17.11.2020

Auskunftsanspruch eines Patienten gegen eine Klinik

Gibt die DSGVO jedem Krankenhaus-Patienten einen Anspruch auf eine kostenlose Kopie der Behandlungs-Dokumentation? Spielt es eine Rolle, wenn es ihm nicht um Fragen des Datenschutzes geht, sondern um mögliche Behandlungs-Fehler? Das Landgericht Dresden beantwortet beide Fragen kurz und knapp.

Klinik Auskunft

Eine frühere Patientin fordert Auskunft

Die Klägerin war mehrere Wochen zur stationären Behandlung in der Universitätsklinik Dresden. Kurz danach verlangte sie von der Klinik Auskunft über alle dort gespeicherten personenbezogenen Daten, die sie betreffen. Zahlen wollte sie dafür nichts. Rechtlich argumentierte sie dabei mit Art. 15 Abs. 3 Sätzen 1 und 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Dort heißt es: „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen.“

Daraus zog die Klägerin den Schluss, dass die erste Kopie kostenlos sein muss.

Die Klinik verlangt die Erstattung der Kosten

Die Klinik wollte davon nichts wissen. In einem ersten Schreiben erklärte sie sich nur bereit, eine Kopie der Daten zu übersenden, wenn sich die Klägerin zuvor pauschal verpflichtet, die entstehenden Kosten zu übernehmen.

In einem zweiten Schreiben verwies die Klinik darauf, dass sie bereit sei, für 5,90 Euro zuzüglich Versandkosten die gewünschten Unterlagen auf einem Datenträger zu versenden.

Die Klägerin beharrt auf kostenfreier Auskunft

Die Klägerin bleibt jedoch dabei, dass ihr eine kostenlose Kopie aller Daten zusteht. Das sieht die Klinik gänzlich anders.

Der Klägerin geht es nämlich ausdrücklich nicht um Fragen des Datenschutzes. Vielmehr möchte sie die Unterlagen nutzen, um der Klinik Behandlungsfehler nachzuweisen. Ihr Ziel ist dabei ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro.

DSGVO oder BGB – wer hat Vorrang?

Die Klinik meint, dass solche Absichten mit dem Auskunftsanspruch gemäß DSGVO nichts zu tun hätten. Dafür sei er nicht gedacht.

Wer Behandlungsfehler geltend machen wolle, habe lediglich einen Auskunftsanspruch gemäß § 630 g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In Absatz 2 dieser Regelung heißt es: „Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.“

Anders als der Auskunftsanspruch nach der DSGVO sieht diese Regelung also eine Kostenerstattung durch den Patienten vor.

Der Klinik geht es ums Grundsätzliche

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es der Klinik nicht um die 5,90 Euro plus Versandkosten geht, von denen oben die Rede war. Vielmehr sieht sie offensichtlich die Gefahr, dass sie jedes Jahr eine Vielzahl von Auskünften kostenlos erteilen muss. Und das ist dann in der Summe durchaus eine wirtschaftliche Belastung.

Da sich die Patientin und die Klinik nicht einigen konnten, klagte die Patientin auf Erteilung einer kostenlosen Auskunft.

Das Landgericht gibt der Patientin Recht

Das Landgericht Dresden hält die Klage ohne Wenn und Aber für begründet. Dabei stützt es sich auf folgende Argumente:

  • Zwei gesetzliche Regelungen nebeneinander
    Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO und der Auskunftsanspruch gemäß § 630 g BGB bestehen nebeneinander.
  • Patientin kann beliebige Ziele verfolgen
    Bei Art. 15 DSGVO kommt es nicht darauf an, welchen Zweck der Patient mit seinem Auskunftsanspruch verfolgt. Es ist also gleichgültig, ob es ihm um den Datenschutz geht oder ob er zivilrechtliche Haftungsansprüche verfolgt. Die DSGVO beschränkt den Auskunftsanspruch nicht auf bestimmte Zwecke.
  • Auskunftsanspruch erfasst auch Gesundheitsdaten
    Dass sich der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ausdrücklich auch auf Gesundheitsdaten bezieht, ergibt sich aus Erwägungsgrund 63 zur DSGVO. Satz 2 dieses Erwägungsgrundes hebt für den Auskunftsanspruch hervor: „Dies schließt das Recht betroffener Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten.“
  • Abweichungen von der DSGVO sind unzulässig
    Die Regelung von § 630 g BGB hat keinen Vorrang vor der Regelung des Art. 15 DSGVO. Die DSGVO sieht nicht vor, dass die Mitgliedstaaten nationale Regelungen treffen können, die von Art. 15 DSGVO abweichen.
  • Eine „Erstauskunft“ ist kostenlos
    Im Ergebnis kann die Klägerin auf der Basis von Art. 15 Abs. 3 DSGVO somit eine „kostenfreie Erstauskunft“ verlangen. Erst weitere Auskünfte über dieselben Daten wären kostenpflichtig. Dass § 630 g BGB eine Erstauskunft nur gegen Erstattung der Kosten vorsieht, hat keine Auswirkungen.

Das Urteil ist rechtskräftig

Das Landgericht Dresden hat ausdrücklich die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Diese Chance hat die Universitätsklinik jedoch nicht genutzt. Eine Anfrage beim Landgericht Dresden hat ergeben, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Scheute die Uniklinik die nächste Instanz?

Warum die Universitätsklinik keine Berufung eingelegt hat? Darüber lässt sich nur spekulieren.

Hatte sie die Befürchtung, dass die nächste Instanz (also das Oberlandesgericht Dresden) den Fall genauso sehen würde wie das Landgericht? Fürchtete die Universitätsklinik also ein Grundsatzurteil, das für sie nachteilig wäre? Oder gewann sie die Erkenntnis, dass der Streit um eher geringe Beträge nicht lohnt? Äußerungen der Universitätsklinik zu diesen Fragen gibt es nicht.

Das Urteil vom 29.5.2020 – 6 O 76/20 ist an mehreren Stellen im Internet verfügbar. Eine Fassung, der zu entnehmen ist, dass es um die Universitätsklinik Dresden geht, finden Sie hier: https://arge-medizinrecht.de/wp-content/uploads/2020/08/urteil-lg-dresden-6-o-7620.pdf.

Autor*in: Dr. Eugen Ehmann (Dr. Ehmann ist Regierungsvizepräsident von Mittelfranken und ist seit Jahren im Datenschutz aktiv.)