20.10.2020

Einstellungsuntersuchung & Datenschutz: Das ist erlaubt

Blutabnahme, Urin- und Drogentests sowie andere Einstellungsuntersuchungen sorgen immer wieder für Schlagzeilen und Kritik. Trotzdem hat eine Einstellungsuntersuchung in gewissem Umfang ihre Berechtigung. In manchen Fällen ist sie sogar Pflicht.

Einstellungsuntersuchung

Keine Einstellung ohne Einstellungsuntersuchung?

„Sie bekommen den Job, aber bevor wir den Vertrag fertig machen können, müssen Sie noch zu unserem Betriebsarzt“, erklärt der Bereichsleiter dem neuen Empfangsmitarbeiter.

Dem Termin beim Betriebsarzt sieht der neue Mitarbeiter mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn scheinbar ist die Ausfertigung des Anstellungsvertrags davon abhängig, wie die Einstellungsuntersuchung ausfällt. Andernfalls hätte ihn der Bereichsleiter doch zuerst zum Personalleiter geschickt, um die Vertrags-Formalitäten zu klären.

Nicht nur Arbeitgeber-Willkür

Tatsächlich drängen nicht wenige Unternehmen auf solche Einstellungsuntersuchungen. Und viele Bewerber trauen sich nicht, die Gründe zu erfragen. Denn sie fürchten, sonst keine Anstellung zu bekommen.

Was auf den ersten Blick nach Arbeitgeber-Willkür aussieht, hat in gewissem Rahmen seinen Sinn. Das gilt insbesondere aus der Sicht des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsprävention.

Neben dem Arbeitsschutz spielt auch der Datenschutz eine entscheidende Rolle bei der Frage, wann und in welchem Umfang Einstellungsuntersuchungen zulässig sind.

Arbeitsschutz: Eine Frage der gesundheitlichen Eignung

Jede berufliche Tätigkeit stellt gewisse Anforderungen an die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers:

  • Einige müssen längere Zeit stehen können.
  • Andere heben schwere Lasten.
  • Wieder andere sitzen für viele Stunden am Steuer eines Fahrzeugs.

In bestimmten Fällen ist deshalb eine Einstellungsuntersuchung nicht nur ein besonderer Wunsch des zukünftigen Arbeitgebers, sondern eine Verpflichtung.

Das ist grundsätzlich der Fall, wenn die Ausübung einer Tätigkeit mit der Sicherheit und Gesundheit anderer Personen in Verbindung steht. Wenn also gesundheitliche Probleme, die während der Tätigkeit auftreten, andere Personen gefährden könnten.

Das gilt etwa bei der Personenbeförderung wie bei Busfahrern, Lokführern oder Piloten.

Untersuchungsangebot, aber keine Pflicht

Wer einen Bildschirmarbeitsplatz in einem normalen Büro hat, wird in aller Regel keine anderen Personen gefährden. Allerdings könnte der Arbeitsplatz die eigenen Augen belasten. Daher muss der Arbeitgeber eine Augenuntersuchung anbieten.

Die Teilnahme an der Untersuchung ist jedoch für die betroffenen Mitarbeiter freiwillig.

Relevanz für die Tätigkeit entscheidend

Ob eine Einstellungsuntersuchung sinnvoll und zulässig ist, bestimmt sich danach, ob die gesundheitliche Eignung für die betreffende Stelle relevant ist.

So wird eine hohe Belastbarkeit der Beine bei einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit keine große Rolle spielen. Eine entsprechende Untersuchung ist also weder sinnvoll noch ohne Einwilligung der betroffenen Person zulässig.

Nachfragen zur Gesundheit und gesundheitliche Untersuchungen, die nicht im Zusammenhang mit der Stelle stehen, können zukünftige Arbeitnehmer und Bewerber ablehnen. Auch Nachforschungen zur Gesundheitssituation in der Familie des Bewerbers sind nicht zulässig.

In der Praxis werden viele trotzdem der Einstellungsuntersuchung und der Befragung zustimmen.

Auskunftspflicht

Gesundheitsbezogene Fragen, die mit der Tätigkeit und dem Beschäftigten selbst zu tun haben, müssen Mitarbeiter in aller Regel im bestimmtem Umfang wahrheitsgemäß beantworten.

Dazu gehören Fragen

  • zur gesundheitlichen Eignung für die angestrebte Position (z.B. Liegt eine Krankheit vor, die die Ausübung dauerhaft oder wiederholt einschränkt?),
  • zur Gefährdung von anderen Mitarbeitern oder Kunden (wie ansteckende Krankheiten) oder
  • zu gesundheitlichen Faktoren, die innerhalb der nächsten sechs Monate zur Arbeitsunfähigkeit führen könnten (wie eine schwierige Operation; aber keine Fragen zur Schwangerschaft).

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber schreibt hierzu: „Generell ist es dem Arbeitgeber lediglich gestattet, dem Bewerber Fragen zu stellen, die für den jeweiligen konkreten Arbeitsplatz relevant sind.

Soweit dabei der Gesundheitszustand angesprochen wird, muss sich der Arbeitgeber auf Fragen nach wesentlichen Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit oder des Einsatzes des Arbeitnehmers durch akute oder ansteckende Krankheiten oder nach geplanten Operationen beschränken. Entscheidend ist stets die Erforderlichkeit der Beantwortung der Frage für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses.

Entgegen der gängigen Rechtsprechung durch die Arbeitsgerichte werden allerdings Bewerberinnen nach wie vor gefragt, ob eine Schwangerschaft vorliege. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist regelmäßig unzulässig.“

Was sagt der Datenschutz zu Einstellungsuntersuchungen?

Einstellungsuntersuchungen sind ein wichtiger Teil der Gesundheitsfürsorge am Arbeitsplatz. Sie dürfen aber den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten.

Hier sollten Arbeitsschützer, Mitarbeitervertretung und Datenschutzbeauftragte gemeinsam darauf hinwirken, die positiven Ziele dieser Untersuchungen zu erreichen, ohne die Mitarbeiter zu benachteiligen.

Ärztliche Schweigepflicht

Festzuhalten bleibt zum einen: Die konkreten Untersuchungs-Ergebnisse unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.

Nur die Eignung selbst, nicht die genaue Diagnose darf der Betriebsarzt dem zukünftigen Arbeitgeber weitergeben.

DSGVO und BDSG

Zum anderen finden sich Vorgaben, wie Verantwortliche mit den Daten umzugehen haben, in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO / GDPR) und im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

Dabei gilt, dass Bewerberinnen und Bewerber – und damit die Kandidaten für eine Einstellungsuntersuchung – als Beschäftigte gelten.

Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext

Artikel 88 DSGVO (Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext) enthält eine Öffnungsklausel. Danach können die Mitgliedstaaten spezifischere Vorschriften im Beschäftigungskontext vorsehen. Das gilt vor allem für Zwecke der Einstellung.

Diese Vorschriften müssen angemessene und besondere Maßnahmen umfassen, um

  • die menschliche Würde zu wahren,
  • die berechtigten Interessen und
  • die Grundrechte der betroffenen Person, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz.

Der deutsche Gesetzgeber hat diese spezifischere Vorschrift mit § 26 BDSG umgesetzt (Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses).

Einstellungsuntersuchung erforderlich?

§ 26 BDSG besagt, dass Verantwortliche personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeiten dürfen, wenn dies erforerlich ist, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zu entscheiden.

Es ist also wie im Arbeitsschutz eine Prüfung nötig, ob die Einstellungsuntersuchung erforderlich ist.

Ist Einwilligung eine Option?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten kann auch auf der Grundlage einer Einwilligung erfolgten. Dabei sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit zu berücksichtigen

  • die Abhängigkeit der beschäftigten Person, die im Beschäftigungsverhältnis besteht, sowie
  • die Umstände, unter denen der Bewerber / zukünftige Mitarbeiter die Einwilligung erteilt hat.

Freiwilligkeit kann etwa vorliegen, wenn

  • sich für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil ergibt oder
  • Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen.

In einem Bewerbungsverfahren dürfte die Einwilligung allerdings kaum freiwillig erfolgen. Diese Variante fällt als Rechtsgrundlage also eher aus.

Besondere Kategorien personenbezogener Daten

Gesundheitsdaten gehören zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten (Artikel 9 DSGVO). Die Verarbeitung solcher Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ist zulässig, wenn

  • sie zur Ausübung von Rechten oder
  • zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und
  • kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.

Genetische Daten und biometrischen Daten darf der Arbeitgeber zum Beispiel unter bestimmten Umständen verarbeiten, um eine Person eindeutig zu identifizieren (ebenfalls Artikel 9 DSGVO).

Der Datenschutz steht also einer Einstellungsuntersuchung nicht im Wege, sofern sie beispielsweise erforderlich ist, um Pflichten aus dem Arbeitsschutz zu erfüllen.


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Autor*in: Oliver Schonschek (Diplom-Physiker, IT-Analyst und Fachjournalist)