Von Applaus gekrönt
Mit einer Fünf-Minuten-Rede bewegte Norwegens König Harald V. kürzlich nicht nur seine Landsleute. Auch über die Grenzen hinaus fand die kurze Ansprache ein enormes Echo. Der Monarch zeigte, welche Kraft das gesprochene Wort entfalten kann, wenn es denn den Nerv der Menschen trifft – ein Lehrbeispiel auch für Politiker.
Der norwegische König gilt nicht gerade als charismatische Persönlichkeit. Und auch als begnadeter Redner war seine Majestät bislang kaum aufgefallen. Im Gegenteil, Harald V. zählt zu den eher unauffälligen Regenten. Umso erstaunlicher war die überwältigende Resonanz auf eine Rede, die er Anfang September anlässlich seines 25. Thronjubiläums gehalten hatte. Auf einer Gartenparty in Oslo sprach der bald 80-Jährige zu 1.500 geladenen Gästen. Knapp fünf Minuten dauerte seine Ansprache. Doch das Gesagte, über Radio, Fernsehen und Internet verbreitet, sorgte anschließend nicht nur unter Norwegern tagelang für Gesprächsstoff. Tausendfach wurden die königlichen Sätze in den sozialen Netzwerken geteilt und mit viel Beifall bedacht.
Bekenntnis zu Toleranz
Was war passiert? König Harald hatte in unerwartet deutlichen und zugleich sehr emotionalen Worten Position bezogen. Seine kurze Rede war ein eindringlicher Appell für Vielfalt, Akzeptanz und Integration. Auch das skandinavische Land kämpft angesichts von Zuwanderung und internationalem Terror mit zunehmendem Nationalismus und aggressiver Fremdenfeindlichkeit. Die Regierung des Königreichs stellen Konservative und Rechtspopulisten. Angesichts des innenpolitisch aufgeheizten Klimas warb der Monarch für religiöse Toleranz: „Norweger glauben an Gott, an Allah, an Alles und Nichts.“ Auch entwarf er das Bild einer offenen und liberalen Gesellschaft: „Norweger sind Mädchen, die Mädchen mögen, Jungen, die Jungen mögen, und Mädchen und Jungen, die einander mögen“, so König Harald. Seine größte Hoffnung sei es, dass die Norweger – bei allen Unterschieden – ein Volk blieben.
Mit Verstand und Pathos
Mit diesen Gedanken traf der Regent offenbar den Nerv der Mehrheit der Menschen im Land. Lobend und bewegt zeigten sich viele norwegische Bürger angesichts der versöhnlichen Worte ihres Königs und dessen klarer Absage an die Ausgrenzung von Minderheiten. Das Erfolgsgeheimnis seiner Rede: Harald V. war es gelungen, mit seinen Worten seine Landsleute in ihrem Bedürfnis nach Zusammenhalt abzuholen. Seine wenigen, aber wohlüberlegten Sätze waren politisch und pathetisch zugleich. Sie bedienten Ratio und Gefühle der Menschen, und sie kamen genau zur rechten Zeit – ein Rezept, das jeder überzeugenden Rede zugrunde liegt.