Foto eines Lehrers im Schuljahrbuch – Widerspruch möglich?
Klassenfotos in Jahrbüchern von Schulen sind ein oft diskutiertes Thema. Dabei geht es normalerweise um die Schüler auf diesen Fotos. Aber wie sieht es mit den Lehrern aus? Was ist, wenn ein Lehrer mit seiner Klasse abgebildet ist und er im Nachhinein der Verbreitung dieses Fotos widerspricht?
Kläger: ein Lehrer
Der Kläger ist Studienrat. Von September 2005 bis Juli 2016 war er am Gymnasium A tätig. Mit Wirkung vom 1. August 2016 wurde er an das Gymnasium B in einer anderen Stadt versetzt.
Jahrbuch mit Klassenfotos
Am Gymnasium A war es üblich, jedes Jahr ein Jahrbuch für die Schule zu erstellen. So geschah es auch für das Schuljahr 2015/2016. Wie in den vergangenen Jahren enthielt dieses Jahrbuch Abbildungen sämtlicher Klassen und Kurse.
Auf den Fotos sind jeweils die Schülerinnen und Schüler zu sehen und außerdem die Lehrerinnen und Lehrer der Klassen und Kurse.
Die Fotos erstellte eine Fotografin bei einem offiziellen Fototermin. Dabei ließ sich der Kläger mit den Klassen 8c und dem Kurs SS 12 ablichten. Die beiden Bilder wurden in das Jahrbuch aufgenommen. Der Name des Lehrers ist bei den Bildern jeweils genannt.
Begrenzte Auflage
Die Schule ließ nur so viele Exemplare des Jahrbuchs drucken, wie die Schülerschaft vorbestellt hatte. Deshalb wurden auch alle Exemplare des Jahrbuchs verkauft. Lediglich im Schularchiv befindet sich noch ein weiteres Exemplar.
Widerspruch im Nachhinein
Im Nachhinein wandte sich der Kläger gegen die Verbreitung der Bilder, auf denen er zu sehen ist. Ihre Veröffentlichung verletze sein Persönlichkeitsrecht. Die Schule habe nicht seine vorherige Zustimmung zur Veröffentlichung eingeholt.
Der Kläger verlangt, dass die Schule alle Exemplare des Jahrbuchs 2015/2016 zurückruft und dass er in allen Exemplaren auf den Fotos jeweils unkenntlich gemacht wird. Außerdem fordert er, dass die Schule künftig keine Exemplare des Jahrbuchs mehr verbreitet.
Klage zum Verwaltungsgericht
Da sich die Schule weigerte, diesen Forderungen nachzukommen, erhob der Lehrer Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht ist die richtige „Adresse“ für die Klage, weil es letztlich um eine beamtenrechtliche Streitigkeit geht. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Schule und dem Lehrer richten sich nämlich nach Beamtenrecht.
Abweisung der Klage in allen Punkten
Das Verwaltungsgericht Koblenz wies alle Forderungen des Lehrers ab. Die Klage wäre nur begründet, wenn ein rechtswidriger Zustand vorläge, der beseitigt werden müsse.
Ein solcher rechtswidriger Zustand könnte sich höchstens daraus ergeben, dass die Schule in unzulässiger Weise in die Rechte des Klägers eingegriffen hat. Das ist jedoch nicht der Fall.
Zweigleisige Begründung
Um dieses Ergebnis zu begründen, argumentiert das Gericht zweigleisig:
- Zunächst erläutert es, dass eine Einwilligung des Klägers nicht erforderlich war.
- Selbst wenn man dies anders sehen wollte, läge nach Auffassung des Gerichts jedoch eine wirksame konkludente Einwilligung des Klägers vor.
Maßgebliche gesetzliche Regelungen
Ob überhaupt eine Einwilligung des Klägers erforderlich war, prüft das Gericht anhand der einschlägigen gesetzlichen Regelungen.
Dabei geht es zum einen auf die Schulordnung ein, die in Rheinland-Pfalz für alle Schulen gilt. Zum anderen erörtert es die Regelungen über das Recht am eigenen Bild, die das sogenannte „Kunsturheberrechtsgesetz“ (abgekürzt: KUG) enthält.
Vorgaben der landesweiten Schulordnung
Die landesweit gültige Schulordnung enthält in § 89 Abs. 7 eine Regelung für die Herausgabe von Jahresberichten. Demnach ist eine Schule berechtigt, Jahresberichte herauszugeben, welche die Namen, die Lehrbefähigung und die Verwendung der einzelnen Lehrkräfte enthalten.
Die Aufzählung dieser Daten ist abschließend. Ein Recht der Schule, den Jahresberichten auch Abbildungen von Lehrkräften beizufügen, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass Lichtbilder von Lehrkräften nicht unter diese Regelung fallen.
Das unterstreicht eine offizielle Verwaltungsvorschrift (Bekanntmachung) des Ministeriums für Bildung Rheinland-Pfalz. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass Klassenfotos in Jahresberichte nur dann aufgenommen werden dürfen, wenn alle abgebildeten Personen darin eingewilligt haben.
Klassenfotos als „Bildnisse der Zeitgeschichte“
Eine Einwilligung ist – so das Gericht – jedoch deshalb nicht notwendig, weil § 23 Abs.1 KUG „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen zulässt.
Dass Klassenfotos als „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ anzusehen sind, begründet das Gericht wie folgt:
- Zur Zeitgeschichte gehören auch Sachverhalte von lediglich regionaler oder lokaler Bedeutung.
- Dieses Merkmal ist bei Jahrbüchern von Schulen mit Klassenfotos erfüllt. Denn die Schule hat ein berechtigtes Interesse daran, sich gegenüber den Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern durch ein solches Jahrbuch darzustellen.
- Dem steht gegenüber, dass die Beeinträchtigung des Klägers als gering anzusehen ist. Die Fotos, auf denen er zu sehen ist, wurden im dienstlichen Bereich aufgenommen. Sie zeigen den Kläger in einer völlig unverfänglichen Situation.
- Irgendwelche schutzwürdigen Interessen des Klägers, die zu einer anderen Beurteilung führen, sind nicht zu erkennen. Insbesondere sind die Bilder in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.
Ersatzweise: konkludente Einwilligung
Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgen würde, hätte der Kläger aber jedenfalls konkludent eine Einwilligung erteilt. Das ist der Fall, weil sich aus seinem Verhalten eine Einwilligung ableiten lässt.
Eine konkludente Einwilligung ergibt sich daraus, dass der Kläger am Fototermin mitgewirkt hat. Er war bereits mehrere Jahre an der Schule tätig. Demnach wusste er oder hätte es jedenfalls wissen müssen, dass dabei erstellte Klassenfotos für Jahrbücher verwendet werden.
Daraus zieht das Gericht folgenden Schluss: „Wer sich angesichts dieser Praxis mit einer Klasse bzw. einem Kurs fotografieren lässt, muss mit einer Verbreitung der Bilder rechnen, zumal schon das gewählte Format der Bilder auf eine Veröffentlichungsabsicht hindeutete. Der Beweggrund für die Teilnahme des Klägers an dem Fototermin spielt insoweit keine Rolle.“
Widersprüchliches Verhalten des Lehrers
Ferner gibt das Gericht dem Kläger Folgendes zu bedenken: „Es stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, die Veröffentlichung von Fotos einerseits strikt abzulehnen und sich andererseits auf Fotos ablichten zu lassen, die offensichtlich dem Zweck der Veröffentlichung dienen.“.
Richtiger Adressat eines Widerspruchs
Für unerheblich hält das Gericht das Argument des Klägers, er habe gegenüber der Fotografin einer Veröffentlichung ausdrücklich widersprochen.
Dem Kläger war bekannt, dass ausschließlich die Schulleitung die Entscheidung über die Veröffentlichung trifft und dass die externe Fotografin die Fotos lediglich handwerklich erstellt. Deshalb hätte er seinen Widerspruch gegenüber dem Schulleiter und nicht gegenüber der Fotografin erklären müssen.
Veröffentlichung auf der Homepage: ganz andere Situation
Ebenfalls keine Rolle spielt aus der Sicht des Gerichts, dass der Kläger von Anfang an einer Veröffentlichung der Fotos auf der Homepage der Schule widersprochen hat. Dabei handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um einen völlig anderen Sachverhalt.
Bilder auf einer Homepage seien für einen unbegrenzten Personenkreis einsehbar, das Jahrbuch dagegen von vornherein nur für einen begrenzten Personenkreis. Deshalb habe kein Anlass bestanden, aus dem Widerspruch gegen die Veröffentlichung auf der Homepage auf einen Widerspruch gegen die Veröffentlichung im Jahrbuch zu schließen.
Ob die Fotos überhaupt jemals auf der Homepage veröffentlicht wurden, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Offensichtlich wurde darüber jedenfalls nicht mehr gestritten.
Dies kann entweder darauf zurückgehen, dass eine solche Veröffentlichung auf der Homepage nie erfolgte oder darauf, dass die Schule die dort veröffentlichten Bilder wieder herausgenommen hat.
Eine Schwäche des Urteils
So sehr die Entscheidung des Gerichts im Ergebnis überzeugt – die Begründung zeigt doch eine Schwäche.
Es steht außer Frage, dass Bilder von Personen als personenbezogene Daten im Sinn der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anzusehen sind. Dennoch geht das Gericht mit keinem Wort auf die DSGVO ein.
Anlass dazu hätte durchaus bestanden. Ob die Regelungen des KUG neben der DSGVO weiter gelten, ist unter Juristen nämlich ausgesprochen umstritten. Es wäre von großem Interesse gewesen, hierzu die Auffassung des Gerichts zu erfahren. Ob das am Ergebnis der Entscheidung etwas geändert hätte, muss Spekulation bleiben.
Bundesweites Regelungsmuster
Die Regelung des § 89 Abs. 7 der Schulordnung für Rheinland-Pfalz entspricht einem Regelungsmuster, das bundesweit üblich ist. So findet sich in Bayern eine parallele Vorschrift in Art. 85 Abs. 3 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen.
Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz interpretiert sie genauso, wie es das Gericht im vorliegenden Fall getan hat. Auf seiner Homepage heißt es:
„Gibt eine Schule für die Schülerinnen und Schüler und Erziehungsberechtigten einen papiergebundenen Jahresbericht heraus, so dürfen – nicht müssen – darin gemäß der schuldatenschutzrechtlichen Erlaubnisnorm des Art. 85 Abs. 3 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen von den Schülerinnen und Schülern Name, Geburtsdatum, Jahrgangsstufe und Klasse sowie Angaben über besondere schulische Tätigkeiten und Funktionen enthalten sein. Sollen darüber hinaus Schülerfotos, insbesondere Klassenfotos in den Jahresbericht aufgenommen werden, so ist dies nur auf der Grundlage einer datenschutzkonformen Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DSGVO zulässig.“ (Siehe BayLfD: 10. Schulen und Hochschulen (datenschutz-bayern.de), Abschnitt „Schülerfotos im Jahresbericht, insbesondere Klassenfotos“.)
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 6. September 2019-5 K 101/19.KO ist abrufbar unter Nr_33-2019_VOE_5_K_0101-19_KO_Urteil_vom_06-09-2019.pdf (rlp.de)