Trauerportale im Internet: Ungehörig oder angemessen?
Virtuelle Friedhöfe, Internet-Kondolenzbücher, Web-Gedenkseiten – die Trauer im Netz kennt inzwischen viele Formen. Wer damit noch nichts zu tun hatte, findet etwa auf der österreichischen Seite www.trauerportal.at würdige Beispiele. Schwierig wird es, wenn andere Personen gegen den Willen der Familie eines Verstorbenen eine Todesanzeige für ihn ins Internet stellen oder wenn dort unerwünschte Kondolenzeinträge auftauchen. Ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken zeigt, wogegen sich Angehörige wehren können und was sie hinnehmen müssen.
Eine Witwe ist entsetzt
Die Klage richtet sich gegen den Betreiber einer Internetseite. Klägerin ist die Witwe eines im November 2011 Verstorbenen. Der Betreiber der Seite hatte dort von sich aus eine Todesanzeige für den Verstorbenen veröffentlicht, die folgende Daten enthält:
- vollständiger Vor-und Zunamen
- Geburts- und Sterbedatum
- Wohnort
- Berufsbezeichnung
- letzte Ruhestätte
Entnommen hatte der Betreiber diese Daten einigen Todesanzeigen in Zeitungen. Diese Todesanzeigen hatte die Klägerin zum Teil selbst aufgegeben.
Ferner finden sich auf der Internetseite sieben Kondolenzerklärungen einer Frau. Aus ihnen ergibt sich teils ausdrücklich, teils sinngemäß, dass diese Frau nach ihrer Auffassung die Geliebte des Verstorbenen war und mit ihm eine Liebesbeziehung unterhalten hatte.
Die Witwe sieht sich als „gehörnte“ Ehefrau dargestellt
Die Witwe verlangt vom Betreiber der Seite, dass er sowohl die Todesanzeige als auch die Kondolenzerklärungen löscht. Nach ihrer Auffassung verletzen die Todesanzeige und die Kondolenzerklärungen ihr eigenes Persönlichkeitsrecht und auch das Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemanns. Sie habe keine Genehmigung für die Errichtung eines „virtuellen Grabes“ im Internet erteilt. Außerdem müssten weder sie noch ihr verstorbener Ehemann es sich gefallen lassen, dass eine Frau in Kondolenzeinträgen andeute, ihr Ehemann habe eine ehewidrige sexuelle Beziehung zu dieser Frau unterhalten.
Die Todesanzeige darf bleiben, die Kondolenzeinträge müssen weg
Mit ihren Forderungen hatte die Klägerin nur zum Teil Erfolg. Keine Bedenken hat das Gericht dagegen, dass der Seitenbetreiber eine Todesanzeige ins Netz stellt, ohne hierzu von der Ehefrau oder sonstigen Familienangehörigen des Verstorbenen beauftragt worden zu sein. Die Todesanzeige darf deshalb bleiben. Allerdings – und darin liegt ein klarer Erfolg der Klägerin – verpflichtet das Gericht den Seitenbetreiber dazu, die beanstandeten Kondolenzeinträge im Internet zu löschen.
Die Todesanzeige ist rechtmäßig
Dazu, warum die Todesanzeige im Netz stehen bleiben darf, weist das Gericht vor allem auf Folgendes hin:
- Ob die Klägerin einen möglichen Löschungsanspruch überhaupt auf das Bundesdatenschutzgesetz und die dort enthaltene Löschungsregelung des § 35 Absatz 2 BDSG stützen könnte, ist äußerst zweifelhaft. Die meisten Juristen sind nämlich der Auffassung, dass dieses Gesetz von vornherein keine Anwendung auf die Daten von Verstorbenen findet. Begründet wird dies damit, dass die in ihm vorgesehenen Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Betroffenen eine lebende Person als Betroffenen voraussetzen.
- Im Ergebnis könne dies allerdings dahin stehen. Denn selbst wenn das BDSG anwendbar wäre, würde es die Erstellung von virtuellen Todesanzeigen auch dann zulassen, wenn die Angehörigen des Verstorbenen dies nicht wünschen.
- Dies ergebe sich aus § 29 Absatz 1 Nr.2 BDSG. Demnach ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern und Nutzen personenbezogener Daten dann zulässig, wenn diese Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden sind.
- Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Der Betreiber der Internetseite handle geschäftsmäßig und habe die Daten aus Tageszeitungen entnommen. Eine Tageszeitung sei als eine allgemein zugängliche Quelle anzusehen, da sich daraus jedermann informieren könne.
- Schutzwürdige Interessen des Verstorbenen würden durch die sachlich gehaltene Todesanzeige auf der Webseite nicht verletzt.
- Bei den veröffentlichten Daten handle es sich um „wertneutrale Daten ohne wertenden Bezug zur Persönlichkeit des Verstorbenen“.
- Entgegen der Auffassung der Klägerin werde der Verstorbene durch die Veröffentlichung im Internet nicht zu einer „quasi-öffentlichen“ Person stilisiert, die er zu Lebzeiten nie gewesen sei. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass auch die virtuelle Todesanzeige nur so viel Beachtung finde, wie der Betroffene selbst bereits zu seinen Lebzeiten gefunden habe.
- Dass auf der Seite die Möglichkeit vorgesehen sei, Kondolenzeinträge vorzunehmen, die mit der Todesanzeige verknüpft werden, ändere daran nichts. Der Internetauftritt sei nicht darauf ausgerichtet, zu Äußerungen mit abwertender Tendenz anzuregen.
- Der Betreiber der Seite sei deshalb befugt, sachlich gehaltene Daten von Verstorbenen aus allgemein zugänglichen Quellen wie Tageszeitungen zu entnehmen und sie dann als „Todesanzeige“ auf seiner Seite zu veröffentlichen.
Die Kondolenzeinträge verletzen das Persönlichkeitsrecht
Verlangen könne die Klägerin allerdings, dass der Betreiber der Seite künftig keine Kondolenzeinträge mehr verbreite, die den Eindruck erwecken, der Verstorbene habe eine außereheliche Liebesbeziehung unterhalten. Soweit jetzt schon solche Einträge vorhanden sind, muss er dafür sorgen, dass sie gelöscht werden. Dies begründet das Gericht wie folgt:
- Durch die Behauptung, dass die Klägerin von ihrem Ehemann betrogen worden sei, werde sie in ein negatives Licht gerückt.
- In dieser Behauptung liege eine unrichtige Tatsache, durch die die Ehre der Klägerin verletzt wird.
- Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, nicht als „gehörnte“ Ehefrau zu erscheinen.
- Da die Klägerin den Beklagten auf die ehrverletzenden Behauptungen hingewiesen hat, wäre er verpflichtet gewesen, sie unverzüglich zu löschen. Dies ergebe sich aus seiner Verantwortlichkeit gemäß § 10 Telemediengesetz. Diese Vorschrift befreit den Betreiber einer Webseite nur dann von der Haftung für Rechtsverletzungen, wenn er nach einem Hinweis auf die eingetretene Rechtsverletzung unverzüglich für eine Löschung der entsprechenden Daten gesorgt hat. Dies habe der Beklagte hier versäumt.
Die Ehefrau muss die Treue ihres Mannes nicht beweisen
Das Urteil enthält keine detaillierten Aussagen dazu, woraus sich ergibt, dass der Verstorbene seine Ehefrau nicht betrogen hat. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Vielmehr verhält es sich dann, wenn über eine solche Frage gestritten wird, genau andersherum: Wer ehrverletzende Behauptungen in die Welt setzt, muss im Ernstfall beweisen, dass sie zutreffen. Wenn der Betreiber der Internetseite also der Auffassung gewesen wäre, dass die Behauptungen in den Kondolenzeinträgen zutreffen, hätte er beweisen müssen, dass diese Behauptungen richtig sind. Das konnte er ganz offensichtlich nicht.
Die Klage gegen den Seiteninhaber ist der effektivste Weg für sie
Die naheliegende Frage, warum die Ehefrau des Verstorbenen gegen den Betreiber der Internetseite vorgegangen ist und nicht gegen die Frau, von der die Kondolenzeinträge stammen, lässt sich ebenfalls leicht beantworten: Der effektivste Weg, die Behauptungen aus der Welt zu schaffen, bestand darin, möglichst schnell die Einträge auf der Webseite löschen zu lassen. Und dies konnte der Betreiber der Seite weitaus schneller veranlassen als die Frau, von der die Behauptungen stammen.
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14.2.2014 – 13 S 4/14 ist abrufbar unter https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20140074.