23.03.2023

CO2 im Meeresboden: Durchbruch bei Kohlenstoffabscheidung?

Die Erde wird immer wärmer – bereits jetzt um 1,1 °C über dem vorindustriellen Niveau; bei 1,5 °C soll Schluss sein. Der Uno-Klimarat drängt, die Aufheizung zu bremsen. Die Verklappung von CO2 stieß auf Probleme. Die scheint ein Wissenschaftsprojekt jetzt gelöst zu haben.

CO2 im Meeresboden

IPCC stellt Bericht zum Klimawandel vor

Die Mittel zur Linderung und Anpassung stehen längst bereit. Was fehlt, ist entschlossenes Handeln. So laut einem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) die Quintessenz der Vorstellung des neusten Berichtes zum Klimawandel durch den Uno-Klimarat (IPCC) in Interlaken am 202.03.2023. „Wir haben die Lösungen“, zitiert das Blatt eine Autorin des Berichts, Friederike Otto vom Imperial College London. Es sei nicht so, dass eine Technologie oder Kenntnisse fehlen würden. Neue Ergebnisse enthalte der Synthesebericht keine. Er fasse die IPCC-Berichte der vergangenen fünf Jahre zusammen. Eingeflossen seien die ersten drei Teilberichte des letzten Sachstandsberichts sowie drei zuvor erschienene Sonderberichte. Letztere befassten sich mit:

  • dem 1,5 °C -Limit,
  • den Landflächen,
  • den Ozeanen und
  • dem Eis.

49 Wissenschaftler hätten den rund 50-seitigen Synthesebericht verfasst. Laut den Autoren ist die Temperatur bereits um 1,1 °C über das vorindustrielle Niveau gestiegen. Inzwischen ist es wahrscheinlicher, dass die Grenze von 1,5 °C, die man sich 2015 im Pariser Abkommen gesetzt hat, in den nächsten Jahrzehnten überschritten wird, als dass das nicht passiert. Selbst eine Erwärmung um 2 °C sei nur zu vermeiden, wenn der Ehrgeiz beim Klimaschutz stark wachse. Bleiben die gegenwärtig umgesetzten politischen Konzepte zum Klimaschutz bestehen, rechnet man bis 2100 mit einer Erwärmung um 2,2 bis 3,5 °C. Der Synthesebericht ist eine der Grundlagen für die internationalen Verhandlungen zur Klimapolitik. So wird er an der Klimakonferenz der Vereinten Nationen zu Rate gezogen am 30. November in Dubai. Dort soll erstmals eine weltweite Bestandsaufnahme der Bemühungen zum Klimaschutz erfolgen – wie 2015 im Pariser Abkommen vereinbart.

Hauptproblem CO2-Ausstoß

Um die Überschreitung zu verhindern, müsste man den CO2-Ausstoss spätestens bis Anfang der 2050er Jahre auf netto null senken und anschließend der Luft CO2 entziehen. Danach sehe es derzeit nicht aus. Allenfalls hätten die Emissionen ein Plateau erreicht, aber sie sänken noch nicht, schreibt die Zeitung.

Kohlenstoffabscheidung und -speicherung funktioniert

Ein Konsortium unter Leitung von Ineos konnte erfolgreich zeigen, dass Kohlenstoffabscheidung und -speicherung funktioniert. Das berichtet die Chemiefachzeitschrift „Process“. Kohlendioxid aus Belgien wurde im Rahmen des Projektes „Greensand“ erfolgreich abgeschieden, transportiert und unter der dänischen Nordsee gespeichert. Schlüsseltechnologie, um das dänische Netto-Null-Ziel für 2045 zu erreichen, ist „Carbon Capture and Storage” (CCS).

Kronprinz injiziert CO2 unter die Nordsee

Seine Königliche Hoheit Kronprinz Frederik von Dänemark hat laut einer Pressemitteilung von Ineos am 08.03.2023 in Esbjerg mit der sicheren Injektion von Kohlendioxid aus Belgien in ein erschöpftes Ölfeld in der dänischen Nordsee offiziell eine Weltneuheit eingeleitet. Das Projekt „Greensand“ zeigt demnach zum ersten Mal, dass die CO2-Speicherung von der Abscheidung an einem Ineos Oxide-Standort in Belgien über den grenzüberschreitenden Transport bis hin zur sicheren und dauerhaften Speicherung im von Ineos betriebenen Nini-Feld in der dänischen Nordsee möglich ist.

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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erklärte: „Dies ist ein großer Moment für den grünen Wandel in Europa und für unsere Cleantech-Industrie.“ Es sei der Start der ersten vollständigen Wertschöpfungskette für die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in Europa. Von der Leyen: „Sie zeigen, dass es möglich ist. Dass wir unsere Industrie durch Innovation und Wettbewerb ausbauen und gleichzeitig durch Einfallsreichtum und Zusammenarbeit Kohlenstoffemissionen aus der Atmosphäre entfernen können. Das ist es, worum es bei der Wettbewerbsfähigkeit Europas geht.“

Acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr

Bis 2030 will das Projekt bis zu acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in diesem Gebiet speichern und damit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis und Wachstum der Kohlenstoffspeichertechnologie leisten. Die Europäische Kommission schätzt, dass die EU bis zu zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern muss, um ihre Klimaziele zu erreichen.

„Project Greensand“ ist ein Konsortium von 23 Organisationen mit Expertise in der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, darunter neben den führenden Konsortialpartnern Ineos und Wintershall Dea weitere Unternehmen, Hochschulen, Regierungen und Start-ups. Der dänische Staat unterstützt das Projekt durch das „Energy Technology Development and Demonstration Program” (EUDP).

Speicherung 1.800 Meter unter dem Meeresboden

Das in das Nini-Feld injizierte CO2 wird in einer Tiefe von etwa 1.800 Metern unter dem Meeresboden gespeichert und genau überwacht. Ineos und Wintershall Dea bringen zwei Jahrzehnte Erfahrung mit der Ölförderung im Feld Nini West und verfügen über umfassende Kenntnisse der genutzten Lagerstätten. Laut Ineos handelt es sich um die weltweit erste grenzüberschreitende Offshore-CO2-Speicherung zur Eindämmung des Klimawandels. Nach Angaben des Global CCS Institute gibt es weltweit 197 CCS-Projekte im kommerziellen Maßstab. Die überwiegende Mehrheit der operativen Projekte injiziert CO2 in den Untergrund mit dem Ziel der verbesserten Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery EOR). EOR bezieht sich auf den Prozess der Steigerung der Ölproduktion.

Andere CCS-Projekte

Nur neun Projekte mit geologischem Speicherzweck ohne EOR sind laut Ineos in Betrieb. Keines davon diene aber ausschließlich der Speicherung zur Eindämmung des Klimawandels. Zudem transportiere nur eines der 197 Projekte CO2 über Ländergrenzen hinweg.

  • Das „Weyburn-Midale“-Projekt transportiert CO2 über eine Pipeline von den USA nach Kanada. Der Zweck dieses Projekts ist ebenfalls die verbesserte Ölgewinnung.
  • Das „Carbfix1“-Projekt in Island ist ein Pilotprojekt und gehört nicht zu den 197 kommerziellen Projekten. Carbfix1 ist ein Onshore-CO2-Speicherprojekt. Es ist operativ, grenzüberschreitend und zielt darauf ab, den Klimawandel zu mildern.

Aufbauend auf den Erkenntnissen des Global Status of CCS 2022-Berichts und des Carbfix-Projekts in Island schließt Ineos den Schluss, dass das Projekt Greensand mit First Carbon Storage die weltweit erste grenzüberschreitende Offshore-CO2-Speicherung zur Eindämmung des Klimawandels durchführt.

CO2 sicher in der Nordsee speichern

Der dänische Untergrund eignet sich nach Einschätzung der Greensand-Initiatoren für die CO2-Speicherung. Der Geologische Dienst von Dänemark und Grönland (GEUS) schätzt, dass es ein Potenzial gibt, 22 Gigatonnen (gt) CO2 im dänischen Untergrund zu speichern; das entspricht etwa 700 Jahren dänischer CO2-Emissionen auf dem aktuellen Niveau.

Die Sandsteinfelder des größeren Siri Fairway, auf dem das Nini-Feld in der dänischen Nordsee liegt, befinden sich in einer optimalen Tiefe von 1,5 bis 2,2 Kilometern. Es sei geologisch äußerst stabil und habe Gas und Öl für mehr als zehn Millionen Jahre zurückgehalten. Das stelle eine sehr sichere dauerhafte Speicherstätte für CO2 dar.

Bahnbrechende Vereinbarung vom September 2022

Am 29. September 2022 unterzeichneten Vincent Van Quickenborne, stellvertretender belgischer Ministerpräsident und Minister für die Nordsee, Zuhal Demir, die flämische Ministerin für Umwelt und Energie, und Dan Jørgensen, ehemaliger dänischer Minister für Klima, Energie und Energieversorgung in Dänemark, eine Vereinbarung, die es ermöglicht, abgeschiedenes CO2 über Grenzen hinweg zu transportieren und geologisch zu speichern. Sie ebneten damit den Weg für das Projekt „Greensand“, um die erste Kohlenstoffspeicherung zu initiieren. Am 6. Dezember 2022 erteilte die dänische Energieagentur dem Projekt Greensand die Erlaubnis, im Rahmen einer Pilotphase CO2 im dänischen Untergrund zu speichern.

Am 6. Februar 2023 haben Ineos und Wintershall Dea die erste vollständige CO2-Speichergenehmigung in der dänischen Nordsee vom dänischen Ministerium für Klima, Energie und Versorgung erhalten. Die endgültige Finanzierungsentscheidung (Final Investment Decision FID) für das Großprojekt wird nach dem Machbarkeitsnachweis in der ersten Jahreshälfte 2024 erwartet und eine geschätzte Lieferdauer von etwa 24 Monaten haben. Danach könnte die Kohlenstoffspeicherung ab etwa 2025 in Betrieb gehen, schätzt Ineos.

Gesetzgebung zur Kohlenstoffspeicherung

Deutschland arbeitet an einer Gesetzgebung, um die Nutzung der Technologie der unterirdischen Kohlenstoffspeicherung zu ermöglichen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wies laut „Tagesschau“ auf die Aussichten eines „neuen Marktes“ für die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung hin. Die Technologie müsse in großem Maßstab eingesetzt werden. Gegner behaupten, sie sei unbewährt und bei der Dekarbonisierung des Energiesektors weniger effektiv als Alternativen wie Solar- und Windenergie. Habeck hält dagegen, dass „wir uns nicht mehr in einer Situation befinden, in der wir uns etwas aussuchen können“. CO2 unter die Erde zu bringen sei besser als es in die Atmosphäre zu entlassen.

Das bestehende Kohlendioxidspeicherungsgesetz von 2012 regelt:

  • Erforschung,
  • Erprobung und
  • Demonstration von Speichertechnologien in unterirdischen Gesteinsschichten.

BUND gegen CO2-Lagerung unter Nordsee

Es schreibt zudem vor, dass die Bundesregierung alle vier Jahre einen Bericht zum Stand der Umsetzung und über die im In- und Ausland gesammelten Erfahrungen mit der Technologie erstellt. Laut dem aktuellen Bericht von 2022 steht die rechtliche Lage in Deutschland einer Anwendung der Kohlendioxid-Speicherung derzeit entgegen. Die Genehmigung von CO2-Leitungen zum Zwecke von Kohlenstoffspeicherung und -Nutzung (Carbon Capture and Utilization CCU) sei rechtlich nicht möglich.

Kritiker von CCU und CCS weisen auf etwaige Umweltgefahren im Falle eines unkontrollierten Austretens von CO2 aus solchen Speichern hin. Wegen dieser Umweltgefahren sind vor allem Umweltschützer gegen den CCS-Technologie. Der Umweltverband BUND kündigte Widerstand gegen Habecks Pläne an. Anstatt die CO2-Abgase zu reduzieren, wolle die Industrie sie unter dem Meer lagern, kritisierte BUND-Chef Olaf Bandt. „Aber die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll“, so Bandt. CO2 dort zu verpressen, sei profitabel für die Gasindustrie. Sie kalkuliere Lecks ein – ohne Rücksicht auf die Gefahren für den Lebensraum dort.

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)