Triumph der rüpelhaften Rhetorik
Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten kommt einem weltpolitischen Erdbeben gleich. An die Stelle des smarten Redners Barack Obama tritt nun ein Mann, der seine Anhänger mit Vulgärsprache in den Bann zieht. Warum punktet der Republikaner damit bei so vielen Menschen? Experten erklären Trumps rhetorischen Erfolg.
Der Unterschied könnte nicht größer sein. Der noch amtierende US-Präsident Barack Obama gilt als begnadeter, intellektueller Redner. Die hohe Kunst des politischen Storytellings beherrscht er wie kein zweiter Staatenlenker. Wortmächtig, stilistisch brillant und zugleich humorvoll weiß Obama sich und seine Botschaften zu inszenieren. Die Meinungen über sein Wirken als Politiker mögen auseinandergehen. Obamas sprachliches Talent dagegen ist unbestritten. Seine leidenschaftliche Rede, mit der er im Endspurt des Wahlkampfes ein letztes Mal für seine demokratische Parteikollegin Hillary Clinton ins Feld zog, oder sein staatsmännisches Plädoyer für Demokratie, mit dem er in Athen Abschied nahm von der europäischen Bühne, sind jüngste Zeugnisse seiner rhetorischen Begabung.
Wenn Derbheit siegt
Obama verkörperte rednerischen Schöngeist. Damit ist nun Schluss. Mit dem Republikaner Donald Trump hält am 20. Januar kommenden Jahres eine vollkommen gegensätzliche Rhetorik Einzug ins Weiße Haus. Viele Bürger wenden sich ob der unflätigen und an Schlichtheit kaum zu überbietenden Sprache mit Grausen ab oder verhöhnen den angehenden Präsidenten, sobald er sich vor laufenden Kameras oder bei Twitter zu Wort meldet. Doch Fakt ist: Mit seiner Art, sich zu artikulieren, hat der politische Quereinsteiger seine Konkurrentin Hillary Clinton ausgestochen.
Sprachniveau eines Grundschülers
Experten wie die Neurolinguistin Elisabeth Wehling erstaunt das nicht. Die deutsche Wissenschaftlerin, die an der kalifornischen Universität Berkeley lehrt und forscht, bescheinigt Trump Grammatik und Vokabular eines Viertklässlers. Das sei jedoch kein Nachteil, im Gegenteil. Gerade diese simple Sprache erziele die stärkste Wirkung in den Gehirnen der Zuhörer, und zwar unabhängig von Bildungsgrad oder sozialem Status, so Wehling in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Die unter etablierten Politikern verbreitete abstrakte Sprache dagegen sei „immer ein bisschen Flucht“. Auch Trumps berühmt-berüchtigte Verbalattacken seien Teil der Strategie, ist die Linguistin überzeugt. Wenn er beispielsweise seine Widersacherin die „gekrümmte Hillary“ („crooked Hillary“) nennt, stelle er sie als unmoralisch dar. „Krummer Hund, ein krummes Ding drehen, einknicken – das prägt sich ein“, beschreibt Wehling im Gespräch mit der Wochenzeitung DIE ZEIT die rhetorische Mechanik des Donald Trump.
Erfolgreich suggerierte Volksnähe
Dass Trumps Art zu sprechen eine entscheidende Rolle im US-Wahlkampf gespielt hat, bestätigte bereits Anfang des Jahres Barton Swaim in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Donald Trump benutzt eine Sprache, die niemand zuvor im politischen Alltag benutzt hat“, analysiert der frühere Redenschreiber des republikanischen Gouverneurs Mark Sanford. Während die meisten Politiker sich im Bemühen um politische Korrektheit in immer längere Konstruktionen flüchteten, seien bei Trump „alle Sätze sehr kurz und pointiert“, beobachtet Swaim und attestiert dem neuen Präsidenten zudem einen Sinn für Komik. „Trump ist alles andere als öde, er redet wie ein Stand-up-Comedian.“
Auf ein weiteres Phänomen weist Rhetoriktrainer Michael Ehlers in einem Gastbeitrag für das Magazin „Erfolg“ hin. Demnach nutze Trump besonders häufig verallgemeinernde Aussagen wie „die Leute sagen“ oder „viele Leute denken“. Laut Ehlers ein cleverer Schachzug. Trump berufe sich einerseits auf die vermeintliche Weisheit des Volkes, aber „gleichzeitig beschützt er sich selbst davor, falls seine Aussage doch nicht korrekt sein sollte“.
Sprache – ein zweischneidiges Schwert
Welche Schlüsse sind zu ziehen aus dem rhetorischen Erfolg von Donald Trump? Über diese Frage lässt sich trefflich und kontrovers diskutieren. Auch bleibt abzuwarten, welche Töne der neugewählte Präsident der USA im Amt anschlagen wird. So viel steht fest: Sprache ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert im politischen Diskurs. Sie kann Menschen überzeugen, Argumente liefern und die demokratische Meinungsbildung befördern. Sprache kann aber auch missbraucht werden, indem sie Demagogie und Populismus Vorschub leistet. Ob Regierungschef der Vereinigten Staaten oder Bürgermeister: Die Macht des Wortes verantwortungsvoll zu nutzen, obliegt letztlich jedem einzelnen Volksvertreter.