25.09.2018

Online wie offline – die Chancen der Stadtverwaltung unter den Bedingungen der Digitalisierung

Wie wir uns online verhalten, beeinflusst zunehmend auch unsere Weltsicht offline. Kriterien wie „Usability“ und „Bewertungen anderer“ setzen wir an unsere Umwelt an und verzichten dafür freigiebig auf Transparenz im Datenschutz – was auch unser Verhalten in der Stadt betrifft und verändert. Und damit auch die zukünftigen Aufgaben der Stadtverwaltungen.

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Ob zu Hause, bei der Arbeit oder unterwegs:Die meisten Menschen sind praktisch immer über irgendeine Plattform online. Google Maps hat längst das „Nach-dem-Weg-fragen“ ersetzt. Whats-App sendet unseren „Live-Standort“ an wartende Geschäftspartner, und per Tinder finden wir gleichzeitig heraus, wer in unserer unmittelbaren Nachbarschaft noch auf Partnersuche ist. Die Big Seven der Tech-Industrie (Google, Apple, Facebook, Amazon, Baidu, Alibaba und Tencent) filtern unseren Blick auf die Welt. Mit ihren Nutzungsbedingungen formen sie unser Online-Verhalten – und unser Verhalten im „echten Leben“ als Bürgerinnen und Bürger.

Denn zunehmend nehmen wir offline in Kauf, was online längst normal ist: Scheinbare Sicherheit auf Kosten der Privatsphäre. Die Kontrollmechanismen verstecken sich online hinter unlesbar langen AGB-Richtlinien, die achtlos abgehakt werden. Offline leben wir mit (fast) unsichtbaren Kameras auf Bahnsteigen, in Straßenlaternen, auf „öffentlichen“ Plätzen. Sie als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wissen längst: Sicherheit lässt sich im urbanen Raum technologisch optimieren. Das Abenteuer „Stadt ohne Risiko“ wird möglich – eine Herausforderung für die Stadtverwaltung, die dadurch allerdings immer stärker gefordert ist, ihre Verantwortung wahrzunehmen und das Mitspracherecht der Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen.

Wie kann das aussehen? Welche Chancen bergen diese Herausforderungen? Große! Denn durch konsequentes „Bottom-up-Management“ könnte die Stadt in der Planung sogar entlastet werden. Einem Klima der Bevormundung und Überwachung gilt es in der eigenen Stadt entschieden entgegenzutreten – auch hier durch einen Aspekt der Online-Welt, der offline angewandt wird: Die meisten Online-Tools sind extrem partizipativ und im Grunde sehr demokratisch angelegt. Für die Stadtplanung bedeutet das, dass statt einzelner Experten und Star-Architekten nun „User“ und „Influencer“ einbezogen werden können. Was das sind? Bürgerinnen und Bürger, deren Gestaltungsanspruch der eigenen Umgebung sich durch die Digitalisierung verändert hat. Die gewohnt sind, ja Lust haben, sich zu beteiligen und einzubringen. Vielleicht folgen sie nicht direkt der Positionierung des Stadtmarketings – und doch entsteht so über die Zeit eine authentische Positionierung von innen. Was bei vielen globalen Marken durch Social-Media-Kampagnen und Amazon-Bewertungen funktioniert, lässt sich auch bei der Stadtentwicklung anwenden. Und gerade für strukturschwache Regionen hat das einen großen Vorteil: Ein solches Bürger-getragenes Marketing schafft echte Loyalität zwischen den „Usern“ und ihrer eigenen Stadt. Ganz offline.

Autor*in: Magdalena Herbrecht (Magdalena Herbrecht ist Kulturwissenschaftlerin und Fachjournalistin für Energie/Nachhaltigkeit.)