30.06.2022

Informationelles Selbstbestimmungsrecht: Was ist das?

Gemeinsam schützen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) in Deutschland das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Doch was genau versteht man unter diesem Grundrecht?

Informationelles Selbstbestimmungsrecht: Was ist das?

Woher stammt das informationelle Selbstbestimmungsrecht?

Das informationelle Selbstbestimmungsrecht bezeichnet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Dieses Recht hat in Deutschland das Bundesverfassungsgericht 1983 im Volkszählungsurteil als Grundrecht anerkannt, das sich aus den Artikeln 1 und 2 Grundgesetz (GG) ergibt:

„Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel l Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ (BVerfGE 65, 1, Urteil vom 15. Dezember 1983)

Anlass für dieses Urteil war die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung.

Das Bundesverfassungsgericht leitet in seiner Entscheidung die informationelle Selbstbestimmung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Menschenwürde ab. Als „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ bekommt der Schutz personenbezogener Daten die Qualität eines Grundrechts.

Grenzen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

Das Selbstbestimmungsrecht hat aber auch seine Grenzen. Das Bundesverfassungsgericht beschreibt sie so:

„Einschränkungen dieses Rechts auf ‚informationelle Selbstbestimmung‘ sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch hat er organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken.“

Eingriffe in dieses Grundrecht sind also nur bei überwiegendem Allgemeininteresse zulässig. Es ist eine gesetzliche Grundlage dafür erforderlich, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.

Beispiel: Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

Ein Beispiel sind die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Hierzu führten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags aus: „Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sollen gemäß § 28a Abs. 3 Infektionsschutzgesetz dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems dienen. Der Staat ist nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Der Schutz dieser Rechtsgüter, die zu den höchsten überhaupt zählen, liegt im überwiegenden Allgemeininteresse. Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung können daher im Grundsatz mit dem Gesundheitsschutz gerechtfertigt werden.“

Stete Abwägung zwischen Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen

Um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sicherzustellen, bedarf es ständiger Sensibilität und einer ständigen Abwägung zwischen den Schutzbelangen der Allgemeinheit und des Einzelnen, so zum Beispiel das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen.

Was gilt im Beschäftigungsverhältnis?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis zählt zu den besonderen Verarbeitungssituationen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geht in Artikel 88 darauf ein.

Das Bundesdatenschutzgesetz besagt dazu (§ 26 Abs. 1 BDSG):

„Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist.“

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschäftigten muss dabei in Einklang gebracht werden mit anderen Grundrechten, dem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1und 2 GG), mit der unternehmerischen Freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers (Art. 2 Abs. 1 GG).

Die Datenschutzkonferenz (DSK) ist der Auffassung, dass weitergehende Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz notwendig und damit ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz überfällig sind: § 26 BDSG sei nicht hinreichend praktikabel, normenklar und sachgerecht. Die Norm sei als Generalklausel formuliert und eröffne weite Interpretationsspielräume. Dadurch führe sie zu Unklarheiten über die Zulässigkeit von Verarbeitungen personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Beschäftigte, Bewerberinnen und Bewerber, Personalvertretungen oder Gerichte.

Als möglichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Beschäftigungsverhältnis nennen die Aufsichtsbehörden zum Beispiel die Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Verantwortliche müssen ihren Einsatz in einer Datenschutz-Folgenabschätzung vorab genau prüfen.

Autor*in: Oliver Schonschek (Diplom-Physiker, IT-Analyst und Fachjournalist)