15.06.2023

Fotos vom Sperrmüll – zulässig oder nicht?

Darf die Müllabfuhr Sperrmüll fotografieren, bevor sie ihn abholt? Die Frage mag leicht kurios wirken. Sie führt aber zu hochinteressanten Datenschutz-Überlegungen, die allgemeine Bedeutung haben.

Fotos von Sperrmüll können unter die DSGVO fallen

Was hat sich ereignet?

Ein Abfallentsorger erhielt den Auftrag, Sperrmüll abzuholen. Er teilte dem Auftraggeber das Datum für die Abholung mit. Einen Tag davor stellte der Auftraggeber den Sperrmüll zum Abtransport bereit. Kurz vor der Abholung ließ der Abfallentsorger den Sperrmüll durch sein Außendienstpersonal mit dem Handy fotografieren. Das wunderte den Auftraggeber sehr. Er witterte einen Datenschutzverstoß und wandte sich deshalb an die Datenschutzaufsicht.

Was ist die erste Frage der Datenschutzaufsicht?

Als erstes befasst sich die Datenschutzaufsicht damit, ob es hier überhaupt um Datenschutz geht. Konkret: Ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hier anwendbar? Das wäre der Fall, wenn das Fotografieren des Sperrmülls eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt.

Wie ist digitales Fotografieren einzuordnen?

Das Fotografieren mit einer Digitalkamera ist eindeutig als Verarbeitung von Daten anzusehen. Denn dabei werden Daten automatisiert gespeichert. Dies erwähnt Art. 4 Nr.2 DSGVO ausdrücklich als Beispiel einer Verarbeitung.

Wie verwandeln sich Sachdaten in Personendaten?

Jedenfalls zunächst sind Fotos von Sperrmüll nicht auf eine bestimmte Person bezogen. Bei Sperrmüll handelt es sich um eine Ansammlung von Gegenständen, die entsorgt werden sollen. Fotos davon liefern für sich gesehen ausschließlich Informationen über diese Gegenstände, aber nicht Informationen über eine Person. Damit enthalten die Fotos bloße Sachdaten und keine personenbezogenen Daten.

Das ändert sich allerdings, sobald das Foto einer bestimmten Person zugeordnet wird. Genau das tat der Abfallentsorger mit den Fotos. In seinem Kundenmanagementsystem verknüpfte er sie nämlich mit dem Abholauftrag. Dies geschah, um bei etwaigen Reklamationen auf die Fotografien zurückgreifen zu können.

Was bewirkt die Verknüpfung mit einer bestimmten Person?

Aus diesem Vorgehen zog die Datenschutzaufsicht messerscharf folgenden Schluss: „In dem Moment, in dem das Bild der Gegenstände dem Kundenauftrag zugeordnet und mit diesem verknüpft wird, erhält das Sachdatum einen Personenbezug im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO.“ Dies hat zur Folge, dass die DSGVO anwendbar ist.

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Wo ist die Rechtsgrundlage für das Fotografieren?

Wie jede andere Verarbeitung personenbezogener Daten auch, ist das Fotografieren des Sperrmülls nicht „einfach so“ zulässig. Vielmehr muss dafür eine Rechtsgrundlage in der DSGVO vorhanden sein. Um das beurteilen zu können, ließ sich die Datenschutzaufsicht genauer erklären, in welchen Fällen und zu welchem Zweck der Abfallentsorger den Müll fotografieren lässt. Dabei ergab sich Folgendes:

Wie sind die Spielregeln für die Entsorgung von Sperrmüll?

  • Basis für die Abholung von Sperrmüll ist eine „Abfallsatzung“ der jeweiligen Stadt / des jeweiligen Landkreises.
  • Diese Satzung legt fest, dass jeder Haushalt bis zu zweimal im Kalenderjahr die Entsorgung von Sperrmüll kostenlos anfordern kann.
  • Die Menge des Sperrmülls, der kostenlos abgeholt wird, ist dabei jeweils auf zwei Kubikmeter beschränkt.
  • Zudem werden nur Gegenstände mitgenommen, die bei der Anmeldung angegeben wurden.

Welche Rolle spielen Fotos bei Regelverstößen?

An diese Spielregeln sind beide gebunden, der Entsorgungsbetrieb genauso wie die Haushalte, um deren Sperrmüll es geht. Manchmal kommt es jedoch vor, dass Haushalte sich nicht an die Regeln halten. Beispiele hierfür:

  • Sie stellen mehr als zwei Kubikmeter Sperrmüll bereit, überschreiten also die kostenfreie Menge.
  • Sie stellen Gegenstände bereit, die sie nicht zur Abholung angemeldet haben.
  • Sie stellen Müll bereit, der nicht als Sperrmüll gilt.
  • Sie erteilen zwar einen Abholauftrag, stellen aber trotzdem keinen Sperrmüll bereit.

Nur in solchen „Problemfällen“ lässt der Abfallentsorger Fotos anfertigen. Sie sollen dabei helfen, den Sachverhalt festzuhalten und für die Einhaltung der Spielregeln zu sorgen.

Warum haben wir es mit „hoheitlichen Fotos“ zu tun?

Zwar holt ein privates Entsorgungsunternehmen den Sperrmüll ab. Dieses Unternehmen wird aber im Auftrag der jeweiligen Stadt oder des jeweiligen Landkreises tätig. Den Städten und Landkreisen ist die Aufgabe der Abfallentsorgung durch Gesetz übertragen. Das Entsorgungsunternehmen übernimmt in ihrem Auftrag lediglich die logistisch-handwerkliche Durchführung des Ganzen.

Die Verarbeitung der Foto-Daten erfolgt somit in der Wahrnehmung einer Aufgabe, welche die Städte und Landkreise in Ausübung öffentlicher Gewalt wahrnehmen (siehe Art. 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe e) DSGVO). Diese Formulierung mag im Zusammenhang mit Fotos von Sperrmüll auf den ersten Blick eher etwas hochtrabend wirken. Sie trifft aber den Sachverhalt.

Warum ist Abfallentsorgung keine „Privatsache“?

Wenn ein Gesetz Städten und Landkreisen eine bestimmte Aufgabe überträgt, stellt die Erfüllung dieser Aufgabe eine Ausübung öffentlicher Gewalt dar. Die Städte und Landkreise müssen sich dieser Aufgabe widmen, ob sie wollen oder nicht. Konsequenterweise muss es ihnen dann auch erlaubt sein, die dafür erforderlichen Daten zu verarbeiten. Im Rahmen einer Auftragsverarbeitung (Art. 28 DSGVO) können sie damit auch ein Privatunternehmen beauftragen.

Was ist das Ergebnis der ausführlichen Überlegungen der Datenschutzaufsicht?

Im Ergebnis hatte die Datenschutzaufsicht gegen das Fotografieren des Sperrmülls nichts einzuwenden. Wesentlich dafür war, dass der Sperrmüll nicht „einfach so“ fotografiert wird. Dies geschieht nur, wenn dazu ein Anlass besteht. Sofern ein Haushalt die Spielregeln für die Abfallentsorgung nicht einhält, liegt ein solcher Anlass vor.

Wo können Sie den Fall im Detail nachlesen?

Der Fall stammt aus dieser Quelle: Hessische Datenschutzaufsicht, 51. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für das Jahr 2022, Seiten 116-120. Der Tätigkeitsbericht ist abrufbar unter https://datenschutzarchiv.org/organisationen/bundeslaender/lfd-hessen.

 

Autor*in: Dr. Eugen Ehmann (Dr. Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und ist seit Jahren im Datenschutz aktiv.)