Industrie setzt verstärkt auf Roboter
Der Siegeszug des Industrie-Roboters geht unvermindert weiter. Die Automobil-Industrie verfügt über die größte Zahl an Industrie-Robotern. Inzwischen sind auch in Wäschereien und auf Bauernhöfen im Einsatz. Jetzt könnten Roboter in Bäckereien und Backshops Einzug halten.
Modernisierungspaket für Umwelt- und Verkehrspolitik
Der operative Bestand an Industrierobotern in der Automobilindustrie erreicht mit rund einer Million Einheiten einen neuen Rekord. Das entspricht in etwa einem Drittel der Gesamtzahl aller installierten Roboter über die verschiedenen Branchen hinweg, wie die International Federation of Robotics (IFR) berichtet. IFR vertritt nationale Roboterverbände, Forschungseinrichtungen sowie Roboterhersteller aus mehr als zwanzig Ländern. IFR wurde 1987 als nicht gewinnorientierte Organisation gegründet.
„Die Automobil-Industrie hat die automatisierte Fertigung praktisch erfunden“, sagt IFR-Präsidentin Marina Bill. Ihr zufolge spielen Roboter beim Übergang von Verbrenner-Motoren zum E-Auto eine entscheidende Rolle. Die Automatisierung mit Robotern helfe Herstellern dabei, grundlegende Veränderungen bei den seit langer Zeit etablierten Fertigungsmethoden und -technologien zu bewältigen.
Roboter in verschiedensten Wirtschaftsbereichen
Der Trend zum Roboter in verschiedensten Wirtschaftsbereichen spiegelt sich in den IFR-Zahlen. Allein 2021 wurden laut IFR weltweit 517.000 Roboter installiert. Zwar liegt der Anteil der kollaborativen Roboter (Cobot) bislang im einstelligen prozentualen Bereich, doch die Wachstumsaussichten für diese kollaborativen Roboter seien gut. Weil sie gewöhnlich keine Schutzzäune benötigen und leicht zu programmieren sind, gelten Cobots als besonders flexibel und ermöglichen einen einfachen Einstieg in die Automatisierung.
Roboterdichte in der Automobil-Industrie
Die Roboterdichte als Schlüsselindikator veranschaulicht den aktuellen Automationsgrad in den führenden Volkswirtschaften der Autoindustrie:
- In Südkorea waren im Jahr 2021 insgesamt 2.867 Industrie-Roboter pro 10.000 Beschäftigte im Einsatz.
- Deutschland rangiert mit 1.500 Einheiten an zweiter Stelle,
- gefolgt von den Vereinigten Staaten mit 1.457 Einheiten und
- Japan mit 1.422 Einheiten pro 10.000 Beschäftigte.
Der weltweit größte Automobilhersteller, China, verzeichnet den Angaben zufolge bereits eine Roboterdichte von 772 Einheiten und holt schnell auf:
- Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der neu installierten Roboter in der chinesischen Automobilindustrie mit 61.598 Einheiten fast verdoppelt
- Das sind 52 Prozent der insgesamt 119.405 Einheiten, die im Jahr 2021 in den Fabriken weltweit installiert wurden.
Elektrofahrzeuge treiben Automation voran
Ehrgeizige politische Ziele für die Nutzung von Elektrofahrzeugen zwingen laut einer IFR-Pressemitteilung die Autoindustrie zu investieren:
- So habe die Europäische Union Pläne angekündigt, bis 2035 den Verkauf von Fahrzeugen mit luftverschmutzenden Emissionen zu beenden.
- Die US-Regierung wolle bis 2030 beim Verkauf von Elektrofahrzeugen einen freiwilligen Marktanteil von 50 Prozent erreichen.
- In China müssten bis 2035 alle verkauften Neufahrzeuge mit „neuer Energie“ betrieben werden,
- die Hälfte davon mit Elektro-, Brennstoffzellen- oder Plug-in-Hybridantrieb –
- 50 Prozent seien Hybridfahrzeuge.
Kollaborative Anwendungen für Endmontage und Endbearbeitung
Die meisten Automobilhersteller, die bereits auf traditionelle Industrie-Roboter mit Schutzzäunen für die Basismontage gesetzt haben, investieren IFR zufolge nun auch in kollaborative Anwendungen für die Endmontage und Endbearbeitung. Tier-2-Automobilzulieferer sind derzeit mit dem großen Anteil an kleinen und mittelgroßen Unternehmen noch langsamer, wenn es um die vollständige Automatisierung geht. Da die Roboter jedoch immer kleiner, anpassungsfähiger, leichter zu programmieren und kostengünstiger werden, gehen die Experten des IFR davon aus, dass sich dies voraussichtlich ändern wird.
Tier-Zulieferer
Laut dem Fachportal „Ecosio“ ist die Automobilindustrie geprägt von komplexen und eng verzahnten Logistikketten. Anstatt alle Komponenten selbst herzustellen, beziehen Automobilhersteller die einzelnen Module von spezialisierten Lieferanten. Diese wiederum verbauen Komponenten, die von spezialisierten Komponentenlieferanten geliefert werden. Auf der dritten Stufe stehen die Lieferanten von einzelnen Teilen.
Die Grenzen seien hierbei nicht immer klar zu ziehen. So kann ein Lieferant gleichzeitig Tier-1 und Tier-2-Lieferant sein, indem beispielsweise Antennenmodule an OEMs und an Tier-1-Lieferanten geliefert werden. An der Spitze einer Lieferkette steht der Produzent des Endprodukts (Original Equipment Manufacturer, OEM). Nachgelagert befinden sich die Lieferanten von Modulen und Systemen. Diese wiederum werden von Komponentenlieferanten beliefert, die selbst von Teilelieferanten Waren beziehen.
Die enge Verzahnung zwischen OEMs und den einzelnen Tier-Lieferanten stellt, so Ecosio, besondere Herausforderungen an das reibungslose Funktionieren der Prozesse. Durch die horizontale Integration von vielen verschiedenen Lieferanten und deren Vor-Lieferanten müssen beispielsweise Bedarfsmengen schnell und effizient kommuniziert werden, um eine Versorgung mit Modulen, Komponenten und Einzelteilen sicherzustellen. Dies werde insbesondere vor dem Hintergrund von Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Prozessen zu einem erfolgskritischen Faktor. Um diese Kommunikation sicherzustellen, komme elektronischer Datenaustausch zum Einsatz, wobei man sich hier beispielsweise der Konzepte von Lieferabrufen und Liefer-Feinabrufen bediene, so Ecosio.
Roboter arbeiten in der Bäckerei
Sie kommen aus der Industrie, sind aber inzwischen auch in Wäschereien und auf Bauernhöfen im Einsatz. Jetzt könnten Roboter in Bäckereien oder Backshops Einzug halten. Der eigener Einschätzung zufolge weltgrößte Roboterhersteller Fanuc hat auf die steigende Nachfrage reagiert und sein Portfolio in den vergangenen Jahren um elf Cobot-Modelle ergänzt.
Zusammen mit dem Backofenhersteller Wiesheu und der Retail-Spezialist Wanzl hat Fanuc gemeinsam das automatische System „Bakisto“ entwickelt. Es soll Mitarbeiter von Supermärkten und Discountern entlasten und Lebensmittelverschwendung verringern helfen. Dabei übernimmt ein Roboter wichtige Arbeitsschritte vom Belegen des Backblechs über die Eingabe und Entnahme des Blechs aus dem Ofen bis hin zum Bestücken der Auslagen.
Robotern außerhalb der Industrie
„Der zunehmende Fachkräftemangel lässt das Interesse an Robotern auch außerhalb der Industrie wachsen“, sagt Ralf Völlinger, General Manager Robot Business Division bei Fanuc Europe. Zumal im Handel oder im Handwerk liefen bisher viele Arbeitsschritte manuell. Hier könnten Roboter eine spürbare Entlastung bringen, so Völlinger Davon würden nicht zuletzt die Beschäftigten profitieren, zum Beispiel durch attraktivere Arbeitszeiten. Im Falle von „Bakisto“ etwa beginne ein Cobot bei entsprechender Programmierung frühmorgens selbständig zu backen – „und die Mitarbeiter können länger schlafen“, träumt Völlinger.
Fanuc – Roboter aus Japan
Die Fanuc Corporation sieht sich als weltweit führender Hersteller in der Fabrikautomatisierung für CNC-Steuerungssysteme, Roboter und Produktionsmaschinen (Robodrill, Robocut und Roboshot). Seit 1956 sei man Pionier in der Entwicklung von numerisch gesteuerten Anlagen in der Automatisierungsindustrie. Mit mehr als 260 Standorten weltweit und mehr als 8.000 Mitarbeitern bietet Fanuc ein dichtes Netzwerk für Vertrieb, technischen Support, Forschung und Entwicklung, Logistik sowie in der Kundenbetreuung.
Insgesamt hat das Unternehmen mehr als 100 Modelle im Angebot und produziert rund 10.000 Roboter pro Monat. Fanuc City liegt in Japan am Fuße des Berg Fuji unweit des Yamanaka-Sees. Auf 1,7 Millionen m2 Fläche sind hier alle Produktionsstätten von Fanuc, zwölf Forschungs- und Entwicklungszentren, Verwaltungsgebäude, Personalunterkünfte, Freizeiteinrichtungen und eine Klinik für Fanuc-Mitarbeiter und deren Familien angesiedelt. Mit über 60 Jahren Erfahrung in der Entwicklung von CNC-Technologien, mehr als 28,9 Millionen installierten Produkten und über 8200 Mitarbeitern weltweit ist FANUC einer der global führenden Hersteller von Fabrikautomation, Industrierobotern, CNC-Systemen, Drahterodier- und Spritzgussmaschinen und vertikale Bearbeitungszentren.
Künstliche Intelligenz bestimmt Produktionsmenge
Auch gegen Lebensmittelverschwendung soll das Robotersystem helfen:
- Bakisto berechnet mithilfe von künstlicher Intelligenz, wie viele Brötchen, Croissants oder Teilchen im Tagesverlauf voraussichtlich nachgefragt werden,
- bereitet die Backwaren vor und
- holt sie zur richtigen Zeit aus dem Ofen.
„Die Verkaufsmengen sind stark abhängig vom Wetter, von Schulferien oder Veranstaltungen. Unser System berücksichtigt diese Daten und backt entsprechende Mengen“, ergänzt Völlinger. Das bedeute weniger Stress für die Beschäftigten, weil sie nicht ständig die Auslagen und Öfen im Auge behalten müssten und sich auf andere Aufgaben konzentrieren könnten.
Das System Bakisto
„Bakisto“ besteht aus drei miteinander vernetzten Systemen:
- Einem Cobot von Fanuc,
- Wanzls smartem Backwarenpräsenter BakeOff i mit Künstlicher Intelligenz (KI) und
- dem netzwerkfähigen Backofen Dibas blue2 mit
- automatischem Be- und Entladesystem TrayMotion von Wiesheu.
Die KI im BakeOff i errechnet anhand von historischen Daten und dem aktuellen Bestand, wann wie viele Backwaren benötigt werden, und gibt diese Information in das System ein. Der Cobot holt die entsprechend mit Tiefkühl-Backwaren bestückten Backbleche aus der Kühlung, schiebt diese in den Transportwagen, der auf Schienen vor dem vorgeheizten Ofen platziert wird. Das Beladungssystem TrayMotion zieht die beladenen Bleche ein, damit der Backvorgang gestartet werden kann. Nach dem Backen werden die Backbleche wieder zurück in den Transportwagen geschoben, der zur Seite gefahren wird. So können die Backwaren abkühlen und zudem ist Platz für die nächste Produktion. Anschließend befüllt der Cobot die vorgegebenen Fächer des BakeOff i mit den fertig gebackenen und abgekühlten Backwaren. Dadurch wird die KI mit neuen Daten gefüttert und optimiert fortlaufend den Prozess.