02.03.2023

Grünes Kupfer soll den CO2-Fußabdruck verkleinern

Kabelhersteller Lapp will bis 2025 seinen CO2-Fußabdruck um 20 Prozent verkleinern. Das dürfte schwieriger sein als erhofft. Ein von Lapp verarbeiteter Hauptrohstoff ist Kupfer. Initiative für Grünes Kupfer gibt es weltweit. Allein: es fehlt der Glaube an nötiges Bewusstsein beim Kunden.

Grünes Kupfer

Material mit Vor- und Nachteilen

Der CO2-Fußabdruck von Kupfer hat es in sich:

  • Das Erderwärmungspotenzial (Global warming potential) GWP 100 von Kupfer liegt im Durchschnitt bei 4,1 kg CO₂-Äquivalent pro Tonne (equivalent per ton, e/t) Kupferkathode, ein zwischen 50 und 80 kg schweres Kupferquadrat.
  • Kupfer ist im Durchschnitt zu 88 Prozent am Gesamtergebnis des CO₂-Fußabdrucks der Kabelprodukte von Lapp verantwortlich.
  • Um die Erderwärmung zu bremsen, muss der CO₂-Ausstoß weltweit drastisch reduziert werden.

Mit diesen Angaben zitiert „computer-automation“ Maria Dobritzsch, bei Lapp für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich. Sie sieht die Industrie hier in enormer Verantwortung. Dobritzsch: „Uns bei Lapp ist es ein großes Anliegen, unsere CO₂-Emissionen zu reduzieren. Das größte Potenzial bietet dabei der Rohstoff Kupfer.“

Für Kupfer als Werkstoff führt die Expertin eine Reihe von Gründen an:

  • relativ weiches Material
  • gut verarbeitbar
  • formbar
  • widerstandsfähig
  • langlebig
  • zu 100 Prozent recyclebar.
  • essenzieller Rohstoff für die Energiewende und dem damit verbundenen Ausbau der Wind- und Solarenergie
  • Recycling-Anteil in Deutschland im Durchschnitt bei 55 Prozent.

Dobritzsch: „In Zukunft wird der Bedarf an Kupfer weiter steigen. Auf ihn zu verzichten, ist deshalb undenkbar.“ Vor diesem Hintergrund sieht Dobritzsch noch viel Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Gütesiegel würden für eine verantwortungsvolle Kupferproduktion eine immer größere Rolle spielen. So will die ICA-Initiative „The Copper Mark” Rahmen und Standards für die verantwortungsvolle Produktion in der Kupferindustrie schaffen.

Grünes Kupfer zunehmend von Bedeutung

Für Lapp gewinne Grünes Kupfer zunehmend an Bedeutung. Dobritzsch: „Wir sind derzeit dabei, den CO₂-Fußabdruck verschiedener Produkte zu berechnen.“ So habe man von Hauptlieferanten Nachhaltigkeitsinformationen zu den gelieferten Rohmaterialien angefordert. Die Bereitstellung dieser Daten wird künftig neben Qualität, Preis oder Verfügbarkeit eine wesentliche Rolle bei der Auswahl von Lieferanten spielen. Eine Mitarbeit bei „The Copper Mark“ sei geplant. Eine Zertifizierung sei derzeit noch nicht möglich.

Aurubis, ein weltweit führender Kupferrecycler und Anbieter von Nichteisenmetallen, produziert eigenen Angaben zufolge etwa 1,2 Millionen t Kathoden mit einem Kupferanteil von mindestens 99,99 Prozent pro Jahr in Deutschland (Hamburg, Lünen), Belgien (Olen) und Bulgarien (Pirdop). Kathoden bei Aurubis entsprechen der Kathoden-Norm LME Grade A, Cu-Cath-1 (EN 1978) und Copper Cathodes Grade 1 (ASTM B115). Kupferkathoden mit bestimmten Höchstgehalten an Verunreinigungen werden u.a. an der „London Metal Exchange“ (LME) und der „Comex“ gehandelt. Qualitativ hochwertiges Kupfer zeichnet sich durch niedrigste Verunreinigungsgehalte aus. Schon geringste Mengen an Selen, Wismut oder Antimon können die Leitfähigkeit stark beeinflussen. Aurubis Kupferkathoden der Marken NA-ESN, HK, OLEN und Pirdop sind an der LME registriert und  zeichnen sich durch hohe Reinheit und konstante Qualität, unabhängig von eingesetzten Vorstoffen, aus.

Nachhaltigkeit als wichtiger Teil der Lapp DNA

„Wir haben nur eine Welt, die wir nutzen können, und unsere Aufgabe ist es, mit den Ressourcen dieser einen Welt verantwortungsvoll umzugehen. Diese Mission ist fest in unserem Kernwert „familienorientiert“ verankert, da es unsere Verantwortung ist, der nächsten Generation einen gesunden Planeten zu hinterlassen, der für unsere Enkelkinder geeignet ist. Ich hoffe, dass wir diese Herausforderung gemeinsam angehen – mit den Ideen, dem Know-how und der Kraft aller unserer Mitarbeitenden.“

Andreas Lapp, Sohn der Unternehmensgründer Ursula Ida und Oskar Lapp und Vorstandsvorsitzender der Lapp Holding SE, wertet „Nachhaltigkeit als wichtigen Teil der Lapp-DNA“. „Bei uns steht nachhaltiges, umweltschonendes Wirtschaften und der verantwortungsvolle Umgang mit allen natürlichen Ressourcen im Fokus“, so Lapp. Als Unternehmen müsse man mit gutem Beispiel voranschreiten. Wirtschaftlicher Erfolg sei mit der Verantwortung für den Lebensraum verbunden. Nachhaltigkeit sei dabei als Kriterium bei allen Unternehmensentscheidungen anerkannt. Lapp unterstützt die Vereinten Nationen bei der Umsetzung der Agenda 2030. Es setzt die 17 UN Sustainable Development Goals (SDG) für nachhaltiges Wirtschaften auf ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Ebene um.

Weg zum Grünen Kupfer

Doch der Weg zum Grünen Kupfer ist „steinig“, wie Alexander Busch in einem Bericht für „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) über die Bemühungen des Weltmarkführers im Kupferabbau, dem chilenischen Kupferkonzern Codelco schreibt. Demnach:

  • gehören Codelco acht Prozent der globalen Kupferreserven
  • produziert der Konzern ein Zehntel des Weltmarktes an Kupfer und im Jahr 1,842 Millionen Tonnen Kupfer

Mit Autobauer BMW ist Codelco Anfang 2018 eine strategische Allianz eingegangen für eine „Responsible Copper Initiative” vom Abbau des Metalls bis hin zum Einbau in die Fahrzeuge. Sie bewertet anhand von acht Kriterien die Herstellung, etwa ob:

  • die Produktion Umweltschutz und Gleichstellung der Geschlechter fördert.
  • der Konzern ethisch handelt,
  • transparent produziert,
  • fair gegenüber Mitarbeitern ist und
  • lokal Arbeitsplätze schafft.

Kupferkonferenz in Schanghai

Codelco hat im November 2017 auf der Kupferkonferenz in Schanghai die Initiative für „grünes“ Kupfer vorgestellt. Annika Glatz von der Deutsch-Chilenischen Handelskammer, laut NZZ eine der führenden ausländischen Bergbauexpertinnen in Santiago: „Alle hoffen, dass für nachhaltiges Kupfer mit Zertifizierungen bald auch höhere Preise gezahlt würden.“ Ob das gelingt, sei allerdings offen. Abbau und Veredelung von Kupfer gelten als:

  • besonders dreckig
  • giftig
  • gefährlich

Der Autobauer kaufte 2017 42.000 Tonnen des roten Metalls für die Herstellung von knapp 1,7 Millionen Autos. Im Schnitt benötigt jeder Pkw 25 Kilogramm Kupfer für:

  • Stromkabel,
  • Spulen der zahlreichen Motoren
  • Legierungen und
  • in der Batterie.

Für seine für 2025 geplanten 25 Elektroautomodelle von BMW bräuchte der Autobauer 20.000 Tonnen Kupfer zusätzlich.

König Kunde

Die grünen Pläne hören sich schön an. Allein: den Kunden scheinen sie bislang nicht eingerechnet zu haben. Noch sei «grünes» Kupfer vor allem ein Marketinginstrument, kommt in dem NZZ-Bericht Jorge Cantallopts zu Wort, Chefökonom der staatlichen chilenischen Kupferkommission Cochilco, des Aufsichtsorgans der Branche. Erst in zehn Jahren werde es Alltag sein. In der Branche habe Codelcos Ankündigung ein Wettrennen um die Standards ausgelöst. Bei Eisenerz, Zellulose oder Aluminium habe man die Nachhaltigkeitskriterien schon klären können. „Wer als Erster einen Nachhaltigkeitsstandard für Kupfer durchsetzt, hat einen Wettbewerbsvorteil in der Branche“, so Cantallopts.

Codelco-Manager Patricio Chávez versuche, die Kriterien über Nachhaltigkeit mit Inhalt zu füllen. Die Kultur im Konzern habe sich in 70 Jahren kaum entwickelt. Der Konzern lebe in zwei unterschiedlichen Welten, aus welchen auch BMW noch länger sein Kupfer beziehe:

  • dem Abbaugebiet Ministro Hales, eine der produktivsten Kupferminen weltweit. Vor Ort werde das kupferhaltige Gestein in geschlossenen Anlagen zerkleinert und geröstet. Die Energie dafür kommt zum Teil aus Windstromanlagen. Nur wenige Menschen arbeiten hier.
  • der größten Tagebaumine für Kupfer weltweit Chuquicamata: hier werde seit mehr als einem Jahrhundert Kupfer gefördert. Sie erreicht über Calama in der Atacama-Wüste, eine Schlafstadt von 150.000 Einwohnern mit Herbergen, Apartments und Motels für die Bergarbeiter.

Toxische Wolke

Mit Dynamit werden in Chuquicamata die Steinbrocken für den Abbau gesprengt. Es entsteht eine toxische Wolke, die in den nächsten Stunden das Sonnenlicht nur gefiltert durchlässt. Sie bewegt sich je nach Windrichtung bis ins zehn Kilometer entfernte Calama. Wegen der hohen Arsenbelastung wurde die nahe der Grube liegende Arbeitersiedlung von Chuquicamata 2007 aufgelöst, die 4000 Arbeiter mit Familien nach Calama umgesiedelt. Inzwischen bedeckt der 100 Meter hohe Abraumhügel der Mine bereits große Teile der verwaisten Siedlung. Viele Arbeiter – vor allem leitende Mitarbeiter und Ingenieure – seien samt Familien weitergezogen und kommen für Wochenschichten in die Wüstenstadt.

Doch damit werden sie zum Problem für „grünes“ Kupfer. Eines der Nachhaltigkeitskriterien lautet: Die Gemeinden sollen vom Abbau profitieren. Das taten sie offenbar auch – bislang. Vor 50 Jahren seien die Menschen glücklich gewesen, wenn eine Mine in der Nachbarschaft öffnete. Sie hätten asphaltierte Straßen und Jobs bekommen, eine Schule und einen Fußballplatz. Damit seien sie damals zufrieden gewesen. Das habe sich geändert. Mittlerweile wollten die Menschen mitreden. Das sei im Geschäftsmodell nicht vorgesehen gewesen. Dass sie Bergwerke sozial verankern soll, müsse Codelco noch lernen.

Bilanz der Umweltfolgen

Die Bilanz für „grünes“ Kupfer zu beachtender Umweltfolgen sieht nicht weniger düster aus:

  • In der Mondlandschaft um Calama stehen künstliche Abraumberge, „Torten“ genannt, hoch wie Pyramiden.
  • Daneben flache Seen, die sich kilometerlang durch die Landschaft erstrecken, groß wie Wattenmeere. Dort sammeln sich die flüssigen Rückstände der Produktion.
  • Für jede Tonne Kupfer fallen 200 Tonnen Abfall an.
  • Rund 2200 Abraumseen gibt es in Chile, alle schwer belastet.

Die Abraumseen sind durchsetzt mit wertvollen Rückständen wie Gold oder seltenen Erden. Umweltexperte Ivan Valenzuela: „Im Prinzip geht es bei ‚grünem‘ Kupfer darum, dass wir mit dem zugefügten Ingenieur- und Chemiefachwissen den Wert steigern.“ Bei Calama hat Valenzuela die größte Raffinerie weltweit aufgebaut. In ihr spaltet eine Lauge Arsen aus den Rückständen ab und stabilisiert es in einem hochtoxischen Prozess zu Skorodit, ein grauer, ungiftiger Staub, der sich kaum von dem Geröll und Staub der Wüste unterscheidet. Die Anlage sei die Niere der Kupferproduktion – mit Nebenprodukt Kupfer.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)