Moin, hallöle und Grüß Gott
Vom breiten Slang der Küstenbewohner bis zur rustikalen Mundart der Niederbayern: Unsere deutsche Sprache kennt je nach Landstrich viele unterschiedliche Färbungen. Regionale Dialekte sind den Menschen Heimat und ein kultureller Schatz. Sollten auch Politiker reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist?
„Wedder Land in Sicht! Lasogga dröppt duppelt“, jubelte das Hamburger Abendblatt auf dem Titel seiner jüngsten Wochenendausgabe. Dass die Regionalzeitung nicht nur den 2:1-Sieg des HSV über Werder Bremen, sondern gleich seine komplette Titelseite auf niederdeutsch abdruckte, war ein Tribut an den erstmals veranstalteten „Hamborger Plattdüütsch Dag“. Der Aktionstag will dazu beitragen, das an Alster und Elbe gesprochene typische Hamburger Platt zu erhalten und zu pflegen. Die Rückbesinnung auf Regionalsprachen und Dialekte hat in Deutschland seit geraumer Zeit Konjunktur. Nicht nur im Norden lernen Schulkinder wieder Plattdeutsch, überall in der Republik ist ein reges Interesse für das sprachliche Erbe der Heimat erwacht. In Vereinen, Initiativen und sogar auf Twitter wird bewusst geschwätzt, gebabbelt und geschnackt, um die Dialekte auch über die nächsten Generationen zu retten.
Regionale Klangfarben
Im akademischen Berufsleben gilt es dennoch eher als Hemmschuh, wenn nicht zu überhören ist, dass ein Kandidat zum Beispiel aus Niederbayern, Sachsen oder Ostfriesland stammt. Karriereberater raten sogar dazu, sich für das Businessparkett die Mundart ab- und Hochdeutsch anzutrainieren. Ganz anders sieht es in der Politik aus. Dass man auch mit ausgeprägtem Dialekt erfolgreich sein kann, haben schon viele Amtsträger bewiesen. Man denke nur an den Pfälzisch zischenden Helmut Kohl, den verstorbenen Hans-Dietrich Genscher mit seinem unverkennbar sächsischen Zungenschlag oder aktuell an Winfried Kretschmann. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg schwäbelt derartig heftig in die Mikrofone, dass es für landesfremde Ohren fast ein wenig grotesk klingt. Die Sympathien der Bürger fliegen ihm trotzdem – oder gerade deshalb – zu. Laut ZDF-Politbarometer ist Kretschmann momentan der beliebteste Politiker in Deutschland.
Nähe durch Lokalkolorit
Für Bürgermeister ziemt es sich allemal, sich auch sprachlich zur eigenen Herkunft zu bekennen. Schließlich stehen sie in besonderem Maße für Heimatverbundenheit, und der praktizierte Dialekt stiftet Identität und Zugehörigkeit. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker beispielsweise kann und will ihre Herkunft nicht verleugnen, wenn sie in rheinischem Tonfall parliert. Auch Hamburgs Erster Bürgermeister gönnt sich ein gewisses Lokalkolorit. Wann immer er öffentlich über die von ihm regierte Stadt spricht, hört man Olaf Scholz „Hamburch“ sagen. Was Linguisten binnendeutsche Konsonantenschwächung nennen, ist für den ansonsten als eher nüchtern geltenden Landeschef so etwas wie eine sprachliche Umarmung seiner hanseatischen Wählerschaft.
Sollten Gemeindechefs also bewusst darauf setzen, sich in Mundart zu artikulieren? Sicherlich nicht. Authentisch bleiben, heißt auch hier die Devise. Wer ohnehin im Dialekt redet, hat keinen Grund, ihn dem Publikum vorzuenthalten. Bürgermeister, die sich im Hochdeutschen wohler fühlen oder denen schlichtweg keine regionale Färbung der Muttersprache an der Wiege gesungen wurde, sollten sich dagegen nicht krampfhaft um ein solches Idiom bemühen. Bürgernähe macht sich zwar auch an der Art fest, wie ein Politiker spricht – aber vor allem daran, was er den Menschen zu sagen hat.