15.03.2018

Ist Kulanz des Lieferers rechtlich bindend?

Ein Einkäufer hat bei einem seiner Top-Lieferanten eine Maschine bestellt – das Herzstück der Produktion. Sie läuft einige Jahre problemlos. Erst nachdem Gewährleistungs- und Garantiefrist abgelaufen sind, tritt ein Mangel auf. Rechtlich ist der Lieferant nicht mehr verpflichtet, die Maschine zu reparieren. Aber er zeigt sich kulant. Was bedeutet die Kulanz rechtlich für den Besteller?

Die Kulanz des Lieferers und ihre rechtliche Bindungswirkung

Kulanz, was ist das?

Zum Thema Kulanz gibt es nur wenig Rechtsprechung. Zeigt sich der Lieferant kulant, kommt er dem Käufer nach Vertragsschluss entgegen, obwohl er rechtlich nicht dazu verpflichtet ist. Das Hauptziel ist, seinen Kunden zufrieden zu stellen und ihn an sich zu binden.

Ist Kulanz rechtlich bindend?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss man ins Detail gehen. Nehmen wir an, der Lieferant hat sein Kulanzangebot „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ oder „ohne Anerkennung der Mangelhaftigkeit“ gemacht. In diesem Fall bedeutet seine Wortwahl, dass die angebotene Leistung nur auf seinem Entgegenkommen beruht. Der Lieferant erkennt jedoch damit nicht an, dass er zur Leistung verpflichtet ist.

Geht der Besteller / der Käufer aber nach dem objektiven Empfängerhorizont davon aus, dass der Lieferant die aus Kulanz angebotene Leistung erbringt, dann kann er nach § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB tatsächlich Schadenersatz verlangen, wenn der Lieferant nicht leistet.

Ob Besteller und Lieferant durch die Kulanzregelung ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis mit Rechtsbindungswillen begründen wollten, beurteilt sich danach, wie ein objektiver Betrachter ihr Verhalten nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte einordnet.

Kulanz: Beispiel pro Rechtsbindungswillen

Für einen Rechtsbindungswillen spricht:

  • wenn der Lieferer selbst ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Kulanz hat,
  • wenn der Besteller erkennbar auf die Zusage vertraut und erhebliche Werte gefährdet sind
  • oder wenn der Besteller – für den Fall, dass der Lieferer nicht leistet – ein berechtigtes Interesse an einem Schadenersatzanspruch hat (vgl. Urteil OLG München v. 01.03.2011, Az. 9 U 3782/10).

In der Regel ist eine Kulanzregelung rechtlich bindend und begründet entsprechende Pflichten.

Verjährung

Beseitigt der Lieferant Mängel aus Kulanz, liegt grundsätzlich kein Anerkenntnis nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Die Verjährungsfrist beginnt also nicht erneut zu laufen, wenn das Anerkenntnis innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist abgegeben wird.

Mehr zum Thema „Verjährung“ finden Sie in diesem Beitrag: Werkvertrag: Mängelansprüche verjähren.

Autor*in: Claudia Zwilling-Pinna (Juristin und Herausgeberin des Rechtshandbuchs)