„Ich bin so wütend, ich hab’ sogar ein Schild gebastelt!“ – über den richtigen Umgang mit Bürgerinitiativen
Bürgerproteste und Bürgerbewegungen haben Konjunktur. Egal ob in Frankfurt, Stuttgart oder Hamburg: Menschen tragen ihre Interessen immer vehementer in die Öffentlichkeit. Das allein wäre zwar keine neue Entwicklung, das Maß an Bürgerlichkeit innerhalb dieser Gruppen ist hingegen erstaunlich. Erfahren Sie, wie „Bürgerinitiativen“ funktionieren und wie Sie mit ihnen in den Dialog treten können.
Der Stuttgarter Bahnhof war, ist und bleibt das Symbol für zivilgesellschaftlichen Widerstand in der Bundesrepublik der Neuzeit: Maßgeblich an diesem Widerstand beteiligt waren sogenannte Bürgerinitiativen, kurz BIs. BIs sind häufig spontane, aber extrem anspruchsvolle und schlagkräftige Organisationen. Sie treten meist zusammen, um einen punktuellen politischen Anspruch a) öffentlich zu machen, um ihn dann b) wirksam im kommunalpolitischen Prozess zu platzieren. BIs sind dabei in der Regel (Ausnahmen werden das bestätigen) keiner politischen Richtung verpflichtet, wenngleich sich einige inhaltliche Versatzstücke an Programme und Haltungen politischer Parteien angleichen können. Der etablierten (Partei-)Politik stehen diese Gruppen meist skeptisch gegenüber, auch wenn sie natürlich weder die Demokratie noch den Parlamentarismus ablehnen.
Agitation
BIs können sich konfrontative Themen aussuchen und zugespitzt formulieren. Haben Politiker meist Angst davor, sich einem sensiblen Thema zu stellen, besitzen BIs genau diese Freiheit. In der Politik ist das nicht so einfach möglich. Spätestens bei der nächsten Wahl wird man mit seinen eigenen kontroversen Aussagen konfrontiert und gerät in die Defensive. Aus Sicht der Politiker ist das nächste Problem der Faktor Glaubwürdigkeit: Menschen, die sich zu einer BI zusammenschließen, entstammen überdurchschnittlich häufig dem bürgerlichen Milieu, sind gut (aus)gebildet, nicht selten mit akademischen Titeln versehen und/oder haben in der kommunalen Zivilgesellschaft einen angesehenen Stand. Begegnet man Ihnen als einem Berufspolitiker vielleicht mit einer gewissen Skepsis, gewährt die Bevölkerung diesen Menschen nicht selten einen gehörigen Vertrauensvorsprung. Sie werden merken, wie schwierig eine hoch emotionale Auseinandersetzung werden kann, wenn der lokale Schreinermeister gemeinsam mit dem örtlichen Arzt in einer BI arbeitet …
Prävention und Kommunikation
Sind BIs also frustrierte Akademiker-Nörgler die die klappernden Kanaldeckel vor ihrer Villa gleichsetzen mit Welthunger und Pressefreiheit? Auf keinen Fall! BIs sind Bürger, die sich von der Politik alleingelassen fühlen und ihrem Unmut Luft machen. Setzen Sie daher unbedingt auf zwei Faktoren: 1. Prävention. Entwickeln Sie, zum Beispiel bei regelmäßigen Hausbesuchen auch außerhalb der Wahlkampfzeiten, ein Gespür dafür, was die Menschen in Ihrer Kommune umtreibt. Begreifen Sie Ihre Amtszeit auch als eine Zeit der aufsuchenden Befragung Ihrer Bürger. 2. Kommunikation. BIs sind meist keine Weltanschauungsgemeinschaften. Das heißt, dass Sie einem Dialog Ihnen gegenüber nicht unbedingt verschlossen sein müssen, bloß weil Sie nicht das gleiche Parteibuch haben. Informieren Sie sich über die Ziele der BI und finden Sie Gemeinsamkeiten. Nutzen Sie den Fachverstand der BI-ler, um vielleicht gemeinsam politisch erfolgreich zu sein!