Vorhaben bekannt.
Hintergrund der Entscheidung ist eine Regeländerung, die ab 2019 gilt und aktuelle Probleme am Müllmarkt beseitigen soll. Danach soll eine objektive Instanz, eine „Zentrale Stelle“, umfassenden Einblick in Daten zur Müllmenge von Händlern, Industrie und dualen Systemen bekommen. Hierdurch wiederum soll verhindert werden, dass schwarze Schafe unter den Systembetreibern schummeln und Kosten auf Konkurrenten abwälzen.
Remondis übernimmt DSD
Unterdessen bahnt sich in der deutschen Müll- und Recyclingbranche eine weitere Verschiebung an. Über einen möglichen Einstieg des Branchenriesen Remondis beim Grünen Punkt-Eigner „DSD“ – Duales System Deutschland – berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). Remondis könne demnach den 80-prozentigen Anteil der Finanzinvestoren H.I.G. und Blue Bay am Kölner Recyclingspezialisten übernehmen.
DSD ist eines von neun dualen Systemen in Deutschland, gilt aber mit einem Anteil von 35 Prozent als Marktführer. Das zur Rethmann-Gruppe gehörende Remondis ist hiesiger Marktführer unter den Entsorgungsunternehmen – vor Alba und Veolia. 2017 fuhr das Unternehmen mit Sitz in Lünen einen Umsatz von 7,3 Milliarden Euro ein und beschäftigt rund 33.000 Mitarbeiter. Die Nummer zwei in Deutschland ist Alba, das 2016 auf einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro kam.
BVSE warnt vor weiterer Marktkonzentration
Die Verhandlungen zwischen Remondis und den Eigentümern des Grünen Punkts sollen bereits seit Anfang 2017 laufen. Zwischenzeitlich sollen die Gespräche kurz vor dem Scheitern gewesen sein, da man sich nicht auf einen Preis einigen konnte. Die Unternehmen wollten sich dem Bericht zufolge jedoch nicht zu Marktgerüchten äußern.
Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärstoffe und Entsorgung (BVSE), warnte in der Zeitung vor einer weiteren Marktkonzentration. Einer der größten Kunden der DSD Holding ist der Discounter Aldi. Aus dessen Märkten stammen auch rund ein Zehntel aller Kunststoffverpackungen, die über die gelbe Tonne oder den gelben Sack eingesammelt werden.