„Steuerausfälle vertragen sich nicht mit Wachstumszielen“
Vor der Sommerpause hat das Kabinett noch schnell ein milliardenschweres Wachstumsprogramm auf den Weg gebracht, das die deutsche Wirtschaft wiederbeleben soll. Erfreuliche Steueraussichten zu Beginn der Sommerpause scheinen nicht nur die Anpassungen von Grundfreibetrag, Kinderfreibetrag und Kindergeld an die Inflation zu versprechen, die vom Kabinett wie schon seit Wochen geplant auf den Weg gebracht wurden. Das jährliche Entlastungsvolumen des sogenannten „Steuerfortentwicklungsgesetzes“ erhöhte sich dadurch noch einmal deutlich: nämlich von 12,8 Milliarden Euro auf 20,9 Milliarden Euro.
Doch schon regt sich Widerstand bei Ländern und Kommunen. Denn sie müssen mit erheblichen Ausfällen rechnen. Noch handelt es sich aber um einen Gesetzentwurf, der in den kommenden Monaten vom Bundestag und vor allem vom Bundesrat erst noch verabschiedet werden muss.
Zu den Plänen der Bundesregierung, im Rahmen der Wachstumsinitiative als Steueranreiz für Unternehmen die degressive Abschreibung zu verlängern, äußerte sich der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stefan Hahn, in einem Interview mit der WELT: Den Plänen für die Verlängerung der degressiven Abschreibungen steht er kritisch gegenüber. Rund die Hälfte der Steuerausfälle durch Abschreibungen würden die Kommunen über die Einkommens- und Gewerbesteuer tragen. Als einen besseren Weg betrachtet er staatliche Investitionszulagen für Unternehmen. Die hätten für die Unternehmen bei Investitionen praktisch denselben Effekt wie Abschreibungen, aber die Städte müssten kaum oder sogar gar keine Steuerausfälle verbuchen. Seines Erachtens vertragen sich Steuerausfälle bei den Kommunen nicht mit den Wachstumszielen der Bundesregierung. Denn Steuerausfälle bei den Städten führten zu geringeren Investitionen in die Infrastruktur vor Ort. Das schade immer auch der lokalen Wirtschaft, wie Hahn erklärt.
Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, lobte grundsätzlich die Initiative. Es sei gut, dass die steuerlichen Maßnahmen der Wachstumsinitiative schnell in ein Gesetz gegossen werden sollen. Die Verlängerung der degressiven Abschreibung, die Ausweitung der Forschungsförderung und die Reform der Sammelabschreibungen setzten verlässliche Investitionsanreize und stärkten den Wirtschaftsstandort. Es komme jetzt aber darauf an, dass Bundestag und Bundesrat die Maßnahmen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zügig mittragen, wie sie meinte.
Auch Rainer Kambeck, Steuerexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), betrachtet es als eine gute Nachricht für Unternehmen, dass die Bundesregierung die steuerlichen Impulse der Wachstumsinitiative schnell umsetzt. Es scheint aber so, dass die Bundesregierung die Rechnung erneut ohne Länder und Kommunen gemacht hat. Allein die Verlängerung der beschleunigten Abschreibung bis Ende 2028 führt laut Gesetzentwurf zu jährlichen Steuerausfällen von fast sieben Milliarden Euro. Der Bund muss aber nur auf 2,2 Milliarden Euro verzichten, die Länder zusammen auf zwei Milliarden Euro. Den größten Teil tragen die Kommunen, denen im Mittel sogar 2,8 Milliarden Euro jährlich fehlen. Hier sieht auch Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) ein großes Problem bei den Regierungsplänen: Länder und Kommunen müssten einmal wieder für die „große Ampel-Show“ geradestehen, wie er kritisierte. Das könne sich in diesen Zeiten kaum noch ein Bundesland leisten, Berlin müsse schon jetzt Milliarden einsparen.