Cradle to cradle: Elektro-Schrott gegen Rohstoffknappheit
Alle reden von E-Mobilität. Zunehmend bereitet der Industrie der Mangel an Rohstoffen Kopfschmerzen. Lithium, Platin, Gold und Co werden immer knapper. Abhilfe verspricht ein neues Recyclingverfahren: statt Bergbau Rückgewinnung aus Elektroschrott – bis aufs kleinste Atom.
Kobalt ein Rohstoff – von Kindern abgebaut
Kobalt ist ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Handys. Kobalt wird im Tagebau zum Beispiel im Kongo abgebaut. Etwa die Hälfte der globalen Kobalt-Reserven liegt laut „Welt“ dort. Kobalt bauen oft Minderjährige in mühevoller Kleinarbeit ab. Dem Kobalt ist diese Herkunft nicht anzusehen. Ein Problem für Batteriehersteller, das sich schon bald von selbst erledigen könnte, und das auf zweierlei Art:
- Die Kobalt-Tagebaustätten im Kongo neigen sich dem Ende zu. Nach dem derzeitigen Stand reichen die bekannten Reserven an Kobalt nur noch elf Jahre, wie eine Studie der Beratungsfirma IW Consult im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. zeigt, über die die Münchner „Abendzeitung“ (AZ) berichtet. Ob das gut oder schlecht für die Kinder dort wäre, sei dahingestellt. Schlecht dürfte es für die Batteriehersteller sein.
- Es tun sich andere Bezugsquellen für das begehrte silbergraue Metall auf. Karl Lichtblau, Geschäftsführer von IW Consult (Essen), sieht gegenüber der AZ in den Ergebnissen seiner Studie zwar keinen Anlass für Panik, dafür aber einen Appell an die Branche: „Leute, kümmert euch!“
Rote Liste verknappter kritischer Rohstoffe
Kobalt ist nicht das einzige Material, das IW Consult in der Studie auf die Rote Liste der am meisten von Verknappung bedrohten kritischen Rohstoffe setzt, wenngleich jenes mit der obersten Priorität. Des Weiteren werden unter anderem Lithium oder Graphit für die Herstellung von E-Auto-Batterien benötigt. Deren Vorkommen sind ebenfalls begrenzt und liegen zum Teil in Ländern mit kritischen politischen und sozialen Strukturen. Der Zeitungsbericht erwähnt das „Bayerische Zentrum für Batterietechnik“ (BayBatt) in Bayreuth. Es weise den Weg mit Hilfe der „4R-Strategie“:
- Reduce, verringere: die Kürze der gesamten Lebensdauer durch Steigerung der Effizienz von Batterien
- Reuse, verwende wieder: ausgediente Fahrzeugbatterien in stationären Bereichen etwa als Stromspeicher
- Refabricate, fabriziere erneut: wechsle defekte Batteriezellen nach der üblichen Lebensdauer aus
- Recycle, führe wieder dem Kreislauf zu.
Lösung für das vierte R
Zumindest für das vierte R und damit für die unter den zur Neige gehenden Rohstoffvorkommen leidenden Batteriehersteller zeichnet sich jetzt eine Lösung ab, die den Appell Lichtblaus in einer bislang nicht bekannten Gründlichkeit zu befolgen sich anschickt, und zwar nicht nur für das Metall Kobalt, sondern für alle in Elektroschrott enthaltenen Rohmaterialien. Die Start-up-Firma Reco-eWaste aus München recycelt:
- Computer
- Laptops
- Smartphones
- Kabelreste
- Industriebatterien
- Rohre
- Messing
- Bronze
- Alt-Kupfer
- Schmuck
- Silber, etc.
Reco-eWaste – kreislaufzertifizierter Entsorgungsfachbetrieb
Der für den gesamten Kreislauf zertifizierte Entsorgungsfachbetrieb (EFB) mit derzeit drei Annahmestellen in Ober- und Niederbayern erhält teilweise von großen Entsorgerfirmen oder Unternehmen, teilweise von privat Elektroschrott zum Teil schon sortiert und zerlegt, zum Teil unsortiert. Ebenso recycelt das Unternehmen Industriebatterien aus Elektrofahrzeugen wie auch kleinere Batterien aus z.B. E-Scootern, wie Firmenchef Rudolf Stokar von Neuforn mitteilt. Stokar: „Wir nehmen uns die Zeit, sämtliche Geräte und Komponenten zu zerlegen.“ Man mache den Produktionsprozess rückgängig. Dadurch könne man diese Komponenten bis auf die Rohmaterialien recyceln. „Wir sind also ein kleines Bergbau-Unternehmen.“
Wichtige Rohstoffe als hochreine Materialien
Das Ergebnis: Reco-eWaste erhält als hochreine Materialien zurück wichtige Rohstoffe wie z.B.:
- Kupfer
- Rhodium
- Gold
- Titan
- Palladium
- Lithium
- Kobalt
- Aluminium
- Eisen
Innovative Eigenentwicklung
Diese Materialien würden „mit großer Sorgfalt“ (Stokar) in großen Flüssigkeitstanks voneinander getrennt. Das Unternehmen will nahezu alle der bei der Produktion verarbeiteten Materialien zurückgewinnen können. Möglich wird dies durch ein
- selbst entwickeltes
- innovatives,
- chemiefreies und
- schonendes Verfahren.
Rückführung in atomare Anfangsstruktur
Der Aufwand sei allerdings höher, der Prozess dauere länger, räumt Stokar ein. Dafür sei der Ertrag umso besser. Der Prozess führe alle im Elektroschrott enthaltenen Materialien in ihre initiale atomare Struktur zurück, ohne jegliche Verunreinigungen. Dadurch sei man in der Lage, ausschließlich aus den recycelten Sekundärrohstoffen hochreine und hochfeine Metallpulver herzustellen. Kunden von Reco-eWaste verwenden laut Stokar die Pulver für:
- Laserstrahlschmelzen (Laser Powder Bed Fusion – LPBF)
- direktes Metall-Laser-Sintern (DMLS)
- andere Anwendungsmöglichkeiten.
Als typische Anwendungen nennt Stokar 3D-Druck mit:
- Titan,
- Stahl
- Aluminium
- Kupfer
- Nickel,
- Gold,
- Platin,
- Palladium,
- Seltene Erden,
- Legierungen.
Die Produkte zeichneten sich durch geeignete Eigenschaften aus wie
- Stabilität,
- Zugfestigkeit,
- Leitfähigkeit (bis zu 125 Prozent),
- Dichte,
- mit (durch elektrolytische Raffination hergestellt sauerstoffhaltig, zähgepolt, electrolytic tough pitch – ETP) oder ohne (oxygen-free, high-conductivity – OFHC) Sauerstoff.
Metallpulver in fast absoluter Reinheit
Stokar: „Wir können eine breite Palette von Metallpulvern bis zu einer Reinheit von 99,99998 Prozent und einer Gewebefeinheit von 2500 mesh (engl. für Masche) oder bis zu 20 nano (0,02 mm) kostengünstig und in großen Mengen herstellen.“ Für die additive Fertigung würden Metallpulver mit einer Reinheit von 99,95 Prozent bis 99,998 Prozent und einer Feinheit zwischen 10 und 60 μm (mikron) eingesetzt. Als Form fragten Kunden laut Stokar dendritisches (baum- oder strauchartige Kristallstrukturen), sphärisches (kugelförmiges), oder spratziges (gröberes, mit eher kantiger Oberfläche) Material nach.
Stokar: „Stellen Sie sich vor, wir könnten irgendwann aufhören, neue Rohstoffe in Minen abzubauen, weil wir aus dem Recycling immer genug Material für die Produktion neuer Produkte recyceln könnten! Das wäre ein geschlossener Kreislauf, eine Kreislaufwirtschaft von der Wiege zur Wiege, cradle2cradle.“