Rhetorik: Von Topmanagern lernen
Wer vor Publikum spricht, will verstanden werden. Allerdings gelingt längst nicht jede Rede. Zu lange Sätze, Kauderwelsch oder ein uninspirierter Vortrag machen es den Zuhörern schwer. Doch es geht auch anders. Immer mehr Wirtschaftsbosse wissen rednerisch zu überzeugen. Was Kommunalpolitiker sich bei ihnen abschauen können.
Knackig kurze Sätze, klare Botschaften, eine stimmige Inszenierung. Mit seiner diesjährigen Hauptversammlungsrede landete Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges gleich zwei Mal auf dem Siegerpodest. Sowohl beim aktuellen Ranking des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) als auch bei einer von der Universität Hohenheim in Kooperation mit dem „Handelsblatt“ durchgeführten Studie belegte der CEO den ersten Platz. Das positive Fazit beider Untersuchungen: Unter dem Strich hat sich die Verständlichkeit der Spitzenmanager aus den deutschen DAX-Unternehmen weiter verbessert. Viele sprechen heute einprägsamer als noch vor einigen Jahren. Neben Lob für die Bestplatzierten gab es aber auch Kritik für die Redeleistung mancher Wirtschaftskapitäne. Was können Amtsträger vom Urteil der Rhetorikexperten lernen?
Mut zur Verknappung
Weniger ist mehr. Für den Satzbau in Reden gilt das allemal. Je kürzer die Phrasen, desto leichter kann das Publikum folgen. Komplizierte Grammatikkonstruktionen hingegen sind echte Hürden. Spätestens beim dritten Schachtelsatz bleiben Ihre Zuhörer auf der Strecke. Und das gehe zu Lasten der Glaubwürdigkeit, wie Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider betont, der jährlich den Hohenheimer Verständlichkeitsindex erhebt. Machen Sie es daher wie der aktuelle Sieger-Redner Höttges: ein Gedanke, ein Satz. Der Telekom-Chef spricht in überschaubaren Einheiten. Seine Sätze enthalten selten mehr als acht bis zehn Wörter, oft auch nur drei oder vier. „Unsere Strategie leitet uns. Sie funktioniert. Darum bleibt sie, wie sie ist.“ Punkt. Bewusst reduzieren Höttges’ Redenschreiber auf das Wesentliche. Kein sprachlicher Ballast stört. Solche Botschaften bleiben hängen.
Wortungetüme verbannen
Gute Redner schätzen nicht nur knappe Sätze. Sie vertrauen zugleich auf die Kraft einfacher Sprachbilder. Auch der Telekom-Chef umschifft allzu sperrige Termini. „Ich meide Technik-Jargon und Fachbegriffe“, so Höttges gegenüber dem „Handelsblatt“. Seinen wenig investitions-, dafür sehr kritikfreudigen Wettbewerbern rief er in der Hauptversammlungsrede zu: „Jammern baut kein Netz!“. Das war bodenständig und simpel im Ausdruck – und trotzdem eine alles andere als schlichte Botschaft. Jeder im Saal verstand sofort, was gemeint war. Ganz im Gegensatz zu Sprachkreationen wie „Transrapid-Linearmotor-Technologie“ (Heinrich Hiesinger, CEO Thyssenkrupp) oder „Cloud-Subskriptionserlöse“ (SAP-Chef Bill McDermott) – Wortungetüme, für die es im Verständlichkeits-Check prompt Abzüge gab.
Emotionale Hinwendung
Alles richtig machen Redner, die nicht nur vom Podium herab dozieren, sondern eine Beziehung zu ihrem Publikum aufbauen. Kommunalpolitiker haben hier den Spitzenmanagern einiges voraus. Sie sind ihrer Klientel „von Haus aus“ näher. Doch die Vorstandschefs holen auf. Zwar ist eine Hauptversammlung kein Schützenfest (schon allein weil das Aktiengesetz dem Pflichttermin ein relativ strenges Korsett anlegt). Aber immer mehr Unternehmenslenker verstehen es, die Distanz zum Auditorium rhetorisch zu überbrücken. „Sie reden zugewandt und wollen ihr Publikum auch emotional erreichen“, loben die Gutachter vom VRdS. Die Quintessenz der jüngsten Rhetorikanalysen? In einen sprachlich und inhaltlich überzeugenden Redeauftritt zu investieren, der die Zuhörer auch bei ihren Gefühlen packt, lohnt sich. Denn egal ob Sie einer Aktiengesellschaft oder einer Gemeinde vorstehen – Sie haben die gleiche Mission: Sie wollen die Menschen mit Worten bewegen und von Ihrer Sache überzeugen.