Freie Lkw-Kapazitäten besser nutzen mit künstlicher Intelligenz
Stau – auf deutschen Straßen mittlerweile Alltag. Ein Hauptverursacher: Lkw-Kolonnen von einem Horizont zum anderen. Dabei fahren diese häufig leer und die freien Lkw-Kapazitäten bleiben ungenutzt. Künstliche Intelligenz aus deutscher Herstellung könnte hier für mehr Effizienz sorgen. Doch die Zukunft von KI bestimmen andere.
Leere Lkws auf vollen Straßen
Es ist paradox: Volle Straßen sind Alltag in Deutschland, und leere Lkws auf ihnen großenteils auch. Laut Bundesverkehrsministerium waren 58 Prozent aller Fahrten von deutschen Sattelschleppern 2016 Leerfahrten. Darin enthalten sind auch kurze Touren zur nächsten Beladestation. Aber selbst wenn man die gefahrenen Kilometer heranzieht, waren die Lkws immer noch auf fast einem Drittel der Strecke leer unterwegs. Das will die Frachtbörse Cargonexx ändern. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, dass freie Lkw-Kapazitäten besser genutzt werden.
Anders als andere Frachtbörsen bedient sich das Hamburger Start-Up eines selbstlernenden Algorithmus namens „Manni“. Auf der Plattform mit künstlicher Intelligenz (KI) können Kunden einem Bericht des Bonner „General-Anzeigers“ zufolge Frachtkapazitäten mit einem Klick buchen und Manni berechnet den Preis. Cargonexx garantiert, dass die Tour zu diesem Preis von einer der registrierten Speditionen gefahren wird und kassiert eine Marge.
Zuverlässig richtige Marktpreise errechnet
Manni wurde mit über einer Million echter Tourdaten mit bis zu 400 Parametern gefüttert – darunter Daten zu Wetter oder Großveranstaltungen. Der Bonner „General-Anzeiger“ zitiert den Gründer und Geschäftsführer des Startups, Rolf-Dieter Lafrenz:
„Im Trainingsmodus wird der errechnete Preis mit echten verglichen. Wenn das Ergebnis nicht gut ist, verändert sich der Algorithmus selbst, bis er mit immer höherer Wahrscheinlichkeit die echten Preise erreicht.“
Zehn Monate hat es gedauert, bis das System zuverlässig die richtigen Marktpreise errechnet hat. Tatsächlich Lkws zu finden, die zu diesem Preis fahren, sei eine weitere Herausforderung gewesen. Inzwischen haben sich Transportunternehmen mit zusammen mehr als 80.000 Lkws registriert.
Predictive Logistics
Markus Kückelhaus ist bei DHL für den Bereich Innovation und Trend Research zuständig. Auch er hält eine bessere Ausnutzung der bestehenden Infrastruktur für notwendig. Dabei könne KI eine große Rolle spielen, beispielsweise zur Routenoptimierung.
Ein weiterer großer Einsatzbereich seien die sogenannten „Predictive Logistics“ (vorhersehbare Logistik). Durch die Analyse vielfältiger Daten könne man bessere Modelle für die Zukunft erstellen und Vorhersagen treffen.
Das „DHL Global Trade Barometer“ trifft vierteljährlich Aussagen darüber, wie sich der Welthandel entwickeln wird. Über eine Analyse der Verspätungen verschiedener Airlines ermittelt das Unternehmen, wann es am besten welche Fluggesellschaft nutzt. So will das Unternehmen zukünftig
- Bestände vorausschauend planen
- Frachtkapazitäten einkaufen
- Mitarbeiter bereitstellen lassen
Schließlich könnten die Vorhersagen so weit gehen, dass Waren bereits ganz in der Nähe des Endkunden lagern, bevor dieser überhaupt weiß, dass er sie erstehen will.
Künstliche Intelligenz in der Supply Chain
Die Unternehmensberatung Camelot Management Consultants AG, München, arbeitet derweil ebenfalls an der Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz in der Logistik. Das Unternehmen hat ein „Global Community for Artificial Intelligence in Supply Chain Management“ gestartet. Supply-Chain-Management- und KI-Vordenkern aus Praxis und Forschung bietet Camelot damit eine offene Plattform für den gezielten Wissenstransfer.
Die Initiative gibt Unternehmen die Möglichkeit, an der Realisierung erster Leuchtturmprojekte für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Supply Chain Management (SCM) mitzuwirken. Seine Mitglieder kommen laut einer Pressemitteilung des Unternehmens in den Genuss von Neuigkeiten und aktuellen Forschungsergebnissen, Impulsvorträgen, Anwendungsfällen und Anleitungen für künstliche Intelligenz im Supply Chain Management. Ein Fokus liegt dabei auf KI-Anwendungen in der Logistik. In weltweit regelmäßig stattfindenden Design-Thinking-Workshops wird zudem kontinuierlich an neuen Ideen und Anwendungsfällen durch gemeinsame Innovation gearbeitet.
KI auf allen Gebieten – aus China und USA
Erst kürzlich hatten sich in Shanghai globale Vertreter der KI-Industrie auf der Weltkonferenz für künstliche Intelligenz getroffen. Wie die „Zeit“ berichtet, machten dort China und die USA die Zukunft der KI unter sich aus. Eingeladen hatten die Wirtschaftsplanungskommission Chinas, diverse Ministerien und die Stadt Shanghai. Gekommen waren alle mit Rang und Namen: Bosse von Alibaba, Tencent, Baidu, Huawei und Xiaomi, aber auch der Vizepräsident von Google, hochrangige Manager von Amazon und Microsoft, Nobelpreisträger und führende KI-Forscher aus Stanford, Berkeley und Cambridge.
In Vorträgen und Diskussionsrunden ging es um den zukünftigen Einsatz von künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen, in Verkehr, Handel, Logistik, Landwirtschaft, Verwaltung, in der Justiz, im Finanzsystem, kurz: in allem.
Erst im Juli 2017 legte die chinesische Führung den Plan vor, bis 2030 zur globalen Nummer eins auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz aufzusteigen. Seither gehen Staat und Unternehmen Großprojekt nach Großprojekt an.
Peking baut derzeit für umgerechnet zwei Milliarden Dollar einen Industriepark für neue KI-Unternehmen. Shanghais Regierung will nun 15 Milliarden Dollar in KI-Projekte investieren, darunter in den Aufbau einer volldigitalisierten „Smart City“.