Werbung: Schutz gegen wild abgelegte Werbezettel
„Bitte keine Werbung einwerfen!“ Wer dies auf seinen Briefkasten schreibt, hat deutlich formuliert. Aber was ist, wenn die Werbezettel dann künftig in Ritzen und Zwischenräumen der Briefkastenanlage stecken? Kann sich ein Eigentümer oder ein Mieter dagegen rechtlich wehren?
UNTERLASSUNGSANSPRUCH AUCH FÜR MIETER
Das hat das Gericht entschieden
Die Inhaber von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus können verlangen, dass Werbezettel nicht in Ritzen und Zwischenräume der Briefkastenanlage am Haus geklemmt werden. Genauso wenig ist es erlaubt, Werbezettel irgendwo auf dem Grundstück abzulegen.
Diesen Unterlassungsanspruch kann jeder einzelne Wohnungsinhaber durchsetzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er die Wohnung gemietet hat oder ob er Eigentümer der Wohnung ist.
Das alles gilt unter der Voraussetzung, dass alle Wohnungsinhaber an ihren Briefkästen den Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ oder ein ähnlich formuliertes Werbeverbot angebracht haben.
Das war die Ausgangslage
Ort des Geschehens ist ein Mehrfamilienhaus in München. Vor diesem Haus steht eine Briefkastenanlage. Dort hat jeder Wohnungsinhaber einen eigenen Briefkasten. Alle Wohnungsinhaber haben auf ihren Briefkästen den Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen!“ angebracht. Das half bis zu einem gewissen Grad. Denn direkt in die Briefkästen wurde tatsächlich keine Werbung mehr eingeworfen.
Allerdings kam es stattdessen immer wieder vor, dass Werbeflyer eines Umzugsunternehmens in Ritzen und Zwischenräumen der Briefkastenanlage festgeklemmt wurden. Das missfiel einem der Wohnungsinhaber. Deshalb fing er an, sich dagegen zu wehren.
Das waren die zwei rechtlichen Schritte des Wohnungsinhabers
Als ersten Schritt wandte sich der Wohnungsinhaber unmittelbar an das Umzugsunternehmen, dessen Werbeflyer ihn störten. Dies tat er mit einem Schreiben, in dem er vom Unternehmen eine „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ forderte.
Das bedeutet:
- Der Wohnungsinhaber forderte zum einen, dass das Unternehmen verspricht, künftig keine Werbeflyer mehr an die Briefkastenanlage zu klemmen oder klemmen zu lassen. Das ist mit dem Begriff „Unterlassungserklärung“ gemeint.
- Zum anderen forderte der Wohnungsinhaber von dem Unternehmen, dass es an ihn eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe zahlt, wenn es sein Versprechen bricht. Das ist mit dem Begriff „strafbewehrt“ gemeint.
Auf diese Forderung reagierte das Umzugsunternehmen in keiner Weise. Deshalb machte der Wohnungsinhaber den zweiten Schritt. Er erhob Klage auf Unterlassung gegen das Unternehmen. Diese Klage war beim Amtsgericht München erfolgreich.
Diese Gründe waren für das Gericht maßgebend
Jeder einzelne Wohnungsinhaber hat einen Unterlassungsanspruch
Zunächst befasst sich das Gericht mit der Frage, ob ein einzelner Wohnungsinhaber einen solchen Unterlassungsanspruch überhaupt geltend machen kann. Immerhin gibt es in einem Mehrfamilienhaus eine möglicherweise große Zahl von Wohnungsinhabern.
Für das Gericht steht es außer Frage, dass jeder einzelne Wohnungsinhaber für sich allein gegen unerwünschte Werbezettel vorgehen kann, die irgendwo an die Briefkastenanlage gesteckt werden Er muss sich also dafür nicht mit den anderen Wohnungsinhabern zusammentun. Denn, so das Gericht: Jeder Wohnungsinhaber ist Mitbesitzer der gesamten Briefkastenanlage, um die es hier geht.
Ob Eigentümer oder Mieter spielt keine Rolle
Sodann stellt das Gericht die Frage, ob es der Unterlassungsanspruch nur Eigentümern von Wohnungen zusteht oder auch Mietern. Aus Sicht des Gerichts macht das keinen Unterschied.
Entscheidend ist allein, dass jemand Inhaber einer Wohnung ist. Denn dies führt dazu, dass er die Briefkastenanlage nutzen darf. Auf die Frage „Eigentum oder Miete?“ kommt es dabei nicht an.
Alle Wohnungsinhaber lehnen Werbung ab
Im konkreten Fall tragen alle Briefkästen der Briefkastenanlage die Aufschrift „Bitte keine Werbung einwerfen!“. Das ist entscheidend. Denn damit machen alle Wohnungsinhaber klar, dass sie Werbeflyer und Ähnliches ablehnen. Somit kann sich niemand darauf herausreden, dass einzelne Wohnungsinhaber nichts gegen Werbeflyer an der Briefkastenanlage hätten.
Es besteht Wiederholungsgefahr
Der Kläger, der sich gegen die „Werbeflyer in den Ritzen“ wehrt, hat für drei konkrete Tage durch Fotos dokumentiert, dass Werbeflyer des Umzugsunternehmens in Ritzen gesteckt waren. Dies belegt, dass eine Wiederholungsgefahr besteht. Denn, so zitiert das Gericht einen bekannten Kommentar zum BGB: „Dass eine Beeinträchtigung bereits stattgefunden hat, ist ein Indiz für das Drohen weiterer Beeinträchtigungen.“
Diese Ausreden lässt das Gericht nicht gelten
Das Umzugsunternehmen, von dem die Werbeflyer stammen, versuchte sich in dreifacher Weise herauszureden:
- „Unbekannte Dritte“ könnten die Werbeflyer in die Ritzen gesteckt haben.
- Andere Verteiler von Werbeflyer könnten die Werbeflyer hineingesteckt haben, um das Umzugsunternehmen in ein schlechtes Licht zu rücken.
- Der Kläger selbst könnte die Flyer in die Ritzen gesteckt haben.
All dies beeindruckte das Gericht nicht. Kühle Antwort des Gerichts: Der erste Anschein spricht dafür, dass die Flyer in den Ritzen im Auftrag des Umzugsunternehmens verteilt wurden. Das sei ein typischer Geschehensablauf. Denn das Unternehmen gebe selbst zu, dass es in dem Wohngebiet Werbeflyer verteilt habe. Alles andere seien nicht näher belegte Spekulationen.
Das passiert bei Verstößen gegen die gerichtliche Anordnung
Bei Verstößen gegen die gerichtliche Anordnung droht dem Umzugsunternehmen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €. Und zwar für jeden einzelnen Verstoß. Falls es das Ordnungsgeld nicht zahlen kann, kommt auf den Geschäftsführer des Unternehmens einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu. Es besteht also genug Anreiz, die Anordnung des Gerichts sorgfältig zu beachten.
Die Entscheidung des Gerichts ist hier zu finden
Das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.03.2022 trägt das Aktenzeichen 142 C 12408/21 und ist inzwischen rechtskräftig. Es kann abgerufen werden unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2022-N-44467?hl=true.