18.07.2023

China reagiert auf US-Chip-Embargo

Tit for tat – Wie du mir, so ich dir. Das Spiel läuft derzeit zwischen den beiden Supermächten China und USA. Zuerst beschränken die USA den Export von Hochleistungschips an China. Nun erschwert China mit seinem Embargo den Export für die Chipherstellung wichtiger Rohstoffe.

China US-Chip-Embargo

Ausfuhrlizenz für Gallium- und Germanium-Produkten aus China 

Ab dem 1. August 2023 müssen Unternehmen für die Ausfuhr von Gallium- und Germanium-Produkten aus China eine Lizenz beantragen. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf das Handelsministerium in Peking. Damit wolle das Reich der Mitte seine strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik wahren. Die Umsetzung der Maßnahmen wollten die Behörden mit den betroffenen Unternehmen erörtern.  

Vorausgegangen waren Maßnahmen seitens der USA in den vergangenen Monaten zur Einschränkung unter anderem  

  • des Exports von Hochleistungschips sowie  
  • von Maschinen für deren Produktion.  

„heise Online“ bringt den Schritt in Zusammenhang mit dem Druck der USA auf den niederländischen Weltmarktführer ASML nur noch alte Lithografie-Systeme nach China zu verkaufen.  

China verbietet Einsatz von Micron-Chips 

Das Magazin zitiert das »Wall Street Journal«, die Regierung in Washington denke außerdem darüber nach, den Zugang chinesischer Firmen zu bestimmten Angeboten von US-Cloudanbietern zu begrenzen. Gleichzeitig wachse der Druck der Biden-Administration auf westliche Telekom-Konzerne, wegen Sicherheitsbedenken in ihren Mobilfunknetzen auf den Einsatz von Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei zu verzichten. Die Volksrepublik hatte darauf bereits an anderer Stelle reagiert. So verbot sie bestimmten Unternehmen und Organisationen den Einsatz von Chips des US-Herstellers Micron. Ein Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in China vor einigen Wochen hatte nicht zu einer nachhaltigen Entspannung der Beziehungen geführt.  

Embargos aus verschiedenen Gründen 

Embargos wie das gegen und von China jetzt werden laut dem Bundesamt für Außenwirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) aus außen- oder sicherheitspolitischen Gründen angeordnet und beschränken die Freiheit im Außenwirtschaftsverkehr gegenüber bestimmten Ländern. Oftmals steht am Anfang eines Embargos ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates. Deren Umsetzung erfolgt für die Mitgliedstaaten der EU in Form von Standpunkten der EU als Instrument der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Im Rahmen der GASP kann der Rat der Europäischen Union jedoch eigene Embargomaßnahmen verhängen, die nicht auf eine UN-Resolution zurückgehen. Die Beschlüsse des Rates im Rahmen der GASP sind völkerrechtlich für die Mitgliedstaaten verbindlich. Damit die Vorgaben der GASP-Beschlüsse unmittelbar geltendes EU-Recht werden, bedürfen diese einer weiteren Konkretisierung und Umsetzung durch unmittelbar geltende EU-Verordnungen oder durch nationale Rechtsakte. 

Je nach Umfang der Beschränkungen können drei Embargoarten unterschieden werden:  

  • Totalembargos,  
  • Teilembargos und  
  • Waffenembargos. 

Inhalt und Umfang der erlassenen Maßnahmen sind in Abhängigkeit zum jeweiligen Ziel unterschiedlich. Zudem können sie vielfältige Beschränkungen und Verbote enthalten. Daher rat das Bafa, im Einzelfall genau zu prüfen, ob die geplante Handlung und das zugrundeliegende Rechtsgeschäft von Beschränkungen betroffen sind. Embargoregelungen können betreffen:  

  • die Ausfuhr des Gutes,  
  • die Einfuhr von Gütern,  
  • den Kapital- und Zahlungsverkehr,  
  • die Erbringung von Dienstleistungen sowie  
  • den Abschluss und die Erfüllung von Verträgen. 

Die in den Embargovorschriften enthaltenen Regelungen bzw. Güterbeschreibungen in den entsprechenden Anhängen gehen den allgemeinen ausfuhrrechtlichen Regelungen vor. Allerdings bleiben die allgemeinen Regelungen daneben weiterhin anwendbar. Sollten die Voraussetzungen der Embargovorschriften nicht gegeben sein, sind stets die allgemeinen ausfuhrrechtlichen Regelungen, d. h. insbesondere die EG-Dual-use-Verordnung, zu berücksichtigen, so das Bafa. 

Scholz: „rechtliches Regime“ 

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die Bundesregierung beobachte „die Entwicklung sehr genau“. Es handele sich bei der Entscheidung der Regierung in Peking bislang allerdings um ein „rechtliches Regime“ und nicht um eine Exportbeschränkung. Ob eine solche Beschränkung folgen werde, sei „dann eine Frage, die uns sehr interessiert“, betonte der Kanzler. Falls die Volksrepublik die Exportbeschränkungen auf andere Metalle wie das zur Herstellung von Elektroauto-Batterien benötigte Lithium ausweite, stehe die hiesige Wirtschaft vor größeren Problemen, warnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Digitalverband Bitkom und Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderten, die Anstrengungen für eine größere Unabhängigkeit von Rohstoff- und Technologie-Importen zu intensivieren.  

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Chinas Antwort auf EU-Chips Act 

Die Europäischen Union (EU) hat mit dem „Chips Act“ ein Programm aufgelegt, um die Ansiedlung von Halbleiter-Werken zu fördern. Die Ankündigung des chinesischen Handelsministeriums folgt laut „Handelsblatt“ auf die Verabschiedung dieser neuen wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie der EU, die eine Überwachung kritischer Technologieexporte anstrebt und im Namen der nationalen Sicherheit Investitionen ins Ausland einschränken könnte. Auf diese Weise will sie weniger abhängig von China werden. Dadurch soll der Weltmarkt-Anteil der Chip-Produktion bis 2030 auf etwa 20 Prozent verdoppelt werden. Sollte China die Ausfuhr der Metalle reduzieren, könnte sich das negativ auf die Bemühungen der EU, ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren, auswirken, berichtet das „Handelsblatt“. Überdies zeige der Schritt die Grenzen westlicher Bestrebungen auf, die Lieferketten nach außerhalb des Einflussbereichs der chinesischen Staatsführung zu verlagern. 

Die Chiphersteller Infineon und Intel beziehen ihre Rohstoffe generell aus unterschiedlichen Regionen. Derzeit sehen beide keine größeren Auswirkungen auf die Materialversorgung, die die Produktionskapazitäten beeinträchtigen würden.  

Streeter: Vergeltungsmaßnahme 

Analystin Susannah Streeter vom Brokerhaus Hargreaves Landsdown sagte laut „Spiegel“: „Das sieht nach einer Vergeltungsmaßnahme aus, nachdem die USA einige Chipexporte verboten haben.“ John Strand, Gründer der Beratungsfirma Strand Consult, warnte vor Panikreaktionen. Für Gallium und Germanium gebe es anders als bei anderen sogenannten Seltenen Erden durchaus Anbieter außerhalb Chinas. Zwar trieben Beschränkungen die Preise. „Aber für den Rest der Welt sind sie keineswegs so schmerzhaft wie die US-Restriktionen der Chipexporte für China“, so Strand laut „Spiegel“.  

US-Sanktionen getroffen, wo es wehtut 

Anders der Chef des Bergbau-Verbands in China, Peter Arkell. China habe die US-Handelsbeschränkungen „dort getroffen, wo es wehtut“. Laut „Heise online“ dominiert China die Erzeugung der beiden Metalle, die für die Energiewende und die Digitalisierung von großer Bedeutung sind. Europa sei bei der Versorgung mit Gallium und Germanium von chinesischen Produzenten abhängig. Wie hoch die chinesischen Exportquoten würden, sei nicht bekannt. Jedenfalls werde ihr Einkauf teurer und aufgrund monatelanger Genehmigungsverfahren langsamer.  

Begrenzte Auswirkungen auf Südkorea und Taiwan 

Südkorea und Taiwan rechnen nach eigenen Angaben vorerst nur mit begrenzten Auswirkungen der chinesischen Exportkontrollen. In diesen beiden Ländern sitzen mit Samsung und TSMC zwei der weltgrößten Chiphersteller. Japan und die Europäische Union prüfen die möglichen Effekte auf die jeweils eigene Wirtschaft. Letztere hatte sich vergangene Woche darauf geeinigt, die Abhängigkeit von China zu reduzieren, die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft gleichzeitig aber als Partner zu halten. Der Nachrichtenseite Caixin zufolge gehörten 2022 Japan, Deutschland und die Niederlande zu den wichtigsten Abnehmern von Gallium-Produkten. Bei Germanium lägen Japan, Frankreich, Deutschland und die USA vorne. Diese Metalle werden vor allem eingesetzt in:  

  • Computerchips,  
  • Telekommunikation,  
  • Solar-Panelen  
  • Elektroautos. 

Germanium wird benötigt beispielsweise für  

  • Solarzellen, Computerchips  
  • Infrarotlinsen  
  • für Militärs in Nachtsichtgeräten sowie  
  • bestimmten Satellitensensoren.  

Gallium und speziell als Galliumarsenid ist wichtig für:  

  • Bauteile der Hochfrequenztechnik in  
  • Mobiltelefonen  
  • Radaren  
  • Satelliten  
  • hitzeresistente Chips,  
  • Leucht- und Laserdioden,  
  • Solarzellen für Satelliten,  
  • Glasfasernetze  

Wissenschaftliche Forschung 

Für bestimmte wissenschaftliche Forschung ist Galliumarsenid von erheblicher Bedeutung. Die USA versuchen seit Jahren, China den Zugang zu modernen Computerchips zu erschweren, scheibt „Heise online“. Damit dieses Embargo nicht an Wirkung einbüßt, überlege Washington ein Verbot von High-End-Cloud-Diensten für Kunden in der Volksrepublik. Diese wiederum denke an zusätzliche Exportbeschränkungen für seltene Erdelemente. Sie sind wichtig beispielsweise für  

  • Akkumulatoren,  
  • Elektromotoren,  
  • Windkraftgeneratoren,  
  • Leuchtdioden,  
  • Bildschirme,  
  • Laser,  
  • Radare,  
  • Glasfasern  
  • Kontrastmittel für Magnetresonanztomografie.  

Auch hier sei der Einfluss nicht nur auf militärische Belange, sondern auf die Digitalisierung und die Energiewende offensichtlich. 

Germanium Nebenprodukt der Gewinnung von Zink 

Germanium ist ein Nebenprodukt der Gewinnung von Zink und aus der Flugasche von Kohlekraftwerken. China produziere mehr als die Hälfte des auf dem Weltmarkt verfügbaren Germaniums. Gallium falle vor allem bei der Aluminiumproduktion an. Hier dominiere China zu 80 Prozent den Markt. Nur wenige Hersteller weltweit böten Galliumarsenid in der für Elektronik erforderlichen Reinheit. Das „Handelsblatt“ zitiert aus einer Studie der EU. Der zufolge stammen weltweit aus der Volksrepublik  

  • 94 Prozent des Galliums  
  • 83 Prozent des Germaniums.  

Die EU selbst bezieht aus China 

  • 71 Prozent des Galliums und  
  • 45 Prozent des Germaniums. 

Kosten für Verarbeitung hoch 

Dabei sei keines der beiden Metalle besonders selten. Allerdings seien die Kosten für die Verarbeitung hoch. Der Preiswettbewerb chinesischer Lieferanten habe viele Hersteller in anderen Ländern zur Aufgabe gezwungen oder Länder wie Deutschland und Kasachstan zum Zurückfahren ihrer Förderung. Allerdings dürfte der Westen noch „mindestens ein Jahrzehnt brauchen, um sich von Chinas Rohstofflieferketten zu lösen“, sagt Simone Tagliapietra, Wissenschaftler beim Brüsseler Thinktank Bruegel im „Handelsblatt“. Derzeit habe Peking „in diesem Spiel die Oberhand“. 

Autor*in: Friedrich Oehlerking (Freier Journalist und Experte für Einkauf, Logistik und Transport)