09.03.2023

Warnhinweise „von Arbeitgeber zu Arbeitgeber“

Darf ein früherer Arbeitgeber den jetzigen Arbeitgeber warnen, dass aus seiner Sicht bei einem Beschäftigten einiges nicht stimmt? Und das auch noch von sich aus, ohne jede Nachfrage des jetzigen Arbeitgebers? Während Ihr Puls schneller wird: Lesen Sie, warum das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sich mit solchen Ideen ernsthaft befasst hat.

Warnhinweise „von Arbeitgeber zu Arbeitgeber“

Das könnte auch Ihnen passieren

Versetzen Sie sich einmal in folgende Situation: Sie sind dabei, sich von Ihrem jetzigen Arbeitgeber zu trennen. Das Verhältnis ist zerrüttet. Ob das Arbeitsverhältnis überhaupt noch besteht, ist angesichts wechselseitiger Kündigungen unklar. Doch eigentlich ist Ihnen das egal, denn Sie verhandeln bereits mit einem potenziellen neuen Arbeitgeber. Da meldet sich völlig überraschend Ihr bisheriger Arbeitgeber beim neuen Arbeitgeber. Und plötzlich sehen Sie sich mit einer längeren Liste von Vorwürfen Ihres bisherigen Arbeitgebers konfrontiert.

Das war die Aufgabe des Arbeitnehmers

Als „Leitende Fachkraft Gesundheitswesen“ war ein Arbeitnehmer bei seinem bisherigen Arbeitgeber für den Geschäftsbereich „Alltagspaten“ verantwortlich. Alltagspaten unterstützen betreuungsbedürftige Menschen dabei, mit all den Dingen klarzukommen, die sich im täglichen Leben ergeben, vom Einkaufen bis zum Arztbesuch.

Das ist die Situation bisheriger Arbeitgeber – Arbeitnehmer

Das Verhältnis der Fachkraft zu ihrem bisherigen Arbeitgeber darf man als zerrüttet bezeichnen. Die Fachkraft selbst hatte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2021 gekündigt. Wenige Wochen zuvor, mit Schreiben vom 03.05.2021, hatte wiederum der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt. Vorsorglich kündigte er mit diesem Schreiben das Arbeitsverhältnis wegen verschiedener Vorwürfe auch noch fristlos außerordentlich.

Diese zwei Vorwürfe gab der bisherige Arbeitgeber weiter

All dies hätte der Fachkraft gleichgültig sein können. Denn sie stand bereits in Verhandlungen mit einem möglichen neuen Arbeitgeber. Das hatte der bisherige Arbeitgeber freilich mitbekommen. Deshalb wandte er sich am 01.06.2021 telefonisch an den möglichen neuen Arbeitgeber und warnte ihn. Unter anderem erwähnte er dabei zwei Dinge:

  • Die Fachkraft hätte sich den Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem bisherigen Arbeitgeber quasi erschlichen. Sie hätte damals nämlich bei der Bewerbung behauptet, sie befände sich in einer anderen, ungekündigten Stellung. Das hätte aber nicht gestimmt (= Vorwurf 1).
  • Die Fachkraft hätte mehrfach ohne sachlichen Grund Termine mit Neu-Interessenten verschoben. Diese Interessenten wären dann abgesprungen. Das hätte beim bisherigen Arbeitgeber zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden geführt (= Vorwurf 2).

Darum geht es in der Unterlassungsklage

Die Fachkraft verlangte von ihrem bisherigen Arbeitgeber, dass er es künftig unterlässt, aktiv auf potenzielle künftige Arbeitgeber der Fachkraft zuzugehen und erneut solche Behauptungen aufzustellen.

Der bisherige Arbeitgeber weigerte sich standhaft, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Deshalb erhob die Fachkraft Unterlassungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht. Der Rechtsstreit liegt jetzt in der zweiten Instanz beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Das hat das Bundesarbeitsgericht schon zum Thema gesagt

Bei ihren Entscheidungen orientieren sich Arbeitsgerichte in erster Linie an dem, was das Bundesarbeitsgericht zu einem Thema schon einmal gesagt hat. So verhält sich auch das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall. Es fasst die Haltung des Bundesarbeitsgerichts zu solchen Fällen so zusammen:

  • „Versorgt“ ein bisheriger Arbeitgeber einen potenziellen neuen Arbeitgeber mit Informationen über einen Bewerber, liegt darin ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers.
  • Ein solcher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bedarf einer Rechtfertigung.
  • Eine derartige Rechtfertigung kann sich daraus ergeben, dass der bisherige Arbeitgeber schutzwürdige Interessen wahrnimmt, welche die Interessen des Bewerbers überwiegen.
  • Ob das der Fall ist, ist im Rahmen einer Güter- und Interessenabwägung zu klären, die von der konkreten Situation des Einzelfalls ausgeht.
  • Ein Arbeitgeber lässt sich grundsätzlich nicht daran hindern, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.
  • Das kann geschehen, indem der bisherige Arbeitgeber dem möglichen künftigen Arbeitgeber Auskünfte gibt, welche die Leistungen oder das Verhalten des Arbeitnehmers während des bisherigen Arbeitsverhältnisses betreffen.
  • Solche Auskünfte darf der Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeitnehmers erteilen.
  • Die Auskünfte müssen sich auf die Leistung und auf das Verhalten während des bisherigen Arbeitsverhältnisses beschränken. Andere Auskünfte sind nicht erlaubt.

WEKA Manager Datenschutz

Das hat das Gericht entschieden

Die Unterlassungsklage hat nur zum Teil Erfolg. Dabei unterscheidet das Gericht zwischen den beiden Vorwürfen, die der frühere Arbeitgeber an den potenziellen neuen Arbeitgeber weitergegeben hat:

  • Die Weitergabe von Vorwurf 1 (angebliche falsche Angaben in der Bewerbung beim früheren Arbeitgeber) war unzulässig. Denn die umstrittenen Angaben sind in der Bewerbungsphase erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch noch kein Arbeitsverhältnis. Deshalb geht es bei dieser Auskunft nicht um die Leistung oder um das Verhalten der Fachkraft während des Arbeitsverhältnisses mit dem früheren Arbeitgeber, sondern um ein Verhalten während der Anbahnungsphase vor diesem Arbeitsverhältnis.
  • Für zulässig hält das Gericht dagegen die Auskunft über den Vorwurf 2, also die Auskunft darüber, dass die Fachkraft angeblich Interessenten durch völlig unnötige Terminverschiebungen vergrault hat. Denn diese Auskunft betrifft das Verhalten während des Arbeitsverhältnisses.

Im Ergebnis hält das Gericht die Klage damit im Hinblick auf Vorwurf 1 für begründet, im Hinblick auf Vorwurf 2 für unbegründet.

Deshalb wirkt die Entscheidung etwas seltsam

Insgesamt wirkt die Entscheidung des Gerichts seltsam aus der Zeit gefallen. Zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) enthält sie keine Ausführungen. Schon das macht stutzig.

Und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf das sie sich bezieht, stammt aus den Jahren 1984 und 1990. Deshalb sei deutlich darauf hingewiesen, dass die vorliegende Entscheidung nicht rechtskräftig ist. Man kann nur hoffen und wünschen, dass der Fall noch zum Bundesarbeitsgericht kommt. Das liegt allerdings ausschließlich in den Händen der beiden Prozessparteien.

Die Entscheidung des Gerichts ist hier zu finden

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 05.07.2022 – 6 Sa 54/22 ist abrufbar unter https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/JURE220031653.

Autor*in: Dr. Eugen Ehmann (Dr. Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und ist seit Jahren im Datenschutz aktiv.)