30.03.2023

Kritische Rohstoffe: EU will Versorgung absichern

Lithium, Kobalt oder Neodym – kritische Rohstoffe, die entscheidend für die Entwicklung grüner Technologien wie etwa Windturbinen sind. Die EU-Kommission will die Versorgung mit diesen Schlüssel-Elementen für den Klima-Übergang sicherstellen und hat dazu ein Gesetz vorgelegt.

Kritische Rohstoffe

Kritische Rohstoffe – unverzichtbar für ökologischen Wandel

Bis 2030 will die EU zehn Prozent der entscheidenden Metalle fördern. Weitere 15 Prozent sollen durch Recycling hinzukommen. Die Rohstoffstrategie hält die EU-Kommission damit für entscheidend bei der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen sei noch nie so hoch wie heute gewesen. Die Kommission erwartet, dass sie im Zuge des grünen und digitalen Wandels weiter steigen werde. Wie die Kommission gegenüber der Presse mitteilt, habe man deshalb Vorschläge gemacht, wie die europäische Industrie sicher und nachhaltig mit kritischen Rohstoffen versorgt werden könne. Als Ziele nennt sie:

  • alle Stufen der europäischen Wertschöpfungskette für kritische Rohstoffe stärken;
  • Einfuhren der EU diversifizieren, um strategische Abhängigkeiten zu verringern;
  • das Risiko, dass die Versorgung unterbrochen wird, besser überwachen und eindämmen.

Kritische Rohstoffe seien für den ökologischen und digitalen Wandel ebenso wie in der Verteidigung und der Raumfahrt unverzichtbar.

Klimaziele näherbringen

Dieses Gesetz werde die EU ihren Klimazielen näherbringen, gibt sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überzeugt. Sie verspricht sich davon eine Verbesserung bei:

  • Raffinierung,
  • Verarbeitung und
  • Recycling von wichtigen Rohstoffen in Europa.

Rohstoffe seien für die Herstellung von Schlüsseltechnologien für die doppelte Energiewende in der EU wie Windenergieerzeugung, Wasserstoffspeicherung oder Batterien unerlässlich.

Die Kommissionschefin: „Wir verstärken unsere Zusammenarbeit mit zuverlässigen Handelspartnern auf der ganzen Welt, um die derzeitige Abhängigkeit der EU von nur einem oder wenigen Ländern zu verringern. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, die Produktion auf nachhaltige Weise hochzufahren und gleichzeitig ein Höchstmaß an Diversifizierung der Lieferketten für unsere europäischen Unternehmen zu gewährleisten.“

Globales Engagement verstärken

In ihren Vorschlägen legt die Kommission weiter dar, wie die EU ihr globales Engagement verstärken will, um Investitionen, Produktion und Handel mit zuverlässigen Partnern zu entwickeln und zu diversifizieren. Die EU werde diese Ziele in Zusammenarbeit mit Drittländern in Partnerschaften zum beiderseitigen Nutzen verfolgen, um:

  • deren eigene wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig zu fördern
  • sichere, widerstandsfähige, erschwingliche und ausreichend diversifizierte Wertschöpfungsketten für die EU zu schaffen.

Zusammen mit der Reform des Strommarktdesigns und dem bevorstehenden Gesetz über die Netto-Null-Industrie sollen die Vorschläge zu kritischen Rohstoffen ein günstiges regulatorisches Umfeld hierfür sowie für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie schaffen, wie im Green Deal Industrial Plan angekündigt.

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Maßnahmen der Kommission

Im Einzelnen schlägt die Kommission folgende Maßnahmen in der EU vor:

  • Festlegung klarer Prioritäten: Zusätzlich zu einer aktualisierten Liste kritischer Rohstoffe enthalten die Vorschläge der Kommission eine über strategische Rohstoffe.

Dabei handelt es sich um wesentliche Rohstoffe für Technologien, die für Europas grüne und digitale Ambitionen sowie für Verteidigungs- und Raumfahrtanwendungen wichtig sind, und für die potenzielle Versorgungsrisiken bestehen. Die Verordnung verankert beide Listen für kritische wie für strategische Rohstoffe im EU-Recht. Sie setzt zudem Zielvorgaben für die heimischen Kapazitäten entlang der Lieferkette strategischer Rohstoffe und für die Diversifizierung der EU-Versorgung:

  • mindestens zehn Prozent des jährlichen Bedarfs der EU in Bezug auf den Abbau,
  • mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU in Bezug auf die Verarbeitung,
  • mindestens 15 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU in Bezug auf das Recycling,
  • höchstens 65 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU an jedem strategischen Rohstoff in allen relevanten Verarbeitungsstufen aus einem einzigen Drittstaat.
  • Schaffung widerstandsfähiger Versorgungsketten: Des Weiteren will die Kommission den Verwaltungsaufwand verringern und die Genehmigungsverfahren für kritische Rohstoffprojekte in der EU vereinfachen. Darüber hinaus wolle man ausgewählten strategischen Projekten der Zugang zu Finanzmitteln erleichtern, Genehmigungsfristen verkürzen auf 24 Monate für Abbaugenehmigungen und zwölf Monate für Aufbereitungs- und Recyclinggenehmigungen. Die Mitgliedstaaten müssten außerdem nationale Programme für die Erkundung geologischer Ressourcen entwickeln.
  • Versorgungsrisiken abfedern: Um die Widerstandsfähigkeit der Versorgungsketten zu gewährleisten, sieht der Rechtsakt die Überwachung kritischer Rohstoffversorgungsketten und die Koordinierung der strategischen Rohstoffvorräte zwischen den Mitgliedstaaten vor. Bestimmte Großunternehmen müssen ihre strategischen Rohstoffversorgungsketten prüfen, das umfasst auch einen Stresstest auf Unternehmensebene.
  • Investitionen in Forschung, Innovation und Qualifikationen: Die Kommission will Einführung und Einsatz bahnbrechender Technologien bei kritischen Rohstoffen fördern. Darüber hinaus soll die Einrichtung einer groß angelegten Qualifikationspartnerschaft für kritische Rohstoffe und einer Rohstoffakademie die für die Arbeitskräfte in kritischen Rohstoffversorgungsketten relevanten Qualifikationen fördern. Extern kommt die Nutzung des Global Gateway als Instrument zur Unterstützung der Partnerländer bei der Entwicklung ihrer eigenen Abbau- und Verarbeitungskapazitäten, einschließlich der Entwicklung von Qualifikationen, hinzu.
  • Schutz der Umwelt durch Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit von wichtigen Rohstoffen: Eine sicherere und erschwinglichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen müsse Hand in Hand gehen mit verstärkten Bemühungen, etwaige negative Auswirkungen sowohl innerhalb der EU als auch in Drittländern abzumildern im Hinblick auf:
    • Arbeitnehmerrechte
    • Menschenrechte
    • Umweltschutz.

Bemühungen zur VerbesseUmweltschutzrung der nachhaltigen Entwicklung der Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe würden auch zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Drittländern sowie zu nachhaltiger Regierungsführung, Menschenrechten, Konfliktlösung und regionaler Stabilität beitragen.

Nationale Maßnahmen

Die Mitgliedstaaten müssten nationale Maßnahmen verabschieden und umsetzen, um die Sammlung von Abfällen, die reich an kritischen Rohstoffen sind, zu verbessern und deren Recycling zu kritischen Sekundärrohstoffen sicherzustellen. Sie müssten zusammen mit privaten Betreibern das Potenzial für die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe aus Abfällen aus dem laufenden Bergbau, aber auch aus historischen Bergbauabfällen untersuchen. Produkte, die Dauermagnete enthalten, hätten die Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft zu erfüllen und Informationen über die Wiederverwertbarkeit und den Recyclinganteil zu enthalten.

Einfuhren kritischer Rohstoffe in die Union

Die Kommission geht davon aus, dass sich die EU bei der Versorgung mit solchen Rohstoffen niemals selbst versorgen können und weiterhin für einen Großteil ihres Verbrauchs auf Einfuhren angewiesen sein werde. Der internationale Handel ist für sie daher unerlässlich, um die globale Produktion zu unterstützen und die Diversifizierung der Versorgung zu gewährleisten. Die EU werde ihr globales Engagement mit zuverlässigen Partnern verstärken müssen, um:

  • Investitionen zu entwickeln und zu diversifizieren,
  • die Stabilität des internationalen Handels zu fördern und
  • die Rechtssicherheit für Investoren zu verbessern.
  • Insbesondere werde sich die EU um für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern bemühen, vor allem im Rahmen ihrer Global-Gateway-Strategie.

Verstärkung der handelspolitischen Maßnahmen

Das geschehe u. a. durch:

  • Einrichtung eines Clubs für kritische Rohstoffe für alle gleichgesinnten Länder, die bereit sind, die globalen Lieferketten zu stärken,
  • Stärkung der Welthandelsorganisation (WTO),
  • Ausweitung ihres Netzes von Abkommen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und von Freihandelsabkommen
  • verstärkte Durchsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung unfairer Handelspraktiken.

Die EU soll mit zuverlässigen Partnern zusammenarbeiten, um deren eigene wirtschaftliche Entwicklung durch die Schaffung von Wertschöpfungsketten in ihren eigenen Ländern nachhaltig zu fördern und gleichzeitig sichere, widerstandsfähige, erschwingliche und ausreichend diversifizierte Wertschöpfungsketten für die EU zu fördern.

Rechtlicher Rahmen

Diese Initiative umfasst eine Verordnung und eine Mitteilung. Mit der Verordnung wird ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um die Entwicklung inländischer Kapazitäten zu unterstützen und die Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit der kritischen Rohstoffversorgungsketten in der EU zu stärken. In der Mitteilung werden Maßnahmen vorgeschlagen, um die Diversifizierung der Lieferketten durch neue internationale, sich gegenseitig unterstützende Partnerschaften zu fördern. Der Schwerpunkt liegt zudem auf der Maximierung des Beitrags von EU-Handelsabkommen, in voller Komplementarität mit der Global Gateway-Strategie.

Das Gesetz über kritische Rohstoffe hatte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2022 angekündigt. Darin hatte sie dazu aufgerufen, die Abhängigkeit der EU von importierten kritischen Rohstoffen durch Diversifizierung und Sicherung einer heimischen und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen zu verringern.

Dies entspricht der vom Europäischen Rat angenommenen Erklärung von Versailles 2022, in der die strategische Bedeutung kritischer Rohstoffe für die Gewährleistung der strategischen Autonomie der Union und der europäischen Souveränität hervorgehoben wird. Sie reagiert auch auf die Schlussfolgerungen der Konferenz über die Zukunft Europas und auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom November 2021 für eine EU-Strategie für kritische Rohstoffe.

Die Maßnahmen stützen sich auf die Kritikalitätsbewertung von 2023, den Vorausschaubericht mit Schwerpunkt auf strategischen Technologien und die im Aktionsplan 2020 für kritische Rohstoffe eingeleiteten Maßnahmen. Den jetzigen Vorschlag untermauert die wissenschaftliche Arbeit der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Kommission.

Zusammen mit ihrer Foresight-Studie hat die GFS das Rohstoff-Informationssystem überarbeitet, das Informationen über primäre gewonnene oder geerntete und sekundäre Rohstoffe, z. B. aus dem Recycling, liefert. Das Instrument liefert Informationen über bestimmte Materialien, Länder sowie für verschiedene Sektoren und Technologien und enthält Analysen zu Angebot und Nachfrage, sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)